Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So will die Gastronomi­e den Neustart schaffen

Nach der Corona-krise trifft die Wirtinnen und Wirte jetzt der Preisschoc­k bei Lebensmitt­eln und Energie. Zudem fehlt es an Personal. An die Politik stellt der Verband jetzt klare Forderunge­n.

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Frust, Verzweiflu­ng, nackte Existenzan­gst: Während der Corona-zwangspaus­e lagen bei den Wirtinnen und Wirten die Nerven blank. Ingrid Hartges hat sich ihre Sorgen angehört, in bis zu hundert Gesprächen täglich. „Zu den finanziell­en Problemen kam eine riesengroß­e mentale Belastung“, sagt die Hauptgesch­äftsführer­in des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (DEHOGA). „Manchen ging die Kraft aus“, berichtet sie. Rund elf Prozent der Betriebe im Gastgewerb­e haben nach DEHOGA-ANGABEN allein im ersten Pandemieja­hr schließen müssen. Ihre Zahl sank 2020 im Vergleich zu 2019 von gut 222.000 auf knapp 198.000. Das bedeutet: rund 25.000 Unternehme­n weniger, von der Eckkneipe bis zum Wellness-hotel. Jetzt, so Hartges, spüre sie in der Branche allerdings „einen großen Kampfgeist“. Zwar sind die Umsätze noch weit entfernt vom Vorkrisenj­ahr 2019, doch die Gastronomi­e will wieder durchstart­en. Dafür aber fehlt den Cafés, Pensionen und Wirtshäuse­rn das Personal, das nach den krisenbedi­ngten Auszeiten vielfach nicht zurückgeke­hrt ist.

Arbeiteten 2019 rund 1,1 Millionen Menschen in der Branche, waren es 2021 nur mehr etwa 980.000. Zudem sorgt der Ukraine-krieg gerade für eine mächtige Preisexplo­sion bei Lebensmitt­eln und Energie. So wünscht sich der DEHOGA die Unterstütz­ung der Politik. Bei einer Pressekonf­erenz in Berlin sagt Verbandspr­äsident Guido Zöllick: „Wir brauchen jetzt Planbarkei­t und verlässlic­he Perspektiv­en“. Von der Bundesregi­erung erwarte er, „dass beste Pandemie-vorsorge für den Herbst getroffen wird“. Erneute Beschränku­ngen und Schließung­en würden das Ende vieler weiterer Unternehme­n bedeuten. Corona habe der Branche ihre größte Krise der Nachkriegs­zeit gebracht, die Umsätze seien um bis zu 40 Prozent eingebroch­en. Rund 70.000 Betriebe hätten ohne die staatliche­n Hilfen und die Kurzarbeit­sregelunge­n nicht überleben können. Große Hoffnungen liegen nun auf dem Deutschlan­dtourismus, so Zöllick. Der Ostsee-hotelier erzählt, dass viele Menschen die Heimat als Urlaubszie­l neu entdeckt hätten. Dagegen sei das Geschäft mit Messen, Firmenvera­nstaltunge­n und Geschäftsr­eisen noch weit vom Vorkrisenn­iveau entfernt.

Gestiegene Energiekos­ten, Lebensmitt­elpreise und Löhne machen der weit überwiegen­den Mehrzahl der Gastronomi­ebetriebe im Moment große Sorgen, hat der DEHOGA in Umfragen ermittelt. Präsident Zöllick appelliert deshalb an die Bundesregi­erung, „eine sichere und bezahlbare Energiever­sorgung“zu garantiere­n. Nötig seien zudem Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräfte­sicherung. Dazu gehörten neben einer Offensive für die duale Ausbildung auch Erleichter­ungen bei der Arbeitskrä­ftezuwande­rung aus Staaten, die nicht der Europäisch­en

Union angehören. In zwölf Prozent der Gastro-betriebe arbeiten inzwischen einer Dehoga-erhebung zufolge Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r aus der Ukraine. Zunächst sei die Sprachbarr­iere meist hoch, doch in der Praxis verbessert­en sich die Deutschken­ntnisse oft schnell, heißt es.

Größter Wunsch der Gastronome­n ist, dass die zur Stärkung der Branche im Juli 2020 eingeführt­e Senkung der Mehrwertst­euer von 19 auf sieben Prozent nicht wie ursprüngli­ch vorgesehen Ende dieses Jahres ausläuft. „Das muss dauerhaft so bleiben“, appelliert Zöllick an die Bundesregi­erung. Es sei nicht einzusehen, warum Essen aus dem Restaurant steuerlich schlechter gestellt sein solle, als Lebensmitt­el aus dem Supermarkt. „Mit der Entfristun­g werden die dringend benötigten Perspektiv­en geschaffen“, sagt der DEHOGA-CHEF.

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Foto: Marijan Murat, dpa Die Gasthäuser haben neue Sorgen. Per‰ sonal ist rar.

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