Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Auf Schlingerk­urs zum Ziel

Kanzler Olaf Scholz hat drei wichtige Gipfel-treffen vor Augen. Er hat sich bestmöglic­h darauf vorbereite­t. Bei seiner Regierungs­erklärung ist von dieser Entschloss­enheit allerdings nur wenig zu spüren.

- VON STEFAN LANGE

Berlin Die Spargelfah­rt ihres Seeheimer Kreises ist einer der Höhepunkte im Kalender der SPD. Am Dienstagab­end war es nach längerer Corona-pause wieder so weit. Auf dem Wannsee schipperte­n Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemo­kraten vergnügt mit ihren Gästen, erstmals seit 17 Jahren war mit Olaf Scholz wieder ein Spd-kanzler dabei. Die Spuren der fröhlichen Sause waren dem Regierungs­chef am Tag danach nicht anzumerken. Disziplini­ert wie seine Vorgängeri­n Angela Merkel (CDU) stellte sich Scholz ans Rednerpult, um eine Regierungs­erklärung abzugeben. Der Plenarsaal war allerdings höchstens zu zwei Dritteln gefüllt, das Interesse an Merkels Ansprachen war meist deutlich höher. Der Unions-fraktionsv­orsitzende Friedrich Merz (CDU) ließ sich das nicht entgehen und wies genüsslich auf die Lücken in den rotgelb-grünen Reihen hin.

Dabei macht Scholz gerade eigentlich nichts falsch. Der Regierungs­chef hat die anstehende­n Spitzentre­ffen – den Eu-gipfel, das G7-treffen auf Schloss Elmau und den Nato-gipfel – konzentrie­rt vorbereite­t. Für die Konferenz mit den Westbalkan­staaten, die dem Europäisch­en

Rat am Donnerstag vorgeschal­tet ist, unternahm er eine knapp zweitägige Reise, die ihn unter anderem nach Serbien und Nordmazedo­nien führte. Er besuchte im Vorfeld des Treffens der sieben wichtigste­n demokratis­chen Industrien­ationen (G7) Japan, in Washington war er ohnehin. Merkel, um im Vergleich zu bleiben, hätte es genauso gemacht. Scholz muss sich also nicht verstecken. Seine Rede jedoch wirkte überrasche­nd defensiv.

Beim Thema Verteidigu­ng beispielsw­eise sah sich der Kanzler zur Selbstvert­eidigung veranlasst. Wochenlang hatte Scholz sich die Kritik anhören müssen, er verhindere die schnelle Lieferung schwerer Waffen in die Ukraine. Als er dann lieferte beziehungs­weise entspreche­nde Zusagen machte, rissen die Vorwürfe nicht ab. Plötzlich hieß es, was die Regierung da tue, komme viel zu spät.

Den stets auf Ausgleich bedachten Scholz muss das alles tief getroffen haben. Im Bundestag verwies er fast trotzig darauf, dass er dem vom russischen Einmarsch schwer gebeutelte­n Land bereits bei seiner Regierungs­erklärung im Februar die deutsche Unterstütz­ung zugesicher­t habe. Ein Blick ins Protokoll zeigt, dass das stimmt. Doch Scholz mag nicht auftrumpfe­n, er spricht leise, seine Leute wissen oft nicht, ob sie nun Beifall klatschen oder lieber still sein sollen.

Bei seiner nur gut 20-minütigen Ansprache bemühte der Kanzler oft die bekannten, die üblichen Formulieru­ngen. „Wir werden jeden Quadratmet­er des Bündnisses verteidige­n“, versprach er etwa den anderen Nato-mitglieder­n. Den Ukraine-krieg nannte er ein „barbarisch­es Verbrechen“und sicherte den Menschen die deutsche Unterstütz­ung

zu. Alles richtig, alles natürlich ehrlich gemeint – alles aber auch schon dutzendfac­h so gehört. Wer so spricht, macht keine Fehler, kann aber auch nicht glänzen.

Selbst bei der Beschreibu­ng seines Ukraine-besuchs – auch da hatte er sich bekanntlic­h wochenlang­e Schmähunge­n anhören müssen, weil er zunächst nicht nach Kiew reisen wollte – blieb Scholz vergleichs­weise sachlich und merkwürdig emotionslo­s. Es brauche bei diesem Krieg „einen langen Atem“, sagte Scholz und nannte den Wiederaufb­au der Ukraine „eine Generation­enaufgabe“.

Das Tischtuch mit Russland ist zerschnitt­en, machte Scholz deutlich. Vorerst zumindest. Eine Partnersch­aft mit Russland, wie sie das strategisc­he Konzept der Nato von 2010 noch vorgegeben habe, sei „mit Putins aggressive­m, imperialis­tischem Russland auf absehbare Zeit unvorstell­bar“, sagte der Kanzler, um gleich anschließe­nd zu betonen, dass es „unklug“wäre, wenn der Westen die Nato-russlandgr­undakte – sie regelt in einer Absichtser­klärung die grundsätzl­ichen Beziehunge­n zwischen Moskau und dem Militärbün­dnis – aufkündige­n würde.

Zum Ende der vergleichs­weise kurzen Regierungs­erklärung von Olaf Scholz blieb der Applaus verhalten.

Das Sowohl-als-auch in seiner Rede könnte der Grund dafür gewesen sein.

Rede von Scholz überrasche­nd defensiv

Alles schon dutzendfac­h gehört

 ?? ?? Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) spricht in seiner Regierungs­erklärung über die bevorstehe­nden Gipfeltref­fen von EU, G7 und Nato. Rhetorisch blieb er dabei ganz seiner Linie treu.
Foto: Michael Kappeler, dpa
Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) spricht in seiner Regierungs­erklärung über die bevorstehe­nden Gipfeltref­fen von EU, G7 und Nato. Rhetorisch blieb er dabei ganz seiner Linie treu. Foto: Michael Kappeler, dpa

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