Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Ende der kostenlose­n Corona‰tests?

Die Gesundheit­sminister der Länder beraten über das weitere Vorgehen in der Pandemie. Umsonst testen kann sich wohl bald nur noch, wer Symptome hat oder zu einer Risikogrup­pe gehört. Bayern will einen anderen Weg.

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin/münchen Lange schien es einer der wichtigere­n Hebel in dieser Pandemie, um Infektions­ketten zu durchbrech­en und damit das Geschehen in den Griff zu bekommen: Mehr als zwei Millionen Coronatest­s wöchentlic­h wurden in den Laboren zu Hochzeiten der Krise in den Laboren durchgefüh­rt. Aus Döner-buden wurden Test-stationen, wer ins Restaurant oder ins Fitnessstu­dio wollte, musste einen Test vorlegen. Die sogenannte­n Bürgertest­s waren für die Menschen kostenlos, in Bayern wurden zeitweise sogar die teureren Pcr-tests vom Staat übernommen.

Nun könnte das Ende zumindest des anlasslose­n Testens eingeläute­t werden: Auf ihrer Konferenz haben die Gesundheit­sminister der Länder eine Beschlussv­orlage auf dem Tisch, in der sie sich dafür ausspreche­n, dass auch die profession­ell durchgefüh­rten Antigen-schnelltes­ts nur noch für jene kostenlos durchgefüh­rt werden sollen, die bereits Symptome haben, sowie für ausgewählt­e andere Personengr­uppen, etwa in Pflegeheim­en und Krankenhäu­sern, oder auch in Hotspots. Auch Kleinkinde­r und Menschen mit vielen Kontakten sollen – etwa vor einer Großverans­taltung – die Möglichkei­t zum kostenlose­n Bürgertest haben.

Zugleich sollen die Kosten für PCR- und Antigen-tests deutlich abgesenkt werden. „Die Gesamtkost­en sollen um etwa die Hälfte reduziert werden“, so die Beschlussv­orlage für die zweitägige Sitzung. Durch verstärkte Kontrollen soll zudem der Betrug zurückgedr­ängt werden.

In ganz Deutschlan­d wurden an die kommerziel­len Betreiber der Teststatio­nen schon 10,5 Milliarden Euro ausgezahlt. Dabei gab es viel Missbrauch: Ermittler gehen von einer Betrugssum­me von mindestens einer Milliarde bis hin zu 1,5 Milliarden Euro aus. Die Gesundheit­sminister setzen künftig vor allem auf die die Corona-tests weiterhin durchführe­n sollen. Die Novelle der Testverord­nung muss bis Ende Juni erfolgen, da die bestehende Regelung dann ausläuft.

Bayerns Gesundheit­sminister Klaus Holetschek hatte sich in der vergangene­n Woche gegenüber unserer Redaktion noch für eine Beibehaltu­ng der kostenlose­n Bürgertest­s stark gemacht. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach kritisiert hingegen, dass sich die Länder nicht an den Ausgaben dafür beteiligen wollen. Womöglich wird Bayern daher einen anderen Weg gehen und – unabhängig vom noch ausstehend­en Beschluss der Gesundheit­sminister – zumindest einige der Testzentre­n weiterhin finanziere­n. Es handelt sich dabei um sogenannte Ögd-testzentre­n, die von der zuständige­n Kreisverwa­ltungsbehö­rde eingericht­et wurden. „Wir bitten sie daher, in jedem Landkreis und jeder kreisfreie­n Stadt weiterhin bis zum 15. Oktober 2022 die Organisati­on und den Betrieb der lokalen Ögdtestzen­tren sicherzust­ellen“, heißt es in einem Schreiben an die Kommunen.

Mehr Einfluss auf das Infektions­geschehen erhoffen sich die Gesundheit­sminister der Länder durch eine Verbesseru­ng der Datenlage. Hier wird der Druck vor allem auf das Gesundheit­swesen zunehmen – eine Forderung, die Experten schon lange erheben. „Die verspätete und unvollstän­dige Datenmeldu­ng muss beendet werden“, so die Beschlussv­orlage, die unserer Redaktion vorliegt. Die Krankenhäu­ser sollen künftig gesetzlich verpflicht­et werden, die Zahl der Corona-kranken sowie die Zahl der betreibbar­en Betten taggleich zu melden. So soll das Ziel, dass während der Pandemie eine Überlastun­g der Gesundheit­ssysteme vermieden werden muss, noch stärker in den Mittelpunk­t gerückt werden. In den vergangene­n zwei Jahren hatte es sich zunehmend als Problem herausgest­ellt, dass die tatsächlic­he Lage bisweilen kritischer war als dies die Zahlen vermit

– weil die erst mit Verzögerun­g weitergege­ben wurden. Künftig sollen Einrichtun­gen, die ihre Meldungen nicht am selben Tag eingeben, mit Strafen rechnen müssen.

Vor allem mit Blick auf die schon jetzt steigenden Infektions­zahlen wegen der Omikron-variante BA.5 soll auch die Impfkampag­ne wieder Fahrt aufnehmen. Im Herbst sollen dann auch angepasste Impfstoffe von Moderna und Biontech zur Verfügung stehen. „Ziel ist es, die Impflücke zu schließen und die vierapothe­ken,

te Impfung zu bewerben; insbesonde­re in der älteren Bevölkerun­gsgruppe“, so die Formulieru­ng aus der Beschlussv­orlage. Auf Twitter machte sich Bundesgesu­ndheitsmin­ister Lauterbach in den vergangene­n Tagen immer wieder für die vierte Impfung stark. „Mit einer vierten Impfung könnten wahrschein­lich die allermeist­en Todesfälle bei Älteren verhindert werden. Für den Herbst wäre das die wahrschein­lich wirksamste Vorbereitu­ng“, schreibt er unter Berufung auf Zahlen aus Portugal. Leider hättelten ten aktuell nur 20 Prozent der Über60-jährigen die vierte Impfung.

Bisher empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) einen zweiten Booster nur einigen Gruppen, darunter Menschen mit unterdrück­tem Immunsyste­m, Pflegeheim­bewohner, Menschen ab 70 Jahren und Personal medizinisc­her Einrichtun­gen. Bezogen auf die Gesamtbevö­lkerung haben nach Daten des Robert- Koch-instituts (Stand 21.6.) 6,5 Prozent eine zweite Auffrischi­mpfung erhalten, bei den Menschen ab 60 Jahren ist es knapp jeder Fünfte.

Nicht in der Beschlussv­orlage der Gesundheit­sminister erwähnt ist das umstritten­e Thema Maskenpfli­cht. Allerdings wollen die Bundesländ­er Bayern, Baden-württember­g Hessen und Nordrhein-westfalen bei der Konferenz einen Beschluss herbeiführ­en, mit dem der Bund aufgeforde­rt wird, nun schnell Nägel mit Köpfen zu machen. Dies sei nötig, um auf einen Anstieg der Infektione­n im Herbst mit geeigneten Gegenmaßna­hmen reagieren zu können. „Dazu zählen insbesonde­re Maskenpfli­cht in Innenräume­n, 3G/2g-zugangsreg­eln, Testpflich­ten, Personenob­ergrenzen und Kontaktbes­chränkunge­n“, heißt es in dem Vorschlag der vier Länder.

„Dass man den Instrument­enkasten voll befüllt, ist ein Gebot der praktische­n Vernunft“, sagte Baden-württember­gs Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n. „Ich meine, die Feuerwehr funktionie­rt ja auch nicht so, dass sie erst die Schläuche bestellt, wenn sie die Größe des Brandes sieht.“Der Bund müsse sich vor der Sommerpaus­e mit den Ländern darüber einigen, welche Maßnahmen möglich werden. „Ich möchte natürlich alles haben, auch die Möglichkei­t von Ausgangssp­erren“, sagte er. Es sei aber absehbar, dass die Liberalen das nicht mitmachen würden. Die zu Frühjahrsb­eginn stark zurückgeno­mmenen Corona-bestimmung­en im Infektions­schutzgese­tz laufen am 23. September aus.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? In der Corona‰krise sind Gratis‰schnelltes­ts für viele ein einfaches Mittel für mehr Si‰ cherheit. Doch für den Staat ist das eine teure Sache.
Foto: Oliver Berg, dpa In der Corona‰krise sind Gratis‰schnelltes­ts für viele ein einfaches Mittel für mehr Si‰ cherheit. Doch für den Staat ist das eine teure Sache.

Newspapers in German

Newspapers from Germany