Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Klage gegen Benedikt ist bereits ein Erfolg

- VON DANIEL WIRSCHING wida@augsburger‰allgemeine.de

Im Missbrauch­sskandal der katholisch­en Kirche gibt es viel „wäre“, „hätte“und „vielleicht“. Wären zum Beispiel Fälle sexualisie­rter Gewalt schon unmittelba­r, nachdem sie geschahen, angezeigt worden, hätte zumindest die Chance auf eine juristisch­e Bewältigun­g bestanden – hätten Staatsanwa­ltschaften und Gerichte zuvor nicht wie in manchem Fall einen, nennen wir es einmal „nachsichti­gen“Umgang mit der Kirche gepflegt. Vielleicht wäre dann früh klar geworden, dass es sich nicht um vermeintli­che Einzelfäll­e handelt.

Es sollte bekanntlic­h anders kommen. Und so ist traurige Realität: Wegen Verjährung kommt es nicht zu Ermittlung­en oder zu Einstellun­gen, und der Kirche ist die Aufklärung und Aufarbeitu­ng weitgehend selbst überlassen. Insofern ist die nun eingereich­te Klage gegen den zurückgetr­etenen Papst Benedikt XVI. und weitere hochrangig­e Kirchenver­treter als eine Art Hilferuf, als Ruf nach Aufmerksam­keit und als Aufforderu­ng zu verstehen, an Kirche wie Staat gleicherma­ßen: Werdet endlich eurer Verantwort­ung gerecht!

Denn wenn schon nicht die Justiz – der Staat, allen voran die Politik, hätte längst mehr tun können und müssen. Mit jedem weiteren Missbrauch­sgutachten wird offensicht­licher, dass die Kirche – für nicht wenige nur noch eine „Täter-institutio­n“– es nicht selbst schafft, ihrem Jahrhunder­tskandal, vor allem aber den Missbrauch­sbetroffen­en in gebotener Weise gerecht zu werden.

Der „Fall Peter H.“, der ausführlic­h im Münchner Missbrauch­sgutachten beleuchtet wird und in dem es bei dieser Feststellu­ngsklage geht, ist hierfür eines der eindrückli­chsten, eines der besonders schockiere­nden Beispiele. Es steht für eine Verantwort­ungslosigk­eit im Umgang mit klerikalen Missbrauch­stätern, die sprachlos und wütend macht. Letztlich wird es nicht darauf ankommen, ob die Klage juristisch Erfolg hat. Sie ist bereits ein Erfolg: weil sie den Druck weiter erhöht. Und ohne Druck hat sich, das zeigt die Erfahrung, bislang wenig verändert. Dies gilt beim Thema Missbrauch­saufarbeit­ung für die Kirche wie für den Staat.

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