Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Langeweile zeigt, dass uns etwas fehlt“

Gut sechs Wochen haben Schulkinde­r Sommerferi­en. Was macht man, wenn die zu langweilig werden? Wir haben mit einer Langeweile-forscherin gesprochen.

- VON INSA SANDERS

Mir ist sooo laaangweil­ig, was soll ich nur tun? Dieses Gefühl kennt wohl jeder Mensch. Anke Zeißig auch. Doch die Wissenscha­ftlerin findet Langeweile auch ziemlich spannend.

Wie kam es, dass Sie sich als Forscherin mit dem Thema Langeweile beschäftig­en?

Anke Zeißig: Ich habe mich zu Beginn meines Kunst-studiums extrem gelangweil­t. Ich habe damals begonnen, Langeweile zu untersuche­n, und versucht, Filme zu machen, die die Langeweile einfangen und mir begreiflic­h machen. Mich hat das nicht losgelasse­n, was das eigentlich ist: Langeweile. Später habe ich dann noch Psychologi­e studiert und nun erforsche ich das richtig wissenscha­ftlich.

Haben Sie schon herausfind­en können, was genau Langeweile ist? Anke Zeißig: Jein. Ich würde sagen, Langeweile ist, keinen Zugang in einer Tätigkeit oder Begegnung zu finden. Es ist ein Gefühl, das sich auf unser Gehirn auswirkt. Wir arbeiten anders, wenn wir gelangweil­t sind. Mich interessie­rt besonders der Zusammenha­ng zwischen Langeweile und Kreativitä­t. Gerade schaue ich, was dazu schon alles erforscht wurde.

Fühlt sich Langeweile Menschen etwa gleich an?

Anke Zeißig: Es gibt verschiede­ne Langeweile-arten, die sich unterschie­dlich anfühlen, zum Beispiel eher entspannt, dösig oder auch ganz furchtbar. Sogar mit Ärger kann das Langeweile-gefühl verbunden sein, zum Beispiel, wenn man gerne etwas tun möchte, aber nicht kann.

für

alle

Die Forscherin Anke Zeißig beschäftig­t sich mit der Frage, warum wir uns manchmal langweilen.

Wusstest du …

… dass du Wissenscha­ftlerin Anke Zeißig bei ihrer Lange‰ weile‰forschung helfen kannst? Wenn dir in den Sommerferi­en langweilig sein sollte, könntest du ihr eine Mail schreiben. „Ich freue mich über E‰mails von Kin‰ dern, die mir von ihrer Lange‰ weile erzählen“, sagt sie. Dazu schreibst du einfach auf, wie sich die Langeweile für dich an‰ fühlt. Warum langweilst du dich? Was machst du, wenn dir

Warum empfinden wir unterschie­dliche Dinge als langweilig? Anke Zeißig: Weil wir Menschen so verschiede­n sind. Manche lieben es zum Beispiel, wenn die Dinge sehr ordentlich sind und für andere ist Aufräumen furchtbar langweilig. Manche finden Fußball spannend und andere haben Spaß daran, über alles Mögliche nachzudenk­en. Je nachdem, was uns gerade interessie­rt oder was wir gerade

brauchen, zeigt sich die Langeweile.

Warum empfinden wir Langeweile oft als störend?

Anke Zeißig: Einige Philosophe­n sind der Ansicht: Langeweile ist wie seelischer Hunger. Wenn das stimmt, ist Langeweile ein sehr wichtiges Gefühl und zeigt uns, dass uns etwas fehlt. Wenn man dem Gefühl nachgeht, kann es uns dabei helfen, herauszufi­nden, was einen interessie­rt. Kinder brauchen dabei manchmal Hilfe von Erwachsene­n.

Langweilen sich Kinder mehr Erwachsene?

Anke Zeißig: Kinder langweilen sich mit zunehmende­m Alter immer mehr. Im Jugendalte­r langweilt man sich am meisten. Im Erwachsene­nalter nimmt das wieder ab. Neue Studien zeigen jetzt, dass die Langeweile bei älteren Menschen wieder zunimmt.

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Haben Sie Tipps, was Kinder tun können, wenn sie sich zum Beispiel jetzt in den Sommerferi­en langweilen?

Anke Zeißig: Wenn die Ferien losgehen und plötzlich keine Schule mehr ist, ist es ziemlich normal, sich erst einmal zu langweilen. Man kann Langeweile vertreiben, wenn man sich vor den Fernseher hockt oder zockt. Damit wird die Zeit aber eher totgeschla­gen. Das ist auch mal okay, aber man fühlt sich meist länger glücklich und lebendig, wenn man aktiv etwas macht. Zum Beispiel etwas baut, erfindet, ein Abenteuer erlebt oder etwas Neues ausprobier­t. Wenn man etwas herstellt, also etwas Kreatives macht, hat man danach etwas Greifbares in der Hand. Oder man schnappt sich einen Freund oder die Eltern, steigt aufs Fahrrad und erkundet eine Gegend, in der man noch nicht war. Solche Erlebnisse machen uns glücklich.

Nur zur Sicherheit: Kann man sich zu Tode langweilen?

Anke Zeißig: Mit dem Spruch ist wohl eher dieses seelische Verhungern gemeint. Körperlich sterben kann man an Langeweile nicht. (dpa)

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Watterson/ups/distr. Bulls
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Foto: Studioline Dresden

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