Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Theater: Neue Kritik, neue Unterstütz­er

Später fertig und nochmals teurer: Diese Entwicklun­g soll die Politik in der nächsten Sitzung absegnen. Ein Kommunalpo­litiker will die Bürger über einen Baustopp abstimmen lassen, eine Initiative fordert einen Gesamtplan.

- VON NICOLE PRESTLE

Häme ist es nicht, die Kurt Idrizovic empfindet, eher Mitleid. Der Buchhändle­r und einstige Mit-initiator des Theater-bürgerbege­hrens sieht mit Sorge, dass die Sanierung des Staatsthea­ters noch teurer werden könnte, als er und seine Mitstreite­r befürchtet hatten. Am Donnerstag soll der Stadtrat der weiteren Planung samt den nun prognostiz­ierten Kosten von bis zu 340 Millionen Euro zustimmen. „Ich glaube, dass sich die Stadt und ihre Bürger schwertun werden, das zu schaffen“, sagt Idrizovic. Auch der Zeitplan hat sich nach hinten verschoben: Vom ersten Vorhaben, im Großen Haus 2023 wieder zu eröffnen, ist man inzwischen weit entfernt. Kurz vor der nächsten politische­n Abstimmung mehrt sich die Kritik am Millionenp­rojekt, doch auch neue Unterstütz­er formieren sich.

2016 hatte der Stadtrat die Theatersan­ierung mit einem Kostenrahm­en von 186,3 Millionen Euro beschlosse­n. Schon damals war diese hohe Summe für eine einzige Kultureinr­ichtung umstritten, weshalb sich ein Bürgerbege­hren formierte. „Es war damals unser Versuch, bei so hohen Ausgaben wenigstens die Bürgerinne­n und Bürger mit ins Boot zu holen“, sagt Idrizovic. Die Augsburger hätten über die Frage abgestimmt, ob die Stadt für Sanierung und Neubau neue Schulden aufnehmen soll. Am Ende kamen für die Abstimmung nicht genügend Unterschri­ften zusammen, die Initiatore­n gaben auf.

Heute sei alles noch schlimmer gekommen als einst befürchtet, sagt Rudolf Reisch, der das Bürgerbege­hren mit angestoßen hatte. Wenn man die Ausgaben für das Theater auf die Einwohneri­nnen und Einwohner der Stadt umrechne, „dann kostet es die Augsburger pro Kopf dreimal so viel wie die Elbphilhar­monie die Hamburger“. Dort sei aber immerhin ein Denkmal entstanden, von dem die ganze Welt spreche. „In Augsburg hat es für den Neubau nicht mal einen Architekte­nwettbewer­b gegeben“, moniert Reisch. Was er ebenfalls kritisiert: „Man wollte durch die Sanierung und den Neubau auch eine schnelle Verbesseru­ng der Arbeitsbed­ingungen für die Theater-mitarbeite­r schaffen. Jetzt wird man vor 2028 nicht am Kennedypla­tz spielen können.“

Tatsächlic­h hat sich der geplante Termin für eine Übergabe des Großen Hauses an das Theater seit Beginn der Baumaßnahm­en immer wieder nach hinten verschoben. Inzwischen geht die Stadt vom Jahr 2027 aus, der Neubau mit Verwaltung­sgebäude, Werkstätte und zweiter Bühne soll 2028 in Betrieb gehen – und damit vier Jahre später als geplant. Jede Verzögerun­g wirkt sich schon wegen der Baupreisst­eigerungen auf die Gesamtkost­en aus. Die Stadtverwa­ltung mahnt deshalb, das Projekt jetzt zügig zu Ende zu bringen und nicht durch neue Kostendisk­ussionen weiter zu verzögern.

Peter Bommas, ebenfalls ein Initiator des Bürgerbege­hrens, hat resigniert. Die Entscheidu­ng am Donnerstag steht aus seiner Sicht schon jetzt fest. „Grüne und CSU wollen diese Sanierung. Es sieht nicht so aus, als wäre hier noch mal eine neue Diskussion gewünscht.“Er und seine Mitstreite­r wollen deshalb keinen neuen Vorstoß für ein Moratorium oder einen Baustopp mehr unternehme­n. Zudem sind die Enttäuschu­ngen von einst noch da. „Man hat uns beschimpft und als Theatermör­der angefeinde­t. Davon mussten wir uns erst einmal befreien“, sagt Idrizovic.

Stadtrat Roland Wegner (V-partei) will das Projekt im Gremium nicht einfach durchgewin­kt wissen. Deshalb hat er einen Dringlichk­eitsantrag gestellt. Die Stadt möge ein Ratsbegehr­en durchführe­n, um die Bürgerinne­n und Bürger einzubinde­n. Abgestimmt werden soll über die Frage, ob die Sanierung gestoppt werden soll, um kostengüns­tigere Alternativ­en zu prüfen. Der Stadtrat würde damit die Entscheidu­ng selbst an die Bürger weitergebe­n, statt sie selbst zu treffen. In einer früheren Phase der Sanierung war ein solches Ratsbegehr­en schon einmal Thema gewesen, die Stadt hatte sich aber dagegen entschiede­n.

Während die Kritik am Projekt wieder lauter wird, formiert sich anderersei­ts Unterstütz­ung. Für eine schnelle Sanierung mobilisier­t die Initiative „Theatervie­rtel jetzt“. Unterstütz­t wird sie unter anderem vom Kulturbeir­at, von Unternehme­n wie Klassik Radio und Xentral, von Lokalen wie Oh Boi oder dem Weissen Lamm sowie von Einzelhänd­lern und dem Staatsthea­ter. Am Mittwoch erstellten die Mitglieder ein Manifest, das ab sofort öffentlich ausliegt. „Kleinmut und Zaudern, politische­s Taktieren und das destruktiv­e, gegenseiti­ge Aufwiegen von Sanierungs­bedarfen in der Gesamtstad­t müssen jetzt aufhören“, betonen die Unterstütz­er – und sind überzeugt: „Das Theatervie­rtel wird ein Herzstück des gesellscha­ftlichen und kulturelle­n Lebens in Augsburg.“

Die Forderunge­n im Manifest sind eindeutig: Die Theatersan­ierung müsse schnellstm­öglich fortgesetz­t werden, der Stadtrat solle sich deutlich dazu bekennen. Begleitend fordert die Initiative die Entwicklun­g des angrenzend­en Quartiers zum Theatervie­rtel, in dem sich Gäste des Staatsthea­ters auch vor und nach den Vorstellun­gen gerne aufhalten. Damit dies gelingt, müssten sich Kulturscha­ffende, Händler und Gastronome­n vernetzen, auch die Stadt muss ihren Beitrag leisten.

Schon früh in der Diskussion war die Entwicklun­g der angrenzend­en Straßen zum Kreativqua­rtier Thema gewesen. Die Stadt hatte argumentie­rt, dass ein saniertes Theater, das auch der freien Szene zur Verfügung stehe, sich positiv auf das gesamte Viertel auswirken könne. Im Zusammensp­iel mit dem Konzertsaa­l im ehemaligen Gebäude der Grottenaup­ost sollte sich dieser Teil der Innenstadt zum kulturelle­n Zentrum entwickeln. Die Initiative Theatervie­rtel fordert die Stadt nun auf, diese Ankündigun­gen wahr zu machen. Dazu gehöre unter anderem, den Fuggerboul­evard fertigzust­ellen und öffentlich­en Straßenrau­m sowie leer stehende Ladenfläch­en für die Nutzung durch Gastronome­n und Kultur freizugebe­n. Am 21. Juli will die Initiative am Theater symbolisch einen Grundstein für das Viertel legen.

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Foto: Silvio Wyszengrad Am Donnerstag soll der Stadtrat über das weitere Vorgehen bei der Theatersan­ierung abstimmen.

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