Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Theater: Neue Kritik, neue Unterstützer
Später fertig und nochmals teurer: Diese Entwicklung soll die Politik in der nächsten Sitzung absegnen. Ein Kommunalpolitiker will die Bürger über einen Baustopp abstimmen lassen, eine Initiative fordert einen Gesamtplan.
Häme ist es nicht, die Kurt Idrizovic empfindet, eher Mitleid. Der Buchhändler und einstige Mit-initiator des Theater-bürgerbegehrens sieht mit Sorge, dass die Sanierung des Staatstheaters noch teurer werden könnte, als er und seine Mitstreiter befürchtet hatten. Am Donnerstag soll der Stadtrat der weiteren Planung samt den nun prognostizierten Kosten von bis zu 340 Millionen Euro zustimmen. „Ich glaube, dass sich die Stadt und ihre Bürger schwertun werden, das zu schaffen“, sagt Idrizovic. Auch der Zeitplan hat sich nach hinten verschoben: Vom ersten Vorhaben, im Großen Haus 2023 wieder zu eröffnen, ist man inzwischen weit entfernt. Kurz vor der nächsten politischen Abstimmung mehrt sich die Kritik am Millionenprojekt, doch auch neue Unterstützer formieren sich.
2016 hatte der Stadtrat die Theatersanierung mit einem Kostenrahmen von 186,3 Millionen Euro beschlossen. Schon damals war diese hohe Summe für eine einzige Kultureinrichtung umstritten, weshalb sich ein Bürgerbegehren formierte. „Es war damals unser Versuch, bei so hohen Ausgaben wenigstens die Bürgerinnen und Bürger mit ins Boot zu holen“, sagt Idrizovic. Die Augsburger hätten über die Frage abgestimmt, ob die Stadt für Sanierung und Neubau neue Schulden aufnehmen soll. Am Ende kamen für die Abstimmung nicht genügend Unterschriften zusammen, die Initiatoren gaben auf.
Heute sei alles noch schlimmer gekommen als einst befürchtet, sagt Rudolf Reisch, der das Bürgerbegehren mit angestoßen hatte. Wenn man die Ausgaben für das Theater auf die Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt umrechne, „dann kostet es die Augsburger pro Kopf dreimal so viel wie die Elbphilharmonie die Hamburger“. Dort sei aber immerhin ein Denkmal entstanden, von dem die ganze Welt spreche. „In Augsburg hat es für den Neubau nicht mal einen Architektenwettbewerb gegeben“, moniert Reisch. Was er ebenfalls kritisiert: „Man wollte durch die Sanierung und den Neubau auch eine schnelle Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Theater-mitarbeiter schaffen. Jetzt wird man vor 2028 nicht am Kennedyplatz spielen können.“
Tatsächlich hat sich der geplante Termin für eine Übergabe des Großen Hauses an das Theater seit Beginn der Baumaßnahmen immer wieder nach hinten verschoben. Inzwischen geht die Stadt vom Jahr 2027 aus, der Neubau mit Verwaltungsgebäude, Werkstätte und zweiter Bühne soll 2028 in Betrieb gehen – und damit vier Jahre später als geplant. Jede Verzögerung wirkt sich schon wegen der Baupreissteigerungen auf die Gesamtkosten aus. Die Stadtverwaltung mahnt deshalb, das Projekt jetzt zügig zu Ende zu bringen und nicht durch neue Kostendiskussionen weiter zu verzögern.
Peter Bommas, ebenfalls ein Initiator des Bürgerbegehrens, hat resigniert. Die Entscheidung am Donnerstag steht aus seiner Sicht schon jetzt fest. „Grüne und CSU wollen diese Sanierung. Es sieht nicht so aus, als wäre hier noch mal eine neue Diskussion gewünscht.“Er und seine Mitstreiter wollen deshalb keinen neuen Vorstoß für ein Moratorium oder einen Baustopp mehr unternehmen. Zudem sind die Enttäuschungen von einst noch da. „Man hat uns beschimpft und als Theatermörder angefeindet. Davon mussten wir uns erst einmal befreien“, sagt Idrizovic.
Stadtrat Roland Wegner (V-partei) will das Projekt im Gremium nicht einfach durchgewinkt wissen. Deshalb hat er einen Dringlichkeitsantrag gestellt. Die Stadt möge ein Ratsbegehren durchführen, um die Bürgerinnen und Bürger einzubinden. Abgestimmt werden soll über die Frage, ob die Sanierung gestoppt werden soll, um kostengünstigere Alternativen zu prüfen. Der Stadtrat würde damit die Entscheidung selbst an die Bürger weitergeben, statt sie selbst zu treffen. In einer früheren Phase der Sanierung war ein solches Ratsbegehren schon einmal Thema gewesen, die Stadt hatte sich aber dagegen entschieden.
Während die Kritik am Projekt wieder lauter wird, formiert sich andererseits Unterstützung. Für eine schnelle Sanierung mobilisiert die Initiative „Theaterviertel jetzt“. Unterstützt wird sie unter anderem vom Kulturbeirat, von Unternehmen wie Klassik Radio und Xentral, von Lokalen wie Oh Boi oder dem Weissen Lamm sowie von Einzelhändlern und dem Staatstheater. Am Mittwoch erstellten die Mitglieder ein Manifest, das ab sofort öffentlich ausliegt. „Kleinmut und Zaudern, politisches Taktieren und das destruktive, gegenseitige Aufwiegen von Sanierungsbedarfen in der Gesamtstadt müssen jetzt aufhören“, betonen die Unterstützer – und sind überzeugt: „Das Theaterviertel wird ein Herzstück des gesellschaftlichen und kulturellen Lebens in Augsburg.“
Die Forderungen im Manifest sind eindeutig: Die Theatersanierung müsse schnellstmöglich fortgesetzt werden, der Stadtrat solle sich deutlich dazu bekennen. Begleitend fordert die Initiative die Entwicklung des angrenzenden Quartiers zum Theaterviertel, in dem sich Gäste des Staatstheaters auch vor und nach den Vorstellungen gerne aufhalten. Damit dies gelingt, müssten sich Kulturschaffende, Händler und Gastronomen vernetzen, auch die Stadt muss ihren Beitrag leisten.
Schon früh in der Diskussion war die Entwicklung der angrenzenden Straßen zum Kreativquartier Thema gewesen. Die Stadt hatte argumentiert, dass ein saniertes Theater, das auch der freien Szene zur Verfügung stehe, sich positiv auf das gesamte Viertel auswirken könne. Im Zusammenspiel mit dem Konzertsaal im ehemaligen Gebäude der Grottenaupost sollte sich dieser Teil der Innenstadt zum kulturellen Zentrum entwickeln. Die Initiative Theaterviertel fordert die Stadt nun auf, diese Ankündigungen wahr zu machen. Dazu gehöre unter anderem, den Fuggerboulevard fertigzustellen und öffentlichen Straßenraum sowie leer stehende Ladenflächen für die Nutzung durch Gastronomen und Kultur freizugeben. Am 21. Juli will die Initiative am Theater symbolisch einen Grundstein für das Viertel legen.