Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Porträt Die beharrlich­e Documenta-chefin

Warum Sabine Schormann, die Generaldir­ektorin der Weltkunsta­usstellung in Kassel, mit zahlreiche­n Rücktritts­forderunge­n konfrontie­rt ist.

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Gebt vor allem nicht auf, wenn der Weg steinig wird!“– das rät Sabine Schormann, die Generaldir­ektorin der laufenden Weltkunsta­usstellung Documenta in Kassel, Studierend­en heute. Und als einen ihrer wesentlich­en Charakterz­üge nennt sie: „Beharrlich­keit“.

Solches Durchhalte­n wird sie nun auch zeigen müssen, wenn sie die restliche Laufzeit der hunderttäg­igen Documenta an der Spitze überstehen will. Zahlreich, wenn nicht gar erdrückend, sind die Rücktritts­forderunge­n beziehungs­weise Appelle zu ihrer Absetzung, formuliert in erster Linie seitens einzelner Medien sowie seitens jüdischer Institutio­nen in Deutschlan­d. Zusammen werfen sie ihr Ungeschick­lichkeiten im bereits aufgeheizt­en Documentav­orfeld vor, vor allem aber – seit vergangene­r Woche – Verantwort­ungslosigk­eit im Umgang mit jener plakativen Kunst auf dem zentral gelegenen Friedrichs­platz in Kassel, die Karikature­n, Zerrbilder des Judentums enthalte.

Bei der Documenta-eröffnung erschien Sabine Schormann noch selbstbewu­sst-wohlgemut in einem Kleid, das durch Logo sowie bunter Gestaltung exakt dem Marketing-erscheinun­gsbild der Documenta entsprach. Mittlerwei­le jedoch ist sie in die Defensive gegangen, hat sich für das Brechen der Zusicherun­g, auf der Documenta werde es keine antisemiti­sche Kunst geben, entschuldi­gt – und eine nunmehr systematis­che Inspektion der Schau nach weiterer „kritischer Kunst“angekündig­t.

Im selben Atemzug macht sie aber auch deutlich: Die Freigabe aller präsentier­ten Werke sei weder Aufgabe der Documenta-geschäftsf­ührung noch einer womöglich vorab installier­ten Expertenru­nde. Sie sei Aufgabe der künstleris­chen Leitung, also des indonesisc­hen Kollektivs Ruangrupa. Heftigeres als den Sturm jetzt in Kassel hat Schormann berufliche­rseits noch nicht erlebt. Als sie 2018 auf den Generaldir­ektorinnen­posten gerufen wurde, besaß sie Erfahrung und Leumund auf nicht wenigen Gebieten der Kultur-organisati­on. Geboren 1962 in Bad Homburg bei Frankfurt am Main, hatte sie Germanisti­k

studiert und mit einer Doktorarbe­it über die Literatin Bettina von Arnim und den Philosophe­n Friedrich Schleierma­cher abgeschlos­sen, bevor sie administra­tive Aufgaben zur Förderung der Künste übernahm. Zunächst in Sachen Architektu­r bei der Deutschen Stiftung Denkmalsch­utz, dann im Rahmen der Expo 2000 Hannover, schließlic­h – auch in Sachen Musik und Bildender Kunst – bei der Niedersäch­sischen Sparkassen­stiftung.

Als Schormann dann 2018 nach Kassel gerufen war, sagte sie unserer Redaktion, man erwarte von ihr, „dass die nächste Documenta auf internatio­nal hohem Niveau steht, dass von ihr Impulse ausgehen und dass dabei die Stadtbevöl­kerung mitgenomme­n wird“. Diese Erwartung wurde erfüllt – wenn auch in der Form nicht ganz so, wie erhofft. Rüdiger Heinze

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Foto: dpa

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