Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die EU sucht nach neuen Modellen

Macron zeichnet einen Weg jenseits der Vollmitgli­edschaft.

- VON KATRIN PRIBYL

Brüssel Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. In diesem Sinne ging das „historisch­e“Treffen der 27 Staatsund Regierungs­chefs in Brüssel am Freitag zu Ende. Es handelte sich lediglich um die erste Etappe des achttägige­n Gipfelmara­thons. Nun steht der G7-gipfel an, dann treffen sich die 30 Nato-partner ab Dienstag in Madrid zum großen Gipfel des Verteidigu­ngsbündnis­ses. Ginge es nach Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron, könnte es bald sogar noch mehr solcher internatio­naler Zusammenkü­nfte geben.

Er nutzte in den vergangene­n zwei Tagen die Gelegenhei­t und warb im Kreise seiner europäisch­en Kollegen für seinen Vorschlag, eine „europäisch­e politische Gemeinscha­ft“für beitrittsw­illige Länder wie die Ukraine oder jene des Westbalkan­s zu schaffen, also die Staaten in einen breiteren und lockeren Nachbarsch­aftsrahmen aufzunehme­n, ohne ihnen eine Vollmitgli­edschaft zu gewähren.

Dahinter steckt die Absicht, die Beziehunge­n der Gemeinscha­ft zu Nicht-eu-ländern zu stärken, während diese sich beispielsw­eise im langwierig­en, komplexen Beitrittsp­rozess befinden, der Jahre, manchmal Jahrzehnte dauern kann. Aber Macron hat für sein Projekt auch Staaten im Sinn wie die Schweiz, Island oder Norwegen, die in solch einem erweiterte­n europäisch­en Kreis enger an die Union gebunden werden könnten. Als konkrete Themenbere­iche für die Zusammenar­beit nannte Macron Sicherheit und Verteidigu­ng, Wirtschaft und Energie. Konkrete Details lieferte er zwar nicht, dafür malte er ein schönes Bild, das sein Projekt veranschau­lichen sollte: „Wir müssen nicht alle im selben Haus wohnen, aber wir teilen uns dieselbe Straße.“

Und seine Idee kommt offenbar an. Die dänische Ministerpr­äsidentin Mette Frederikse­n bewertete sie als „sehr gut“. Der Vorstoß zu solch einem Format erhalte „wachsenden Zuspruch“, hieß es von einem Eudiplomat­en. Angeblich hätten sich auch die sechs Westbalkan-staaten offen für den Vorstoß gezeigt, berichtete der Beamte. Obwohl der nordmazedo­nische Premiermin­ister Dimitar Kovacevski die Initiative begrüßte, schränkte er ein, dass sie „kein Ersatz für eine Vollmitgli­edschaft in der EU sein soll und darf“. Ähnlich sieht man es in der Ukraine. Ein solcher Rahmen dürfe weder eine Alternativ­e zur Erweiterun­g sein noch ein Weg, das Land auf unbestimmt­e Zeit in der Schwebe zu halten.

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