Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fünf Probleme, die den Gipfel dominieren

Der Krieg in der Ukraine bestimmt auch die Tagesordnu­ng des G7-treffens. Von der Hungerkris­e bis zur Verteidigu­ng der Demokratie gegen die Angriffe aus Moskau und Peking: Alles hängt mit allem zusammen.

- VON MARGIT HUFNAGEL

Sollte man für den Gipfel in Elmau einen roten Faden suchen, er wäre leicht zu finden: „Krise überall“. Wenn die Mächtigen der Welt zusammenko­mmen, werden sie über eine Welt diskutiere­n, deren Probleme so gewaltig sind, wie seit Jahren nicht mehr. Ein Überblick:

1. Krieg: Der Angriffskr­ieg der Russen gegen die Ukraine wird auch in Elmau das bestimmend­e Thema sein. Vier Monate werden die Kämpfe bereits andauern, wenn der G7-gipfel eröffnet wird – von einer Lösung ist die Welt allerdings so weit weg wie am ersten Tag. Der Kreml verschließ­t sich ernst zu nehmenden Verhandlun­gen, die Ukraine muss täglich mit mehr Toten und größeren Gebietsver­lusten zurechtkom­men. Die Zahl der Flüchtling­e, die in anderen Ländern Unterschlu­pf suchen, ist auf ein Rekordhoch geklettert. „Klar ist, und das werden wir dort noch mal als G7 zusichern, dass wir die Ukraine so lange unterstütz­en, wie das nötig ist“, sagt G7-gastgeber und Bundeskanz­ler Olaf Scholz. Und das könnte sehr lange sein. Doch selbst wenn eine Friedenslö­sung gefunden werden sollte, wird die Ukraine Milliarden­summen benötigen, um die zerstörte Infrastruk­tur wieder aufzuund das Land so zu reformiere­n, dass es bereit ist für einen (möglichen) Beitritt zur EU. In Elmau dürfte es aber auch darum gehen, ob kurzfristi­g weitere Sanktionen gegen Russland verhängt werden können – Kiew drängt längst in diese Richtung. Zugleich muss der Westen verhindern, dass er von Russland über Jahre hinaus gelähmt wird, weil Putin ihm mit dem Krieg eine Dauerbaust­elle aufzwingt.

2. Hunger: Es ist ein Problem, das eng mit dem Krieg in der Ukraine zusammenhä­ngt, sich aber auch während der Corona-pandemie schon abgezeichn­et hat. Während die Welt im Kampf gegen den Hunger in den vergangene­n Jahren zumindest kleine Fortschrit­te erzielen konnte, sind die Erfolge nun innerhalb kürzester Zeit geradezu pulverisie­rt worden. 50 Millionen Menschen stehen laut Welternähr­ungsprogra­mm kurz vor einer Hungersnot. Als katastroph­al schätzt die Un-organisati­on die Lage in Äthiopien, Nigeria, dem Südsudan, dem Jemen, Afghanista­n und Somalia ein. 750.000 Menschen in besonders betroffene­n Ländern droht demnach der Hungertod. Da Russland die ukrainisch­en Häfen und damit die Ausfuhr von landwirtsc­haftlichen Produkten über das Schwarze Meer blockiert, könnten laut UN weltweit 1,4 Milliarden Menschen von Nahrungsmi­ttelknapph­eit betroffen sein. „Auch in Elmau gab es 2015 schon mal das Verspreche­n, 500 Millionen Menschen bis 2030 aus dem Hunger zu holen“, erinnert sich die Welthunger­hilfe. Mathias Mogge, Generalsek­retär der Welthunger­hilfe, sagt: „Symbolpoli­tik reicht nicht. Es braucht effektive Soforthilf­e für Hungernde und ein veränderte­s Ernährungs­system: Nur wenn Lebensmitt­el ökologisch nachhaltig und unter sozial tragfähige­n Bedingunge­n produziert werden, kann Hungerbekä­mpfung gelingen.“

3. Klimawande­l: Fast schien es, als wäre die Klimakrise von der Corona-krise verdrängt worden. Doch das Thema ist drängender denn je. Der weltweite Ausstoß an Treibhausg­asen erreicht ständig neue Rekordhöhe­n. Die Zahl und Dauer von Dürreperio­den ist laut Un-dürreberic­ht global gesehen seit dem Jahr 2000 um 29 Prozent gestiegen. Schon jetzt ist klar, dass das Ziel, die Erderwärmu­ng auf 1,5 Grad zu begrenzen, immer schwierige­r zu erreichen sein wird. Zur Reduzierun­g der Erderwärmu­ng will Scholz seine Idee des Klima-klubs vorantreib­en, die noch aus seiner Zeit als Finanzmini­ster stammt. „Die Staaten, die sich gemeinsam auf den Weg mabauen chen für mehr Klimaschut­z, sollten untereinan­der so zusammenar­beiten können, wie wir es uns für die ganze Welt vorstellen“, beschreibt er das Projekt selbst. Unabhängig vom Klimawande­l wird der Ausbau der erneuerbar­en Energien auch mit Blick auf die gedrosselt­en russischen Gaslieferu­ngen wichtig.

4. Demokratie: Der russische Präsident Wladimir Putin macht kaum einen Hehl daraus, dass es ihm mit seinem Krieg nicht nur um die Ukraine geht, sondern um eine Neuordnung der Machtverhä­ltnisse in der Welt. Offen verbündet er sich mit dem autokratis­chen China, versucht seinen Einflussbe­reich in Afrika zu vergrößern und Indien auf seine Seite zu ziehen. Die Demokratie­n müssen also einen eigenen Machtblock bilden, der sich diesen Regimen in den Weg stellt. Ein besonderes Anliegen ist es Kanzler Scholz deshalb, den Zusammenha­lt der Demokratie­n weltweit zu stärken. Er hat Indien, Indonesien, Südafrika, den Senegal und Argentinie­n als Gastländer nach Elmau eingeladen. „Unser Verständni­s von Demokratie greift zu kurz, wenn wir uns nur auf den klassische­n Westen konzentrie­ren“, sagt er. Die mächtigen Demokratie­n der Zukunft seien in Asien, Afrika und im Süden Amerikas zu finden, und mit denen müsse man sich vernetzen. „Ein besonderer Erfolg wäre es, wenn der Gipfel der Ausgangspu­nkt für einen neuen Blick auf die Welt der Demokratie sein könnte“, sagt der Kanzler.

5. Wirtschaft: Die Hoffnung auf goldene 20er Jahre nach der Coronapand­emie war groß. Nun legt die Wirtschaft eine schmerzhaf­te Vollbremsu­ng ein – und das nicht nur in Deutschlan­d. Steigende Preise machen den Menschen aktuell weltweit das Leben schwer. Unter anderem in den USA herrscht Angst vor steigender Arbeitslos­igkeit. Die Lockdowns belasten den chinesisch­en Markt weiterhin massiv, die Folgen sind bis nach Europa spürbar. Durch die Zinssteige­rungen könnten die eher schwachen Euro-länder wieder in Schwierigk­eiten kommen, ihre Kredite zu bedienen. „Meine Sorge ist, dass wir in einigen Wochen und Monaten eine sehr besorgnise­rregende Situation haben könnten“, sagte in dieser Woche Bundesfina­nzminister Christian Lindner mit Blick auf den Energiemar­kt. Es gehe um drei bis vier, vielleicht fünf Jahre der Knappheit. „Es besteht die Gefahr einer sehr ernst zu nehmenden Wirtschaft­skrise aufgrund der stark gestiegene­n Energiepre­ise, aufgrund der Lieferkett­en-probleme, aufgrund auch der Inflation.“

 ?? Foto: Kai Nietfeld, dpa ?? Panzersper­ren in einem ukrainisch­en Getreidefe­ld. Der russische Überfall und die drohende Hungerkris­e werden eines der zentralen Themen des Gipfels sein.
Foto: Kai Nietfeld, dpa Panzersper­ren in einem ukrainisch­en Getreidefe­ld. Der russische Überfall und die drohende Hungerkris­e werden eines der zentralen Themen des Gipfels sein.

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