Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ehepaar verschenkt Haus auf La Palma

Der Vulkanausb­ruch auf der Kanarenins­el machte eine Familie obdachlos. Nun zeigen zwei Auswandere­r ein großes Herz.

- VON RALPH SCHULZE

La Palma Ein halbes Jahr nach Ende des Vulkanausb­ruchs auf der Kanarenins­el La Palma gleicht die Katastroph­enzone immer noch einer Mondlandsc­haft. Der Wiederaufb­au des Gebiets im Südwesten, das von der Lava verwüstet wurde, geht nur schleppend voran. Bewohnerin­nen und Bewohner klagen, dass staatliche Hilfen nicht ankommen. Und dass sie immer noch in provisoris­chen Unterkünft­en ausharren müssen. Rund 3000 Gebäude, davon die Hälfte Wohnhäuser, waren zerstört worden.

Doch in der Not hat sich auch eine große Solidaritä­t auf der spanischen Insel entwickelt, wo sich wegen des ganzjährig milden Klimas viele Europäerin­nen und Europäer angesiedel­t haben. Eines dieser Beispiele von Mitmenschl­ichkeit bewegte in diesen Tagen die ganze Atlantikin­sel, die vor der Küste Westafrika­s liegt und auf der 85.000 Menschen leben.

Im Mittelpunk­t der bewegenden Geschichte steht ein deutsches Rentnerpaa­r, das schon seit 32 Jahren auf La Palma seine Heimat hat und mit einer Geste der Großzügigk­eit die Herzen der Inselbewoh­ner erobert: Die Ruheständl­er schenkten eines ihrer beiden Häuser einer spanischen Familie, die durch den Vulkanausb­ruch obdachlos geworden war.

Der Schenkungs­vertrag wurde vor kurzem beim Notar unterschri­eben, und zwar am Geburtstag des spanischen Familienva­ters, der mit Vornamen Alonso heißt. Alonso, der auf den Bananenpla­ntagen der Insel sein Geld verdient, zeigte sich überwältig­t von seinem Glück und war den Tränen nah: „Das ist ein ganz besonderer Geburtstag“, sagte er sichtlich bewegt nach der Vertragsun­terzeichnu­ng, bei der ein Team des Inselferns­ehens dabei war.

Alonso und Ehefrau Viviane hatten unmittelba­r nach Beginn der

Versunken: Rund 3000 Gebäude auf La Palma hat der Vulkanausb­ruch unbewohnba­r gemacht.

Naturkatas­trophe am 19. September vergangene­n Jahres ihr Haus im Ort El Paraíso verloren, in dem sie mit ihrem minderjähr­igen Sohn wohnten. „Wir waren gerade beim Essen, als wir eine gewaltige Explosion hörten“, berichtete Alonso damals Reporterin­nen und Reportern. „Unser Sohn rief: Schnell weg, sonst sterben wir.“Die drei sprangen ins Auto und flüchteten im letzten Moment vor der heranrolle­nden Lava. „Alles, was wir hatten und aufgebaut haben, wurde von der Lava verschluck­t“, sagte Viviane.

Sie kamen zunächst notdürftig bei Alonsos Mutter unter, die in sicherer Entfernung zum Vulkan lebt, aber wenig Platz hatte. Deswegen

begann Alonso, eine neue Unterkunft zu suchen. „Wir haben in Facebook, in einem Inselforum, geschriebe­n, dass wir ein Haus mieten wollen. Zwei Minuten später hat uns schon jemand geantworte­t“, berichtete er.

Absenderin der Antwort war die deutsche Rentnerin Siglinde, die ihren Nachnamen lieber für sich behält. Sie schrieb: „Ihr könnt in mein Haus kommen und so lange bleiben, wie ihr wollt.“Die ersten Monate durften die Vulkanopfe­r kostenlos in dem Haus wohnen, das eine Terrasse und einen großen Garten hat. Später wurde vereinbart, dass die spanische Familie nur Strom und Wasser bezahlen muss. Auch als die

Familie an Covid-19 erkrankte, war Siglinde als rettender Engel zur Stelle: Jeden Tag schaute sie nach den Erkrankten und stellte ihnen Essen vor die Tür.

Dann, im Juni, offenbarte Siglinde ihren Gästen, dass sie ihnen das Haus schenken werde. Warum? „Ich brauche keine zwei Häuser“, sagte sie nach dem Notartermi­n. „Ich brauche zum Leben nur eines.“

Zur Unterschri­ft der Schenkung kamen Siglinde und ihr ebenfalls deutscher Ehemann übrigens in der traditione­llen schwarz-roten Inseltrach­t. Damit wollten sie zeigen, sagten die beiden, dass sie sich auf La Palma nicht als Fremde, sondern als Bewohner fühlen.

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Foto: Morenatti, dpa (Symbolbild)

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