Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Jeden Morgen denkt er an den Säureanschlag
Der Prozess um das Attentat auf einen Manager beginnt. So geht es dem Opfer heute.
Wuppertal Es war ein Vorgang, wie er sich so in der deutschen Wirtschaft noch nicht abgespielt hat: Jetzt hat der Prozess um ein Säureattentat auf einen Manager in Wuppertal begonnen. Ein 42-Jähriger aus Belgien steht vor Gericht.
Der Prozess um das Attentat auf den Energiemanager Bernhard Günther startete mit Appellen für ein Geständnis des Angeklagten. Der Vorsitzende Richter Holger Jung sagte am Freitag am Landgericht, die Aktenlage spreche „mit hoher Wahrscheinlichkeit für einen Schuldspruch“. Es gebe fünf tatrelevante Dna-treffer in einem am
Tatort sichergestellten Handschuh. Zudem habe der Angeklagte eine Verletzung, die von der Tat stammen könnte. Ein Geständnis könne ihm „einige Jahre“Haft ersparen.
Günther, damals Finanzvorstand der Rwe-tochter Innogy, wurde am Sonntagmorgen des 4. März 2018 von zwei maskierten Gestalten ungefähr 200 Meter vor seiner Haustür in einer Grünanlage abgepasst und von hinten angegriffen. Sie schütteten ihm hoch konzentrierte Schwefelsäure über den Kopf. Günther wurde mit schweren Verätzungen in eine Spezialklinik gebracht, er schwebte zeitweise in
Lebensgefahr. Bislang hat der 42-Jährige die Vorwürfe bei seiner Festnahme in Belgien bestritten und danach beharrlich geschwiegen. Dem Angeklagten drohen im Fall einer Verurteilung zwischen drei und 15 Jahre Haft wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung.
„Das ist ein wichtiger Tag für meine Familie und für mich, allerdings auch kein einfacher Tag“, sagte Günther vor Prozessbeginn. Er hoffe auf Gerechtigkeit, auf die Aufklärung des Falles. Das Attentat habe äußerlich und innerlich viele Spuren hinterlassen. „Der Körper fühlt sich fremd an“, sagte der 55-Jährige. Seine Augenlider seien vernarbt. „Das spüre ich jeden Morgen beim Aufwachen, dass die Welt nicht mehr so ist, wie sie vor dem Anschlag war.“
Schon zwei Jahre vorher war Günther von Unbekannten überfallen und zusammengeschlagen worden. Er vermutet den Auftraggeber für beide Überfälle in seinem beruflichen Umfeld. Die Ermittlungen waren schon eingestellt worden, als der Manager Privatermittler beauftragte. Günthers Unternehmen Innogy hatte zudem 100.000 Euro Belohnung für Hinweise zur Aufklärung des Falls ausgesetzt.