Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schimpftir­aden gegen das Publikum

Comedian Kurt Krömer lässt die Stadthalle Gersthofen toben. Fans lieben den Berliner für seine derbe Schlagfert­igkeit.

- VON DIANA ZAPF‰DENIZ

„Woooaaah, seid ihr hässlich!“, grölt Kurt Krömer von der Bühne, „Optisch jesehn Pech jehabt heute“. Da zuckt der Kabarettis­t mit Berliner Schnauze par excellence mit den Schultern. Aber hey, wer Krömer liebt, hält solche Beleidigun­gen nicht nur aus, sondern steht drauf.

„Die hässlichst­en Kackbratze­n aller Zeiten in der ersten Reihe. Das Hässlichst­e, was Gersthofen zu bieten hat.“Kunstfigur Krömer alias Alexander Bojcan darf sich offensicht­lich alles erlauben in der bis auf die hinterste Ecke ausverkauf­ten Stadthalle Gersthofen, vor knapp 1000 Fans. Sein Comedy-auftritt „Stresssitu­ationen“in der Ballonstad­t war seit 2020 mehrfach wegen der Pandemie verschoben worden. Zwei Jahre zu warten hat sich gelohnt und die Stadthalle war lange, lange nicht mehr so proppenvol­l.

Der 47-jährige Comedian ist bekannt und beliebt für seine cholerisch­en Hässlichke­itsattacke­n. Zimperlich darf nur einer an diesem

Abend sein: Krömer selbst. Denn wenn „Diggi“, wie er seinen fülligen Security-mann nennt, nicht richtig steht, dann schickt er ihn kreuz und quer durch den Saal. Der nimmt´s gelassen und spurt.

Krömi, wie ihn seine Anhänger liebevoll nennen, sieht ja im Grunde niedlich aus. Ein Teddybärty­p mit Knopfaugen, Silberblic­k, lausbübisc­hem Lächeln, Grübchen und ein paar Pfunden mehr. Er spricht aber selbstiron­isch eher davon, dass er fett geworden ist. Doch der Wolf im Schafspelz, der Punk im Sparkassen­anzug, der seinen Vorbildern Louis de Funés und Klaus Kinski in Sachen Ausflippen und Hitzigkeit immer näher kommt, zeigt von der ersten Sekunde, dass mit ihm nicht zu spaßen ist. Er poltert auf der Bühne als gäbe es kein Morgen. Er stöhnt, schwitzt, wirft sich auf den Boden. „Ist er heute besonders schlecht drauf oder in Höchstform?“, fragt sich eine Zuschaueri­n. Denn seit der Veröffentl­ichung seines Buches über sein Leben mit Depression­en, das nun seit 15 Wochen auf Platz 1 der Spiegel-bestseller­liste steht, kennt man Bojcan eben auch von einer anderen Seite.

Grenzwerti­g und sexistisch wird es, wenn er „Roswitha“unter dem Tisch befiehlt, dass er keinen Bock mehr habe und sie sich „mal den Mund abwischen“soll. Die Lewinsky-affäre lässt grüßen. Wobei eine Dame im Publikum wiederum es auch gerne gesehen hätte, wenn

Krömer in Action.

Krömer sich nackt macht. Gut, er hat ja schon mit Sakko ausziehen und Hemd aufknöpfen vorgelegt, so dass seine Brustbehaa­rung schön zur Geltung kam. Und spätestens nach seinem kessen Instagram-nacktposin­g wollen weibliche Fans mehr.

Als alleinerzi­ehender Vater nimmt er Neuköllner Elternaben­de natürlich voll aufs Korn. Aber auch seine eigene Kindheit und Jugendzeit lässt er Revue passieren. Schnell nimmt er die Illusion der Ewiggestri­gen, wenn er die Frage, ob früher wirklich alles besser war, spitzfindi­g beantworte­t: „Oh ja, früher war alles besser. Asbest in der Wand, Amalgam im Zahn, Contergan im Apothekers­chrank ...“

In der Haut des Zuschauers Robert hätte niemand stecken wollen. Der Leipziger meldete sich, als Krömer fragte, woher die Leute im Saal denn überall herkommen. 500 Kilometer ist Robert gefahren. Da durfte er sich auf der Bühne eine fast nötigende Umarmung des Schweißgeb­adeten abholen. Krömer ließ ihn kaum los und küsste ihn obendrein.

Urinbeutel, Katheder und das Altwerden beschäftig­en Krömer ebenso wie verweichli­chte Haustiere und Veganismus. Die zweite Halbzeit war nicht ganz so stark, sein Humor dafür durchweg derb. Politisch wird er nur bei der AFD, denn die „rechten Pocken“kann er nicht ab. „Meine Shows sind zu 100 Prozent Arschlochf­rei!“, betont er.

Unterste Schublade und Gossenspra­che gepaart mit scharfsinn­iger Beobachtun­gsgabe der Zeit und einer grandiosen Portion Schauspiel­kunst machen Krömers Show zu einem Spektakel der Sonderklas­se. Die Halle tobt und amüsiert sich von der ersten bis zur vorletzten Sekunde. Denn zu einer Zugabe lässt sich der scharfzüng­ige Neoclown Kurt Krömer hinreißen, doch für die Zweite lässt er das Publikum im Dunkeln sitzen und schmeißt sie mit „Alexa“und dem Lambada-song raus. Das waren noch Zeiten, als der Komiker 2010 in Gersthofen gleich mehrere Zugaben zum Besten gab und danach obendrein noch Autogramme.

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Foto: Diana Zapf‰deniz

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