Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Stadt hat bei Wahlplakaten zu hart durchgegriffen
Die MLPD sollte nach der Bundestagswahl 500 Euro Bußgeld bezahlen – zu viel, wie ein Gericht nun entschied. Auch andere Parteien bekamen Post von der Stadt.
Teilerfolg der MLPD gegen die Stadt: Vor dem Amtsgericht erreichte ein für die Plakatierung der Ortsgruppe der „Marxistisch-leninistischen Partei Deutschlands“(MLPD) verantwortlicher 69-Jähriger, dass ein Bußgeldbescheid von 500 auf 200 Euro reduziert wurde. Der war ergangen, weil acht Mlpd-plakate nach der Bundestagswahl 2021 zu lange an den Straßen hingen.
„Unerlaubte Sondernutzung von Straßen durch Wahlplakate“lautete das Thema der Verhandlung vor Amtsrichter Dominik Semsch. Wegen dieses Delikts hatte der Verantwortliche für den Bundestagswahlkampf der MLPD – und gleichzeitig Bundestags-direktkandidat -, ein 69-jähriger Rentner, einen Bußgeldbescheid über 500 Euro erhalten. Er legte Einspruch ein. Die acht Plakate, unter anderem in der Baumgartnerstraße oder in der Meraner Straße, seien nicht vorsätzlich hängen gelassen worden. Vielmehr seien sie bei rund 2000 Plakaten, die Unterstützer der Partei aufgehängt hätten, übersehen worden.
Zehn Wochen vor einer Wahl und bis zu einer Woche danach gibt es für Parteien eine Sonderregelung für die Nutzung von Straßen. Dann dürfen sie kostenlos Plakate anbringen. Das hatte auch die MLPD im September 2021 getan. Als aber auch noch Mitte Oktober, drei Wochen nach der Wahl, alte Plakate gefunden worden waren, erging ein Bußgeldbescheid an den Verantwortlichen der Partei.
Beginnend mit einer 46-jährigen Sachbearbeiterin erklärten drei Zu
Straßenwahlkampf der MLPD im Jahr 2021.
ständige der Stadt aus dem Zeugenstand die Umstände. Ja, sie selbst habe Bußgeldbescheide an die Parteien erlassen, nicht nur an die MLPD. Insgesamt hätten elf Parteien Post bekommen. Neun hätten bereits ihre Buße ganz oder teilweise gezahlt, nur die MLPD habe sich gewehrt.
Bezüglich der Höhe des Bußgeldes habe sie selbst entschieden, 150 Euro pro Verstoß anzusetzen. Ihr stehe laut städtischer Satzung ein Rahmen von bis zu 1000 Euro pro
Verstoß zur Verfügung. Es habe zahlreiche Bürgerbeschwerden über die nicht weggeräumten Plakate gegeben, betonten alle drei Zeugen, ohne eine konkrete Zahl zu nennen.
Weil ziemlich viele Plakate nicht rechtzeitig abgehängt worden waren, habe man im Team beschlossen, lediglich den Erst-verstoß mit 150 Euro zu ahnden, alle folgenden mit 50 Euro. So setze sich der Betrag von 500 Euro zusammen, der gegen den Rentner erlassen worden sei. Die Höhe des Bußgeldes erklärte die
Frau mit „vorsätzlichem Handeln“. Immerhin hätten alle Verantwortlichen der Parteien bezüglich des Plakatierens im Vorfeld ein mehrseitiges Infoblatt zugestellt bekommen und zehn Tage nach der Wahl noch einmal eine Erinnerung. Zudem habe die Stadt eine Karenzzeit von zusätzlichen zwei Wochen zum Einsammeln der Plakate eingeräumt.
Der Rentner und sein Anwalt Manfred Hörner führten ins Feld, dass nach anderen Wahlen in Augsburg weniger streng und teuer zu
Werke gegangen worden sei. Die Erklärung der Stadt: Die Abteilung im Ordnungsamt sei nur mit einer oder zwei Stellen besetzt. In Sachen alter Wahlplakate habe man früher praktisch nur bei Bürgerbeschwerden aktiv werden können. Erstmals bei der Bundestagswahl 2021 habe man den Ordnungsdienst auch für die Kontrolle der Plakate einsetzen können. Zudem habe der Dienst bei der Bearbeitung der Bußgeldbescheide geholfen.
Nicht damit einverstanden war Rechtsanwalt Hörner. Er forderte eine Aufhebung des Bescheids für seinen Mandanten, hilfsweise eine erhebliche Reduzierung des Betrags. Nicht nur den Bescheid zweifelte er an, er zog die gesamte Satzung in Zweifel. So müsse klar erkennbar sein, was für welchen Verstoß an Buße zu erwarten sei. Außerdem müsse ein Verstoß von nur einem Tag anders sanktioniert werden als der von einem Monat. Dass über solche Dinge nicht demokratisch entschieden worden sei, sondern eine einzelne Mitarbeiterin der Stadt befinden könne, gehe nicht.
Richter Semsch verhängte in seinem Urteil achtmal 25 Euro Bußgeld für die hängen gebliebenen Plakate zulasten des Rentners. Am Sachverhalt sei nichts zu rütteln, der 69-Jährige habe diesen selbst eingeräumt. Semsch war aber nicht mit allem einverstanden, was der Bescheid der Stadt beinhaltet hatte. So konnte auch er keinen Vorsatz beim Hängenlassen der acht von möglicherweise 2000 Plakate erkennen. 25 Euro Buße pro Verstoß seien aus seiner Sicht angemessen, insgesamt also 200 Euro.