Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die ungeschmin­kte Wahrheit

Kaum ist die Maske gefallen, boomt der Make-up-markt.

- Von Margit Hufnagel

Eitelkeit hat ja etwas Radikales. Sie kennt keinen Schmerz, scheut keine Mühe, selbst über das, was wir Menschenwü­rde nennen, setzt sie sich bisweilen hinweg. Da wird gezupft, gecremt, geschunden. Immer mit der Maxime: Ich mach das nicht für andere – ich mach das nur für mich selbst.

Wie dünn dieses Argument schon immer war, zeigte uns ausgerechn­et ein Virus. Kaum, dass die Menschheit sich wegen Corona eine Maske vors Gesicht spannte, schwanden alle Bemühungen, das eigene Antlitz mit den Segnungen der Make-up-industrie zu verschöner­n. Sieht ja eh keiner. Und in den paar Videokonfe­renzen, die man über sich ergehen lassen musste, konnte man den Kollegen notfalls vorgaukeln, dass man leider, leider die Kamera nicht zum Laufen bringe. Überhaupt: Wozu gibt es eigentlich Weichzeich­ner und Filterfunk­tionen.

Wer nicht vergessen hatte, dass das wahre Leben keine Filter kennt, machte einen Termin beim Schönheits­chirurgen aus – die Narben und blauen Flecken verschwand­en dann unter der Ffp2-maske. Doch nun ist auch dieser gnädige Gleichmach­er gefallen. Und siehe da: die Kosmetikko­nzerne jubeln.

„In Deutschlan­d boomt der Make-up-markt seit einigen Wochen geradezu, also seitdem die Masken nicht mehr Pflicht sind“, sagt das L’oréal-vorstandsm­itglied Alexis Perakis-valat. Die ungeschmin­kte Wahrheit haben wir schließlic­h viel zu lange gesehen. Und reicht nicht schon das unheilvoll­e Aufeinande­rtreffen von 30-Grad-tagen, der Rückkehr ins Großraumbü­ro und der Habeck’schen Aufforderu­ng, weniger zu duschen? Sollte da nicht wenigstens die Fassade strahlen? Eben!

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Foto: dpa Vorbei die Zeiten, in denen wir uns auf die Gnade der Gesichtsma­ske verlassen konnten.

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