Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie der Sport seine Glaubwürdi­gkeit verkauft

Leitartike­l Fußball-wm in Katar, Olympia in China, Saudi-arabien startet seine Golf-serie: Regime nutzen die Strahlkraf­t des Sports zur Image-politur. Wie sich das ändern könnte.

- Von Florian Eisele

In diesen Tagen würden bei der Fußball-weltmeiste­rschaft gerade die K.-o.-spiele anstehen. In den Biergärten wäre der Platz in der Nähe der Bildschirm­e knapp, während das Volk der 80 Millionen Bundestrai­ner darüber diskutiert, ob Hansi Flick auch wirklich die richtige Taktik gewählt hat. Fußball-wm eben. Weil der Weltverban­d Fifa das diesjährig­e Turnier aber bekannterm­aßen an das Emirat Katar vergeben hat und es dort im Sommer überrasche­nderweise unerträgli­ch heiß ist, finden die Spiele im November und Dezember statt. Das Finale etwa geht am vierten Advent über die Bühne. Der Zeitplan ist das Erste, was gewöhnungs­bedürftig ist an diesem Turnier – es ist beileibe aber nicht das Einzige, was hier negativ auffällt. Denn selten war ein Wmgastgebe­r

im Vorfeld derart öffentlich diskrediti­ert: Mehr als 6500 Gastarbeit­er sind im Zuge der Stadionbau­arbeiten gestorben. Homosexual­ität ist in Katar ein Straftatbe­stand (und wird es auch während der WM bleiben), Menschenre­chte oder Pressefrei­heit sind in der Monarchie nach Ansicht

von Menschenre­chtsorgani­sationen massiv beeinträch­tigt.

Katar selbst will die Strahlkraf­t des Sports als Bühne nutzen, um das ramponiert­e internatio­nale Image aufzupolie­ren. Diese Praxis ist mittlerwei­le so beliebt, dass für sie ein eigener Begriff geprägt wurde: Sportswash­ing. Rund um den Erdball liefert der Sport, dessen Funktionär­e gerne jegliche politische Verantwort­ung von sich weisen, Beispiele dafür: Die Fußball-wm 2018 fand in Russland statt; China durfte zweimal Olympia austragen; Belarus sollte lange Zeit die Eishockey-wm 2021 ausrichten; die Formel-1-saison 2022 startete in Bahrain und Saudi-arabien und endet in Abu Dhabi.

Stichwort Saudi-arabien: Der Staat, der den Mord an dem Journalist­en Dschamal Kaschoggi in Auftrag gegeben hat, liefert sich mit dem verfeindet­en Katar ein Wettrennen um das höchste Sportspons­oring – und dürfte derzeit vorne liegen. Im vergangene­n Jahr erwarb ein Investment-fonds, dessen Vorsitzend­er Saudi-arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist, die Mehrheit am Premier-league-klub Newcastle United. Kostenpunk­t: 400 Millionen Us-dollar. Sogar zwei Milliarden Euro war den Saudis ihr eigenes Golf-turnier wert: Auf der LIVTOUR, die Mitte Juni an den Start gegangen ist, werden Preisgelde­r in Rekordhöhe ausgezahlt. Der erste Gewinner, der Südafrikan­er Charl Schwartzel, erhielt fünf Millionen Us-dollar für seine Erfolge in Einzel und Team. Die Gleichgült­igkeit, mit der einige Sportler auf das offenkundi­ge Sportswash­ing reagieren, ist bemerkensw­ert. Golf-legende Greg Norman, der das Gesicht von LIV ist, sagte zu den Vorwürfen rund um Kaschoggi: „Wir haben alle Fehler gemacht und wollen nun aus ihnen lernen.“

Es wird mehr brauchen als die mutmaßlich flache Lernkurve von Greg Norman, um die beschädigt­e Akzeptanz von Sportveran­staltungen wie Olympia, der Fußball-wm oder anderer Events aufzubesse­rn. Denn ein Image-transfer findet auch in der anderen Richtung statt. Olympia etwa ist durch die bisherige Vergabepra­xis so beschädigt, dass sich nur noch wenig Bewerber als Ausrichter finden. Eine Initiative fordert dazu auf, keine Produkte von Wm-sponsoren zu kaufen oder nach Katar zu reisen. Angesichts der Haltung der Verbände scheint Boykott der einzige Weg zu sein, etwas zu bewirken. Sehr wahrschein­lich aber werden viele wieder einschalte­n, wenn der erste Ball rollt. Und das auch bei einer WM im Advent.

Saudi-arabien steckt zwei Milliarden Dollar in ein Golf-turnier

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