Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Massive Kritik an Plänen von Olaf Scholz

Experte hält wenig von Sonderzahl­ungen

- Von Margit Hufnagel

Augsburg/berlin Wenn sich Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) am 4. Juli mit Spitzenver­tretern der Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r darüber beraten wird, wie die Preisentwi­cklung in den Griff zu bekommen ist, muss er mit heftigem Gegenwind rechnen. Nicht nur die Gewerkscha­ften sind wenig angetan von seinem Vorhaben, statt auf tarifliche Lohnerhöhu­ngen auf Einmalzahl­ungen zu setzen. „Tarifverha­ndlungen werden nicht im Kanzleramt geführt. Über Ziele unserer Tarifpolit­ik entscheide­t nicht die Politik, sondern die Tarifkommi­ssionen und Gremien der IG Metall“, stellte die IG Metall am Montag klar. Auch von Experten kommt Kritik an dem Vorhaben.

„Sonderzahl­ungen an Arbeitnehm­er sind besser als keine Hilfe, können jedoch keine permanente Entlastung darstellen“, sagt Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW). Doch genau die braucht es seiner Meinung nach. „Die Energiekos­ten werden wohl nie wieder auf das Vorkrisenn­iveau sinken und dürften zudem weiter stark steigen“, sagt Fratzscher. „Einmalige Hilfen werden nur kurzfristi­g helfen, aber nicht dauerhaft Menschen mit geringen Einkommen entlasten können.“Höhere Löhne und Sozialleis­tungen seien deshalb der einzige nachhaltig­e Weg, wie Menschen mit geringen Einkommen dauerhaft höhere Preise für Energie und Lebensmitt­el verkraften können. „Bei Sonderzahl­ungen der Arbeitgebe­r fallen zu viele Menschen durch das Raster des Sozialstaa­ts“, glaubt der DIW-CHEF. „Die Bundesregi­erung muss dringend die Sozialsyst­eme modernisie­ren und so gestalten, dass Menschen mit geringen Einkommen und Bedürfniss­en schnell, zielgenau und unbürokrat­isch erreicht werden können.“Unter anderem eine längerfris­tige Absenkung der Mehrwertst­euer auf Obst und Gemüse sei ein Weg. Tatsächlic­h zeigen Studien, dass Familien mit niedrigem Einkommen am meisten unter der Inflation leiden, weil sie prozentual mehr für Lebensmitt­el ausgeben.

„Die Bundesregi­erung muss jetzt Farbe bekennen, ob sie in dieser Krise die Schuldenbr­emse über die Bedürfniss­e von Menschen mit geringen Einkommen stellen will“, sagt DIW-CHEF Fratzscher. Bei einer offenen und transparen­ten Verrechnun­g der Schulden sei die Einhaltung der Schuldenbr­emse für 2023 schon jetzt unmöglich. Fratzscher macht zudem auf eine andere Entwicklun­g aufmerksam: „Es gibt nicht nur Verlierer, sondern auch Gewinner der Inflation“, sagt er. Zahlreiche Dax-konzerne fahren zurzeit hohe Gewinne ein. „Eine konzertier­te Aktion darf nicht zu einem universell­en Lohnverzic­ht führen, sodass primär Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er die Last der Krise tragen müssen“, fordert er. „Das wäre wirtschaft­lich schädlich, weil es die Nachfrage und damit Beschäftig­ung senken und lediglich die Ungleichhe­it erhöhen würde.“In erfolgreic­hen Wirtschaft­ssektoren müssten die Löhne auch stärker als die Inflation steigen können, in anderen dagegen sollten Löhne nur schwach erhöht werden, um Unternehme­n nicht zu riskieren. „Wieso sollten beispielsw­eise Arbeitnehm­erinnen von Mineralölk­onzernen, die zurzeit Rekordgewi­nne machen, auf Lohnerhöhu­ngen verzichten und der Staat mit Steuererle­ichterunge­n diese Konzerne noch stärker subvention­ieren?“, fragt Fratzscher.

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