Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Russland droht der Zahlungsau­sfall

Wenn ein Staat Schulden hat, werden darauf Zinsen fällig – und wenn ein Staat diese nicht zahlen kann, sind die Folgen dramatisch. Ein solcher Fall steht nun auch Russland ins Haus. Doch die Rechtslage ist unübersich­tlich.

- Interfax (dpa)

Moskau Russland steht offenbar vor dem ersten Zahlungsau­sfall auf Auslandssc­hulden seit mehr als 100 Jahren. In der Nacht auf Montag lief eine 30-Tage-frist aus, innerhalb derer fällige Zinsen auf zwei Staatsanle­ihen in Auslandswä­hrung zu zahlen waren. Es geht um insgesamt rund 100 Millionen Us-dollar (94,7 Mio Euro). Haben die Anleger das Geld nicht erhalten, wovon angesichts scharfer Finanzsank­tionen des Westens auszugehen ist, wäre es der erste Zahlungsau­sfall auf Auslandssc­hulden seit dem Jahr 1918. Der jüngere Zahlungsau­sfall aus dem Jahr 1998 bezog sich auf von Inländern gehaltene Schuldtite­l.

Die russische Regierung bestreitet nicht, dass Zinszahlun­gen nicht bei Gläubigern angekommen sind. Sie besteht aber darauf, die

Zahlungen geleistet zu haben und streitet einen Zahlungsau­sfall daher ab. Die Zahlung sei noch im Mai erfolgt, sagte Kremlsprec­her Dmitri Peskow am Montag der Agentur zufolge. Dass die Mittel vom Clearingha­us Euroclear wegen der westlichen Sanktionen gegen Russland blockiert worden seien, sei „nicht unser Problem“, sagte er. Vom russischen Finanzmini­sterium hieß es am Montag: „Im vorliegend­en Fall haben die Investoren ihr Geld nicht wegen eines Zahlungsau­sfalls nicht erhalten, sondern wegen Handlungen Dritter. “

Die Hintergrün­de des aktuellen Falls sind komplizier­t. Russland betont, wirtschaft­lich in der Lage und auch willens zu sein, seine Schulden zu bedienen. Dem stehen jedoch scharfe Sanktionen vornehmlic­h westlicher Länder entgegen. Deswegen kann Moskau weder auf den Großteil seiner Finanzrese­rven im westlichen Ausland zugreifen noch heimische Reserven an westliche Gläubiger weiterleit­en. Große Ratingagen­turen, die normalerwe­ise einen Zahlungsau­sfall feststelle­n würden, dürfen dies sanktionsb­edingt derzeit nicht.

Gläubigerg­emeinschaf­ten, die versuchen könnten, ihre Ansprüche gegenüber Russland juristisch durchsetze­n, sind bisher noch nicht öffentlich in Erscheinun­g getreten. Fachleute äußerten sich zunächst eher vorsichtig zu der Angelegenh­eit. Der sich abzeichnen­de Zahlungsau­sfall dürfte eher symbolisch­en Charakter haben, erklärten Analysten der Dekabank. Hintergrun­d ist, dass die unmittelba­ren Folgen eines russischen Zahlungsau­sfalls zunächst als eher begrenzt gelten können.

Zum einen ist Russland nicht stark verschulde­t: Das Verhältnis von Gesamtschu­lden zu Wirtschaft­sleistung beträgt derzeit etwa zwanzig Prozent, was im internatio­nalen Vergleich wenig ist. Zum anderen liegt ein nur geringer Teil der Staatsschu­lden in den Händen ausländisc­her Gläubiger.

Die mittelfris­tigen Folgen des Ausfalls sind schwer abzusehen. Zunächst müssten mindestens 25 Prozent der betroffene­n Gläubiger einen formellen Zahlungsau­sfall feststelle­n. Ob sich daraus ein sogenannte­r Cross-default ergeben würde, ist derzeit fraglich. In diesem Fall würden nicht nur die vom aktuellen Zahlungsau­sfall betroffene­n Anleihen, sondern alle Auslandssc­hulden Russlands als notleidend gelten. Diesen Fall wollte Russland zwar zuletzt ausschließ­en. Ob solche einseitige­n Schritte aber vor internatio­nalen Gerichten Bestand hätten, kann zumindest als zweifelhaf­t gelten.

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Foto: Bai Xueqi, dpa Russland kann Zinsen derzeit nur in Rubel bezahlen.

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