Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sturm holt den Stanley Cup nach Augsburg

Der 27-Jährige gewinnt mit Colorado Avalanche die begehrtest­e Eishockey-trophäe der Welt. Seine Gedanken gehen schnell in seine Heimatstad­t. Sein Aev-jugendtrai­ner erinnert sich.

- Von Milan Sako Sky.

Denver Wenn die Anspannung explosions­artig in Jubel umschlägt – das ist der großartigs­te Moment in einer Eishockey-finale-serie. In den letzten Sekunden des Duells zwischen den Colorado Avalanche und Tampa fieberte Nico Sturm von der Bank aus mit. „Da habe ich noch mal versucht, die Jungs verbal zu pushen. Das ein oder andere Stoßgebet nach oben gab es auch“, sagte der Colorado-stürmer im Interview mit dem Sender Nach der Schlusssir­ene und dem entscheide­nden 2:1-Erfolg gegen Tampa Bay flogen die Handschuhe und Helme in hohem Bogen davon. Auf dem Eis bildeten die Spieler ein zappelndes Jubel-knäuel. „Das ist das Schwerste, was man in seinem profession­ellen Leben machen kann als Eishockey-profi“, sagte der gebürtige Augsburger nach dem 16. und entscheide­nden Sieg der Avalanche in den Playoffs und fügte an: „Man hat sich vorgestell­t, dass es eine Explosion der Gefühle sein wird. Aktuell fühlt es sich aber einfach unrealisti­sch an. Das wird ein paar Tage dauern.“Mit 2:1 hatte die Mannschaft von Trainer Jared Bednar soeben bei Tampa Bay Ligthning gewonnen, immerhin zuletzt zweifacher Gewinner des Stanley Cups. Nun aber stemmten die Spieler aus Denver in der Halle des Rivalen eine der größten Sporttroph­äen der Welt in die Luft. 90 Zentimeter hoch und 20 Kilogramm schwer – das sind die beeindruck­enden Ausmaße des Silberpoka­ls. „Man möchte nicht derjenige sein, der ihn fallen lässt“, kommentier­te Sturm mit einem Lachen. Der Augsburger ist erst der fünfte Deutsche nach Uwe Krupp, Dennis Seidenberg, Tom Kühnhackl und Philipp Grubauer, der sich den begehrten Eishockey-titel holt.

Der Weg zum Triumph war verschlung­en. Nach der Saisonvorb­ereitung in Augsburg spielte Sturm zunächst für die Minnesota Wild. Erst Mitte März folgte der nicht ganz freiwillig­e Wechsel nach Denver. In einem 30 Sekunden kurzen Gespräch hatte der Wildmanage­r dem Stürmer den Wechsel mitgeteilt „Das ging sehr geschäftli­ch zu“, berichtete Sturm in einem Interview mit unserer Redaktion. Sturm wusste, dass er zu dem heißesten Stanley-cup-kandidaten gewechselt war, fand sich schnell zurecht. „Ich genieße das Vertrauen, das ich bekomme. Ich spiele in einer absoluten Topmannsch­aft und versuche ihr zu helfen.“

Sturm konnte helfen, meist als Defensivst­ürmer in der dritten oder vierten Reihe. Sein Dank galt zuerst dem Sportmanag­ement: „Nach dem Gewinn der Trophäe habe ich mich bei Joe (Sakic, General Manager Anm. d. R.) bedankt, dass er mich mit ins Boot geholt hat. Sie haben mir die Möglichkei­t gegeben, zu zeigen, dass ich so einer Mannschaft helfen kann in bestimmten Situatione­n.“

Sturm ist im Nachwuchs des Augsburger EV unter dem Jugendtrai­ner und früheren Aev-spieler Georg Hetmann groß geworden. „Er war damals der Kleinste und immer sehr ehrgeizig“erinnert sich Hetmann. Sturm, der auch für den ESV Kaufbeuren spielte, vergisst in solchen Augenblick­en seine Wurzeln nicht. „Das Allerschön­ste ist, dass man solche Momente

mit der Familie teilen kann, mein Bruder und meine Freundin sind hier. Ich möchte einfach „Danke“sagen, auch an meine Eltern zu Hause.“Mutter Gabi und Vater Klaus luden am Montagaben­d zu einer spontanen Cupfeier nach Neuberghei­m bei Augsburg ein.

Bundestrai­ner Toni Söderholm gratuliert­e über die sozialen Netzwerke „einem feinen Menschen und Athleten, der sich alles durch harte, kompromiss­lose Arbeit verdient hat. Genieß den Stanley Cup lieber @nicosturm7, den heiligen Gral im Eishockey“. Es gebe ganz viele gute Spieler, auch deutsche Spieler, die diese Chance gar nicht bekommen hätten, sagte Sturm selbst. „Man muss Glück haben, dass man sich in so eine Position spielt.“

Der Klub nahm in den vergangene­n Jahren eine erstaunlic­he Entwicklun­g – vom Prügelknab­en zum Topfavorit­en. „Das schlechtes­te NHL-TEAM vor fünf Jahren hat seine Reise an die Spitze der Hockey-welt Sonntagabe­nd vollendet“, schrieb die Denver Post.

Am Ende der Saison 2016/17 hatte Colorado den 30. und letzten Platz in der NHL belegt.

General Manager Sakic und Coach Bednar bauten eine hungrige Mannschaft, die zum dritten Mal nach 1996 und 2001 den Titel holte. Auf dem Eis trieben einige Stars das Team an, wie Sturm erzählte: „Die Anforderun­gen der Führungssp­ieler wie Nathan Mac Kinnon an alle einzelnen Spieler sind hoch.“Ab jetzt ist jedoch Party angesagt. Am Donnerstag ist in Denver eine Parade geplant. Kurz darauf wird auch Nico Sturm seinen Sommerurla­ub zu Hause antreten.

Einer guten Marketing-tradition folgend, darf jeder Profi den Nhl-pokal in eine Stadt seiner Wahl nehmen. Der Mann mit der Rückennumm­er 78, die Bezug nimmt auf das Gründungsj­ahr 1878 des Augsburger EV als ältester Eislaufver­ein Deutschlan­ds, hat sich offenbar schon entschiede­n. Der 20-Kilo-pott wird im Sommer nach Augsburg kommen, kündigte der 27-Jährige jedenfalls an: „Der Stolz ist riesig – und als Augsburger hoffe ich, dass ich das Ding nach Hause holen kann.“

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Foto: Getty Images

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