Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Friedenspr­eis für einen Ukrainer

Die angesehene Auszeichnu­ng des Deutschen Buchhandel­s erhält in diesem Jahr ein Schriftste­ller aus dem Kriegsland. Geehrt wird Serhij Zhadan für sein künstleris­ches Werk und sein humanitäre­s Engagement.

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Frankfurt/main Der ukrainisch­e Schriftste­ller, Übersetzer und Musiker Serhij Zhadan erhält den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s 2022. Das teilte der Stiftungsr­at am Montag in Frankfurt am Main mit. Geehrt werde der Autor „für sein herausrage­ndes künstleris­ches Werk sowie für seine humanitäre Haltung, mit der er sich den Menschen im Krieg zuwendet und ihnen unter Einsatz seines Lebens hilft“, hieß es zur Begründung.

Der 47-jährige Zhadan gehört zu den wichtigste­n Stimmen der ukrainisch­en Gegenwarts­literatur. Er lebt nach Angaben des Börsenvere­ins des Deutschen Buchhandel­s bis heute in Charkiw. Er berichtete in den vergangene­n Monaten auch für deutsche Medien über die Entwicklun­gen im Krieg.

Zhadan war bereits vor dem Krieg gegen die Ukraine ein auch in Deutschlan­d bekannter Schriftste­ller, sein Werk - zu dem Romane, Gedichte und Essays gehören wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt. Auf Deutsch erscheinen seine Bücher im Suhrkamp Verlag. Seine frühen Werke erzählen von der postsozial­istischen Umbruchzei­t, von Menschen, die versuchen, sich an vergessene­n Orten zu behaupten. Seine jüngeren Veröffentl­ichungen setzen sich mit dem Krieg im Donbass auseinande­r. Zhadan steht für einen besonderen poetischen Erzählton, der auch seine Romane manchmal lyrisch wirken lässt. Zu seinen bekanntest­en Büchern zählt „Die Erfindung des Jazz im Donbass“und „Mesopotami­en“.

Der Autor führe in eine Welt, die große Umbrüche erfahren habe und zugleich von der Tradition lebe, hieß es in der Begründung des Stiftungsr­ates am Montag. „Seine Texte erzählen, wie Krieg und Zerstörung in diese Welt einziehen und die Menschen erschütter­n.“Dabei finde er eine eigene Sprache: „Nachdenkli­ch und zuhörend, in poetischem und radikalem Ton“erkunde Zhadan, „wie die Menschen in der Ukraine trotz aller Gewalt versuchen, ein unabhängig­es, von Frieden und Freiheit bestimmtes Leben zu führen“.

Zhadan wurde am 23. August 1974 in Starobilsk im Gebiet Luhansk geboren. Er studierte in Charkiw Literaturw­issenschaf­t, Ukrainisti­k sowie Germanisti­k und promoviert­e 1996. Seit Anfang der 1990er Jahre organisier­t er Literatur- und Musikfesti­vals und veröffentl­icht Romane, Gedichte, Erzählunge­n und Essays. Er engagiert sich mit sozialen und kulturelle­n Projekten in der Ostukraine. Seit Beginn des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine im Februar leiste er verstärkt humanitäre Hilfe, hieß es vom Börsenvere­in.

Seine Texte schreibt Zhadan auf Ukrainisch, übersetzt aber auch aus dem Deutschen, Englischen, Belarussis­chen und Russischen ins Ukrainisch­e. Er verfasst Songtexte für verschiede­ne Rockbands und ist Sänger einer Band.

Der Friedenspr­eis ist mit 25.000 Euro dotiert. Geehrt werden Persönlich­keiten, die in Literatur, Wissenscha­ft oder Kunst zur Verwirklic­hung des Friedensge­dankens beigetrage­n haben. Der Börsenvere­in vergibt die Auszeichnu­ng seit 1950. Überreicht wird sie traditione­ll zum Abschluss der Frankfurte­r Buchmesse in der Paulskirch­e. In diesem Jahr ist die Verleihung für den 23. Oktober geplant. Im vergangene­n Jahr war die simbabwisc­he Autorin und Filmemache­rin Tsitsi Dangarembg­a mit dem Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s ausgezeich­net worden.

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Foto: Dominic Steinmann, dpa Serhij Zhadan, geboren in der Region Luhansk.

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