Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Junge Talente für die große Leinwand
Das Augsburger Liliom-kino ist zum Treffpunkt für den Filmnachwuchs aus ganz Deutschland geworden, als Gastgeber des „Bundes.festival.film“. Und der Kino-chef freut sich schon jetzt auf die Fortsetzung.
Großes Kino braucht keine Überlänge. Auch keine digital hochfrisierten Spezialeffekte, weder Ritternoch Laserschwerter. Zwei Kinder jagen im Kurzfilm „Weil ich Leo bin“durch den Wald. Sie toben und sie duellieren sich mit Ästen statt mit Degen. En garde! Jedoch, was wie ein Kleine-jungsspiel wirkt, scheint nur auf den ersten Blick so. Eines der beiden Kinder mit den kurzen, zerstrubbelten Haaren und dem Trotz im Blick heißt – Leonie. Aber: Leonie wünscht sich mit Sehnsucht, dass Freunde, Eltern, Großeltern sie nur noch Leo nennen. Leonie will nicht Frau werden, nicht Frau sein.
Mit aller Zartheit will sich der Film in diese Geschlechter-zwickmühle hineinfühlen, in einer Welt, die immer noch zwischen Jungsblau und Mädchenrosa trennt. Diese Suche nach dem wahren Ich, in knapp 18 Filmminuten, hat nun die Jury des Deutschen Jugendfilmpreises 2022 begeistert. „Ein berührendes Plädoyer, Menschen nicht in starre Geschlechter- und Rollenvorgaben zu pressen“, loben die Juroren. Damit zählt dieser Film von Tajo Hurrle, einem 23 Jahre jungen Filmtalent aus dem hessischen Dieburg, zu den Gewinnern des Jugendfilmpreises 2022.
Ihre Auszeichnung konnten die jungen Filmemacher und Filmemacherinnen nun beim „Bundes.festival.film“entgegennehmen und bejubeln – und zwar in Augsburg. Gastgeber des bundesweiten Fests war in diesem Jahr das Altstadtkino Liliom. Drei Tage lang, vom 24. bis 26. Juni, liefen hier preisnominierte Filme in den Sälen. Neben der Jury konnten auch Zuschauer ihre Lieblinge wählen: Der Publikumspreis, den die Stadt Augsburg gestiftet hat, ging an „Weil ich Leo bin“.
Jedes Jahr findet das „Bundes.festival.film“statt und wandert dabei von einem Kino zum nächsten. Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat das Fest ins Leben gerufen – und dazu einen Preis für junge Leinwandkünstler. Das Deutsche Kinder- und Jugendfilmzentrum (KJF) stellt dieses Szenetreffen auf die Beine. Gesucht werden: Blockbuster-regisseure von morgen, junge Arthouse-drehbuchautorinnen mit zündenden Ideen. Aber auch die ältere Generation soll hier ihre Vorstellung vom Kino zeigen: Zwei Preise werden bei diesem Festival vergeben, der „Deutsche Jugendfilmpreis“und – für Kino, das Brücken über Altersgrenzen schlägt – der „Deutsche Generationenfilmpreis“. So reicht das Alter der Regisseure vom Teenie bis zum Künstler von mehr als 70 Jahren.
Wie das Festival nach Augsburg kam? „Die Organisatoren waren auf der Suche nach einem schönen Kino im Süden“, erklärt Michael Hehl, Leiter des Liliom. Mit dem Team des KFJ sei er sehr schnell einig gewesen – und zwar nicht nur für dieses Jahr. Auch 2023 soll das Liliom wieder das Gastgeber-kino dieses Fests sein.
Samstagnachmittag, kurz vor der Preisverleihung 2022, zog Hehl schon eine erste Bilanz: „200 Gäste waren heute hier. Sie genießen die Atmosphäre.“Fachgeplauder am plätschernden Kanal neben dem Altstadtkino, Gespräche im hauseigenen Biergarten und natürlich auch in den Sälen, so beschreibt Hehl das Flair. Er zeigt sich vor allem begeistert von den Talenten: „Hier treffen sich junge Leute mit viel Elan und Fleiß, mit jugendlicher Frische.“44 Film-teams waren insgesamt nominiert. Bei einer Gala am Samstag wurden dann 30 Preise in den zwei Wettbewerben verliehen. Zu vergeben: Preisgeld von insgesamt gut 20.000 Euro.
Augsburgs Oberbürgermeisterin Eva Weber r und Kulturreferent Jürgen K. Enninger gratulierten allen Teilnehmenden. In einem Video meldete sich auch Familienministerin Lisa Paus zu Wort: „Zwei Jahre Pandemie haben uns gezeigt, wie wichtig Filme sind, um lebensverändernde Ereignisse zu verarbeiten oder für einige Minuten aus der Realität zu entfliehen.“Kjf-chefin Eva Bürgermeister ergänzte: „Dieser Jahrgang war besonders wichtig, weil die Filmteams endlich wieder ihre Perspektiven einem großen Live-publikum zeigen und sich untereinander austauschen konnten.“
Kinokultur hat in der Pandemie gelitten – aber welche Themen bewegen die Jungfilmer? „Vor allem sind es ganz intensive persönliche Lebensgeschichten“, erklärt Hehl. Und für solche Inhalte sei der Kurzfilm ein tolles Format: „Das Prinzip lautet: Eine Prämisse, ein Thema, ein Konflikt.“Eine Form mit Spielraum für junge Impulse.