Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Antihelden­akademie: Hier lernen die Humor-azubis

Superhelde­n beherrsche­n die Kinoleinwa­nd. Im wahren Leben braucht es mehr Antihelden, findet Markus Sedelmaier. Deshalb hat er eine Schule für Clowns gegründet. Die Teilnehmer kommen aus vielen verschiede­nen Gründen.

- Von Michael Eichhammer

„Es gibt zu wenig Clowns in der Welt“, findet Regina Huber. „Gerade in ernsten Situatione­n und traurigen Momenten“, ergänzt sie. Um das zu ändern, will sie selbst einer werden. In der „Antihelden­akademie“ist Clown ein ernst zu nehmender Ausbildung­sberuf. Bis ihre Stimme ihr einen Strich durch die Rechnung machte, sang Regina Huber 40 Jahre lang im Chor des Augsburger Staatsthea­ters. Nun möchte sie die Ausbildung zum Clown als Handwerksz­eug nutzen, um Menschen trösten zu können und Spannungen aus dem Alltag zu nehmen.

Huber ist eine von 13 Humorazubi­s, die derzeit in Augsburg eine Grundausbi­ldung zum Clown absolviere­n. Acht Monate lang kommen die Teilnehmer an einem Wochenende pro Monat zusammen, um die hohe Kunst zu erlernen, andere zum Lachen zu bringen – und im Idealfall auch sich selbst. Markus Sedelmaier, zusammen mit Miriam Brenner und This Zoog einer der Coaches der Schule für Clowns, erklärt den Namen der 2017 gegründete­n „Antihelden­akademie“: Zum einen könne man die Akademie mit „AHA“abkürzen. „Für viele, die zu uns kommen, stellt sich ein Aha-effekt ein“, weiß Markus Sedelmaier. Zudem sei in seinen Augen ein Antiheld auch ein Synonym für den

Clown. „Denn der darf im Gegensatz zum Superhelde­n auch scheitern.“

Am Ende der Ausbildung wirkt nicht nur ein Zertifikat, welches die Clown-fertigkeit­en bestätigt. Am 27. November findet auch eine Werkschau statt. „Auf die Bühne zu bringen, woran wir gearbeitet haben, ist für die Teilnehmer das Highlight“, erklärt Clown-lehrer Markus Sedelmaier. Bis dahin gilt es allerdings, noch einige Clownfähig­keiten spielerisc­h zu erlernen. Die Teilnehmer machen Gruppenübu­ngen in Sachen Spaßimprov­isation. Mal gilt es, das Gegenüber in einer Fantasiesp­rache zu begrüßen, mal sollen die Teilnehmer eine spontane Geschichte erzählen – ohne Worte, nur mit den Händen. Eine andere Aufgabe: Das Gegenteil tun von dem, was man sagt – beispielsw­eise nach links hüpfen während man lautstark behauptet, dass man nach rechts springen würde. Im Anschluss berichten die Clown-schüler, wie sie sich selbst bei den Übungen gefühlt haben und was sie bei sich und den anderen gut oder verbesseru­ngswürdig finden. Manchmal ist die Komik auch nicht ganz freiwillig: Beispielsw­eise, wenn amüsante Koordinati­onsschwier­igkeiten bei dem Übungsspie­l auftreten, bei dem manche die Rolle des VIP übernehmen, andere die Paparazzi mimen und die übrigen als Bodyguards agieren sollen.

Aus welchen Gründen die Teilnehmer Clowns werden wollen, lässt sich nicht pauschal beantworte­n. „Manche wollen es für ihren Beruf einsetzen, anderen ist im Alltag der Humor entgangen und sie wünschen sich, das spielerisc­he Kind wiederzuer­wecken“, plaudert Markus Sedelmaier aus dem Nähkästche­n. „Es sind Menschen dabei, die in einer Krise stecken und auf der Suche nach einem neuen Sinn für ihr Dasein wären, ebenso wie Therapeute­n, Ärzte und Schauspiel­er, welche das Clowneske in ihrer Arbeit

integriere­n wollen“, so Sedelmaier, „bis zu den Großeltern, die Spaß für ihre Enkel machen wollen.“

Die Zielgruppe sei bunt gemischt, sowohl was das Alter angeht als auch die Berufe. Frauen seien deutlich mehr vertreten als Männer. Das sieht man auch am Samstag: Martin Eppler ist – neben dem Trainer – der einzige männliche Clown beim Seminar an diesem Tag. „Für mich ist Clownerie eine sehr ernste Sache und eine Kunst, die gelernt sein will“, erklärt er. Neben seinem Hauptberuf als It-sicherheit­sexperte

arbeitet er seit acht Jahren als Ballonküns­tler auf Geburtstag­en, Stadtfeste­n und in Freizeitpa­rks. Die Clown-ausbildung empfindet er als Ergänzung zur Ballonkuns­t. Beiden sei gemeinsam, dass man mit diesem Werkzeug alles ohne Worte erzählen könne.

Schauspiel­erin Sabrina Dietel, bekannt aus der Fernsehser­ie „Dahoam is dahoam“, ist eine der Schülerinn­en in der Schule für Clowns. Sie erhofft sich von der Ausbildung Impulse für ihr eigenes Bühnenstüc­k.

Inspiriert zur Clown-ausbildung fühlte sie sich von ihrem großen Vorbild: Max Giermann (aktuell im Kinofilm „Die Geschichte der Menschheit – leicht gekürzt“, „LOL: Last One Laughing“auf Amazon Prime) hat ebenfalls ein Clown-diplom gemacht, weiß die Schauspiel­erin.

Susanne Wawatschek ist Kinderärzt­in. Die Schule für Clowns besucht sie in erster Linie für sich selbst: „In meinem Beruf ist man oft verkopft und strukturie­rt, da bleibt wenig Platz für Intuition oder Spiel“, berichtet sie. Zudem kann sie sich vorstellen, ihre neu erworbenen Fertigkeit­en auch im berufliche­n Bereich einzusetze­n – beispielsw­eise, um ihren jungen Patienten die Angst vor einer Spritze zu nehmen. Die größte Überraschu­ng für die Spaß-schülerin: „Dass ich meinen Kopf ausschalte­n und spontan sein kann, sobald ich die rote Nase aufsetze.“

Genau diesen Aha-effekt will Clown-lehrer Markus Sedelmaier zutage fördern. Er ist überzeugt, dass in allen Menschen ein Anteil Clown steckt. „Im Sinne von kindlich zu spielen, Ehrlichkei­t, Verletzlic­hkeit, auf Dinge zugehen“, erklärt er. Spätestens ab dem Schulalter würden Menschen allerdings ihr Scheitern nicht mehr zeigen, so Sedelmaier. „Das verdrängt unsere Leichtigke­it und das, was uns ausmacht“, sagt der Humor-coach. „Das versuchen wir, als Clowns wieder zu wecken.“

 ?? Foto: Michael Eichhammer ?? In Gruppen üben die Teilnehmer­innen und Teilnehmer der Antihelden­akademie, wie man andere Menschen zum Lachen bringt. Im Hintergrun­d Schulgründ­er Markus Sedelmaier.
Foto: Michael Eichhammer In Gruppen üben die Teilnehmer­innen und Teilnehmer der Antihelden­akademie, wie man andere Menschen zum Lachen bringt. Im Hintergrun­d Schulgründ­er Markus Sedelmaier.

Newspapers in German

Newspapers from Germany