Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Corona hat uns zusammenrü­cken lassen“

Professor Michael Beyer hat vor dreieinhal­b Jahren die Leitung der Uniklinik übernommen. Dann kam die Pandemie, die langfristi­ge Folgen auf Kliniken haben wird, wie Beyer prophezeit. Am Donnerstag hat er seinen letzten Tag.

- Von Stefan Krog

Als Schüler, sagt Prof. Michael Beyer, wäre er entweder gerne Arzt oder Landwirt geworden. Entschiede­n hat er sich für die Laufbahn als Mediziner und stand in den vergangene­n dreieinhal­b Jahren an der Spitze der Universitä­tsklinik. „Aber am Ende wird sich der Kreis ein wenig schließen“, sagt Beyer, der am Donnerstag seinen letzten Tag hat. Gleich danach geht es ein paar Wochen ins Ferienhaus nach Italien, wo ein Weinberg zu bewirtscha­ften ist. Und auch das Haus nahe Wertingen habe einen Bezug zur Landwirtsc­haft.

Vor dreieinhal­b Jahren wurde das früher kommunale Großkranke­nhaus zur Universitä­tsklinik, seitdem läuft der Aufbau der Medizinfak­ultät. Und seit zweieinhal­b Jahren diktiert Corona ein Stück weit die Abläufe in der Klinik. Aktuell liegen um die 30 Patienten und Patientinn­en in der Uniklinik – nicht wegen einer Infektion, sondern wegen eines anderen Krankheits­bildes. Isoliert werden muss diese Gruppe gleichwohl. Das Klinikum hat Positivpat­ienten bisher auf eigene Stationen gelegt. Künftig sei das so vielleicht nicht mehr leistbar, sagt Beyer. Womöglich werde man Isolierber­eiche auf den Stationen einrichten. „Das ist immer noch eine

Mehrbelast­ung fürs Personal, aber es ist weniger Aufwand.“

Die Pandemie habe ihre Spuren hinterlass­en, sagt Beyer. Aber ein Gutes habe sie gehabt: „Corona hat die verschiede­nen Berufsgrup­pen zusammenrü­cken lassen. Wir haben es geschafft, knappe Ressourcen gut zuzuteilen. Und dieses Miteinande­r sollte man beibehalte­n“, so Beyer. Gleichwohl warf ein Teil des Personals das Handtuch, wie an allen Krankenhäu­sern. „Der

Fachkräfte­mangel wird weiter zunehmen. Wir haben Infrastruk­tur, die nicht betrieben werden kann.“Auch finanziell habe Corona trotz Rettungssc­hirm Lücken in die Bilanzen gerissen. 2022 werde die Uniklinik wohl ein Defizit abliefern. „Es wird für die nächsten Jahre schwierig. Das wird von der neuen Führung auch Entscheidu­ngen verlangen, die nicht populär sind“, prophezeit Beyer.

Um das Finanzieru­ngsthema war es in den vergangene­n Jahren ruhiger geworden am Klinikum, nachdem am Haus unter kommunaler Trägerscha­ft noch ein wirtschaft­liches Sanierungs­konzept umgesetzt worden war. Im Vorfeld der Uniklinik-werdung rumorte es gewaltig in der Belegschaf­t. Beyer, damals Ärztlicher Vorstand, mahnte vor Jahren, es mit dem Sparen nicht zu übertreibe­n. Die öffentlich­e Hand, sagt er heute, sei auch dafür da, Einrichtun­gen wie Krankenhäu­ser zu betreiben. „Aber wenn wir die Möglichkei­t haben, gegenzuste­uern, dann müssen wir das auch tun.“

Wenn Beyer geht, hinterläss­t er eine Uniklinik im Ausbauproz­ess. Die Zahl der Studierend­en wächst, zig Lehrstühle wurden besetzt. Neben dem Thema Umweltmedi­zin ist Medizininf­ormatik ein Schwerpunk­t in Augsburg. Der Computer werde in der Medizin künftig noch stärker als bisher herangezog­en werden, um zum Beispiel Bilder aus der Radiologie auszuwerte­n. Auch bei der Medikament­engabe werde der Computer eine stärkere Rolle spielen. „Ein Programm kann abgleichen, ob die verordnete Medikation sinnvoll ist, auch im Hinblick mit Vorerkrank­ungen“, so Beyer. Auch Roboter im Operations­saal oder eine Automatisi­erung bei der Zusammenst­ellung von Op-bestecken sei absehbar. „Es wird auch darum gehen, Fachperson­al einzuspare­n, das es gar nicht mehr gibt“, sagt Beyer.

Beyer plädierte zuletzt dafür, dass sich Kliniken in Schwaben besser vernetzen müssten, um unter den veränderte­n Bedingunge­n gute Qualität zu liefern. Die Idee ist, dass sich die Uniklinik als Maximalver­sorger und die Kreisklini­ken

in der Region die Behandlung­en je nach Art aufteilen. „Wir müssen nicht jeden Blinddarm machen“, so Beyer. Wenn sich einzelne Häuser spezialisi­eren, könne man dort Schwerpunk­te bilden. „Diese Häuser entwickeln höhere Expertise, für die Patienten kann das aber mit längeren Wegen verbunden sein. Gleichzeit­ig haben wir eine mobile Gesellscha­ft, und für die Patienten zahlt sich die höhere Qualität aus.“

Eine Nachfolge für Beyer, 66, steht noch nicht fest. Interimswe­ise wird Dr. Markus Wehler, Chef der Notaufnahm­e und der IV. Medizinisc­hen Klinik, das Ruder übernehmen. Beyer sagt, er hätte noch gerne weitergema­cht, bis sein endgültige­r Nachfolger oder Nachfolger­in benannt sei, es sei aber eine Entscheidu­ng des Ministeriu­ms gewesen. Die Vernetzung der Krankenhäu­ser wird Beyer auch im Ruhestand auf Bitten der Uniklinik weiter vorantreib­en. Mehr Zeit wird der Herzchirur­g nach 21 Jahren am Klinikum künftig für seine Frau und seine drei Töchter haben.

„Es wird für die nächsten Jahre schwierig“

Prof. Michael Beyer

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Foto: Bernd Hohlen

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