Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Corona hat uns zusammenrücken lassen“
Professor Michael Beyer hat vor dreieinhalb Jahren die Leitung der Uniklinik übernommen. Dann kam die Pandemie, die langfristige Folgen auf Kliniken haben wird, wie Beyer prophezeit. Am Donnerstag hat er seinen letzten Tag.
Als Schüler, sagt Prof. Michael Beyer, wäre er entweder gerne Arzt oder Landwirt geworden. Entschieden hat er sich für die Laufbahn als Mediziner und stand in den vergangenen dreieinhalb Jahren an der Spitze der Universitätsklinik. „Aber am Ende wird sich der Kreis ein wenig schließen“, sagt Beyer, der am Donnerstag seinen letzten Tag hat. Gleich danach geht es ein paar Wochen ins Ferienhaus nach Italien, wo ein Weinberg zu bewirtschaften ist. Und auch das Haus nahe Wertingen habe einen Bezug zur Landwirtschaft.
Vor dreieinhalb Jahren wurde das früher kommunale Großkrankenhaus zur Universitätsklinik, seitdem läuft der Aufbau der Medizinfakultät. Und seit zweieinhalb Jahren diktiert Corona ein Stück weit die Abläufe in der Klinik. Aktuell liegen um die 30 Patienten und Patientinnen in der Uniklinik – nicht wegen einer Infektion, sondern wegen eines anderen Krankheitsbildes. Isoliert werden muss diese Gruppe gleichwohl. Das Klinikum hat Positivpatienten bisher auf eigene Stationen gelegt. Künftig sei das so vielleicht nicht mehr leistbar, sagt Beyer. Womöglich werde man Isolierbereiche auf den Stationen einrichten. „Das ist immer noch eine
Mehrbelastung fürs Personal, aber es ist weniger Aufwand.“
Die Pandemie habe ihre Spuren hinterlassen, sagt Beyer. Aber ein Gutes habe sie gehabt: „Corona hat die verschiedenen Berufsgruppen zusammenrücken lassen. Wir haben es geschafft, knappe Ressourcen gut zuzuteilen. Und dieses Miteinander sollte man beibehalten“, so Beyer. Gleichwohl warf ein Teil des Personals das Handtuch, wie an allen Krankenhäusern. „Der
Fachkräftemangel wird weiter zunehmen. Wir haben Infrastruktur, die nicht betrieben werden kann.“Auch finanziell habe Corona trotz Rettungsschirm Lücken in die Bilanzen gerissen. 2022 werde die Uniklinik wohl ein Defizit abliefern. „Es wird für die nächsten Jahre schwierig. Das wird von der neuen Führung auch Entscheidungen verlangen, die nicht populär sind“, prophezeit Beyer.
Um das Finanzierungsthema war es in den vergangenen Jahren ruhiger geworden am Klinikum, nachdem am Haus unter kommunaler Trägerschaft noch ein wirtschaftliches Sanierungskonzept umgesetzt worden war. Im Vorfeld der Uniklinik-werdung rumorte es gewaltig in der Belegschaft. Beyer, damals Ärztlicher Vorstand, mahnte vor Jahren, es mit dem Sparen nicht zu übertreiben. Die öffentliche Hand, sagt er heute, sei auch dafür da, Einrichtungen wie Krankenhäuser zu betreiben. „Aber wenn wir die Möglichkeit haben, gegenzusteuern, dann müssen wir das auch tun.“
Wenn Beyer geht, hinterlässt er eine Uniklinik im Ausbauprozess. Die Zahl der Studierenden wächst, zig Lehrstühle wurden besetzt. Neben dem Thema Umweltmedizin ist Medizininformatik ein Schwerpunkt in Augsburg. Der Computer werde in der Medizin künftig noch stärker als bisher herangezogen werden, um zum Beispiel Bilder aus der Radiologie auszuwerten. Auch bei der Medikamentengabe werde der Computer eine stärkere Rolle spielen. „Ein Programm kann abgleichen, ob die verordnete Medikation sinnvoll ist, auch im Hinblick mit Vorerkrankungen“, so Beyer. Auch Roboter im Operationssaal oder eine Automatisierung bei der Zusammenstellung von Op-bestecken sei absehbar. „Es wird auch darum gehen, Fachpersonal einzusparen, das es gar nicht mehr gibt“, sagt Beyer.
Beyer plädierte zuletzt dafür, dass sich Kliniken in Schwaben besser vernetzen müssten, um unter den veränderten Bedingungen gute Qualität zu liefern. Die Idee ist, dass sich die Uniklinik als Maximalversorger und die Kreiskliniken
in der Region die Behandlungen je nach Art aufteilen. „Wir müssen nicht jeden Blinddarm machen“, so Beyer. Wenn sich einzelne Häuser spezialisieren, könne man dort Schwerpunkte bilden. „Diese Häuser entwickeln höhere Expertise, für die Patienten kann das aber mit längeren Wegen verbunden sein. Gleichzeitig haben wir eine mobile Gesellschaft, und für die Patienten zahlt sich die höhere Qualität aus.“
Eine Nachfolge für Beyer, 66, steht noch nicht fest. Interimsweise wird Dr. Markus Wehler, Chef der Notaufnahme und der IV. Medizinischen Klinik, das Ruder übernehmen. Beyer sagt, er hätte noch gerne weitergemacht, bis sein endgültiger Nachfolger oder Nachfolgerin benannt sei, es sei aber eine Entscheidung des Ministeriums gewesen. Die Vernetzung der Krankenhäuser wird Beyer auch im Ruhestand auf Bitten der Uniklinik weiter vorantreiben. Mehr Zeit wird der Herzchirurg nach 21 Jahren am Klinikum künftig für seine Frau und seine drei Töchter haben.
„Es wird für die nächsten Jahre schwierig“
Prof. Michael Beyer