Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie lange steigen die Preise noch?

Experten rechnen mit Rückgang der Inflation – unter bestimmten Bedingunge­n.

- Von Christian Grimm und Matthias Zimmermann

Berlin Zur Inflation gibt es eine gute und schlechte Nachricht. Die gute: Sie dürfte im nächsten Jahr deutlich nachlassen. Wenn die Konjunktur­experten des gewerkscha­ftsnahen Instituts für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung (IMK) recht behalten, sinkt sie von aktuell fast acht Prozent auf unter drei Prozent im Durchschni­tt des nächsten Jahres. Die schlechte Nachricht: Viele Menschen werden trotzdem sehr genau rechnen müssen, was sie sich noch leisten können. Bei Benzin, Diesel, Gas und Nahrungsmi­ttel zum Beispiel ist keine Entspannun­g in

Ifo-experte Timo Wollmershä­user Sicht. „Sie bleiben teuer, werden aber nicht noch teurer“, sagt Imkdirekto­r Sebastian Dullien unserer Redaktion. Es gibt in seiner Rechnung allerdings mehrere unbekannte Faktoren. Dass sich die Inflation tatsächlic­h abschwächt, ist vor allem an zwei Bedingunge­n gekoppelt: Russland muss weiter Gas liefern und Corona darf nicht mit derartiger Wucht zurückkomm­en, dass ganze Wirtschaft­szweige herunterge­fahren werden müssen. Käme es zu diesem Doppelschl­ag, droht die Teuerung nach Einschätzu­ng der Wissenscha­ftler sogar auf die Marke von zehn Prozent zu klettern. Falls nicht, ist zumindest ein deutliches Nachlassen des Auftriebs in Sicht. „Auch in unseren Prognosen lässt der Preisdruck deutlich nach“, sagt Timo Wollmershä­user, Konjunktur­chef des Ifo-instituts.

Die meisten Experten gehen allerdings davon aus, dass die Löhne nicht stark genug anziehen werden, um die gestiegene­n Lebenshalt­ungskosten vollständi­g auszugleic­hen. Kaufkraftl­ücke lautet der Fachbegrif­f. Was also tun? „Am sinnvollst­en sind wieder staatliche Einmalzusc­hüsse, wie es sie auch dieses Jahr gibt. Das belastet die Staatskass­e nicht dauerhaft wie Steuersenk­ungen“, sagt Dullien. Er ist auch deshalb gegen Steuersenk­ungen, weil davon auch Bürgerinne­n und Bürger profitiere­n würden, die es nicht nötig haben.

Dullien hat sich genau angeschaut, wen die Inflation am härtesten trifft. Das Ergebnis: Familien mit niedrigem Einkommen tragen aktuell die höchste Belastung, Alleinlebe­nde mit hohem Einkommen die geringste. Der Grund für diese Unwucht ist, dass der Grundbedar­f wie Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmi­ttel bei Ärmeren viel stärker ins Gewicht fällt als bei Gutverdien­ern, die ihr Geld auch noch für andere Dinge ausgeben. Deshalb plädiert auch Ifo-experte Wollmershä­user für weitere Entlastung­en: „Wir haben alle Instrument­e dafür bereit, wie den Heizkosten­zuschuss, einen Hartz-ivbonus oder die Energieprä­mie.“

Wirtschaft­sminister Robert Habeck versprach bereits zusätzlich­e Unterstütz­ung. Die SPD ist ebenfalls dafür. Finanzmini­ster Christian Lindner (FDP) steht hingegen vor der Schwierigk­eit, seinen Wunsch nach Einhaltung der Schuldenbr­emse und die raue Wirklichke­it miteinande­r in Einklang zu bringen.

Wenn es schlecht läuft, dann haben Lindner und die anderen Minister aber eine komplett andere Lage. Sie werden dann mit viel Geld gegen eine giftige Mischung aus hoher Inflation und schrumpfen­der Wirtschaft anregieren müssen. Der langjährig­e Wirtschaft­sweise Volker Wieland sieht alarmieren­de Anzeichen dafür, dass das passieren könnte. „Die Rezession ist noch nicht da und es ist auch nicht sicher, dass sie kommt. Aber die Risiken haben zugenommen, wir sehen es ja ganz aktuell beim Gas“, sagt Wieland im Gespräch mit unserer Redaktion, das Sie in der Wirtschaft finden.

„In unseren Prognosen lässt der Preisdruck deutlich nach.“

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