Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die neue Königin der Rechten

Porträt Giorgia Meloni will Italiens erste Ministerpr­äsidentin werden. Dafür fischt sie auch in trüben Gewässern. Schafft sie damit den Sprung an die Regierungs­spitze?

- La Repubblica. Julius Müller-meiningen

„Jeder, der einen Funken Verstand und intellektu­elle Redlichkei­t besitzt, kann nicht ernsthaft behaupten, ich sei eine Gefahr für die Demokratie.“Das sagt Giorgia Meloni. Doch genau als solche sehen manche in Italien sie aber. Als Jugendlich­e war die 45-jährige Politikeri­n in der „Jugendfron­t“aktiv, der Jugendorga­nisation der italienisc­hen Neofaschis­ten, deren Flamme bis heute im Parteiabze­ichen der „Fratelli d’italia“(FDI) brennt. Noch vor vier Jahren waren die „Brüder Italiens“eine Kleinparte­i am rechten politische­n Rand Italiens. Inzwischen ist die Gruppierun­g um Parteichef­in Meloni laut Umfragen die stärkste politische Kraft Italiens. 22 Prozent der Wähler geben an, bei der kommenden Parlaments­wahl im Frühjahr 2023 Meloni ihre Stimme geben zu wollen. Nach den Kommunalwa­hlen vor zwei Wochen trat die gebürtige Römerin und gelernte Journalist­in entspreche­nd selbstbewu­sst auf. Der Meloni-partei gelang, was Beobachter als klaren Stimmungst­rend bewerten: Sie überholte die Lega in vielen norditalie­nischen Gemeinden – und besiegte die Konkurrenz am rechten

Rand damit in deren Stammgebie­t. „Meloni ist die neue Herrin der

Rechten“, titelte

Wird sie nächstes Jahr auch die erste Ministerpr­äsidentin im konservati­ven Italien?

Erst einmal muss sich die frühere Ministerin für Jugend im Kabinett Silvio Berlusconi­s auch Kritik gefallen lassen. Meloni sei zu eigensinni­g und nur auf das Wohl ihrer eigenen Partei bedacht, heißt es aus dem Lager ihres früheren Protegés Berlusconi. Meloni wittert „Frauenfein­dlichkeit“und „Antipathie“. Doch sie teilt auch selbst gerne aus. Gegen die EU, Immigrante­n

oder gleichgesc­hlechtlich­e Adoptivelt­ern, je nachdem.

Italiens Wähler werden derzeit vor allem mit privaten Details über sie gefüttert. In ihrer Autobiogra­fie berichtete sie vom schwierige­n Verhältnis zu ihrem Vater, davon, dass sie als Übergewich­tige in der Schule gemobbt wurde. In Interviews erzählt sie, „dass ich mich immer unzulängli­ch gefühlt habe, als ob das, was ich tue, nie genug wäre“. Nicht ausgeschlo­ssen, dass die unverheira­tete Mutter einer siebenjähr­igen Tochter die nächste Eintagsfli­ege der italienisc­hen Politik wird. Giorgia Meloni ist die Politikeri­n der Stunde, sie wandelt aber auch auf einem schmalen Grat.

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Foto: Imago

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