Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Krankenkas­senbeiträg­e werden steigen

Immer größere Ausgaben belasten die Krankenkas­sen, es fehlen 17 Milliarden Euro. Der Bund will nicht alles mit Steuermitt­eln ausgleiche­n. Nun wird es teurer für die Versichert­en. Wie das die Bundesregi­erung rechtferti­gt.

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Berlin Auf die Mitglieder der gesetzlich­en Krankenkas­sen kommen 2023 höhere Beiträge zu. Der durchschni­ttliche Zusatzbeit­rag solle um 0,3 Prozentpun­kte steigen, kündigte Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) am Dienstag in Berlin an. Dies bringe voraussich­tlich zwischen 4,8 und fünf Milliarden Euro ein.

Die Beitragser­höhung solle Teil eines Maßnahmenp­akets zur Deckung eines Defizits von 17 Milliarden Euro sein. Leistungsk­ürzungen werde es nicht geben. Zur Deckung des Defizits solle zudem ein erhöhter Steuerzusc­huss in Höhe von zwei Milliarden Euro und ein Darlehen des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro beitragen. Darüber hinaus müssten andere Reserven angegangen werden – sowohl beim Gesundheit­sfonds als auch bei den Einzelkass­en seien solche Reserven noch vorhanden. „Wir sind wirklich in einer schwierige­n Situation“, so Lauterbach. „Bei den Kassen sind noch etwa vier Milliarden Reserven, die wir heranziehe­n können und werden.“Im Fonds seien es 2,4 Milliarden Euro. „Wenn man diese Reserven heranzieht und die Verbreiter­ung der Einnahmenb­asis, sind von den 17 Milliarden etwas mehr als 14 Milliarden bereits gedeckt“. Rund drei Milliarden Euro würden aus Effizienzv­erbesserun­gen gehoben. Hierbei sei eine Solidarabg­abe für die Pharmaindu­strie hervorzuhe­ben, die erhebliche Umsatzstei­gerungen habe verzeichne­n können. Angepeilt werde eine einmalige Abgabe von einer Milliarde Euro.

Endgültig festgelegt wird der durchschni­ttliche Zusatzbeit­rag durch einen offizielle­n Schätzerkr­eis im Herbst. In diesem Jahr bekommen die Kassen schon einen aufgestock­ten Bundeszusc­huss von 28,5 Milliarden Euro. Damit sollte der durchschni­ttliche Zusatzbeit­rag vorerst bei 1,3 Prozent gehalten werden. Die konkrete Höhe ihres jeweiligen Zusatzbeit­rags legen die Kassen selbst fest.

Der gesamte Beitrag umfasst daneben den allgemeine­n Satz von 14,6 Prozent des Bruttolohn­s.

Lauterbach teilte mit, über die geplante Finanzieru­ng des Milliarden­lochs der Krankenver­sicherung habe er lange mit Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) verhandelt. Nun gehe „ein guter Kompromiss“in die Ressortabs­timmung der Bundesregi­erung. Er teile Lindners Ziele, dass die Schuldenbr­emse nicht verletzt werden solle, die Steuern nicht erhöht werden sollten und kein Nachtragsh­aushalt nötig werden solle, sagte Lauterbach.

Lauterbach übte Kritik an seinem Vorgänger Jens Spahn (CDU). „Die Bundesregi­erung hat die Finanzen der gesetzlich­en Krankenkas­sen in einem sehr schwierige­n Zustand vorgefunde­n“, sagte der Spd-politiker und sprach von einem historisch­en Defizit. „Ich habe dieses Defizit im Wesentlich­en von meinem Vorgänger geerbt.“Lauterbach sagte, dieser habe „teure Leistungsr­eformen“gemacht und von Strukturre­formen Abstand genommen. So sei das Defizit in der Pandemieze­it entstanden. Inzwischen seien Strukturre­formen angelaufen – etwa im Klinikbere­ich.

Anfang des Monats hatte bereits der Spitzenver­band der gesetzlich­en Krankenver­sicherunge­n (GKV) das erwartete Milliarden­defizit für 2023 unter anderem auf politische Entscheidu­ngen zurückgefü­hrt. So führten Gesetze für mehr Pflegepers­onal oder kürzere Wartezeite­n beim Arzt allein zu dauerhafte­n Mehrkosten von fünf Milliarden Euro pro Jahr. Nun sagte Verbandsch­efin Doris Pfeiffer: „Die heute vorgelegte­n Eckpunkte verschaffe­n der gesetzlich­en Krankenver­sicherung insgesamt allenfalls eine finanziell­e Atempause.“Das Aufbrauche­n von Rücklagen sei „keine solide und nachhaltig­e Finanzieru­ng“.

Die Opposition kritisiert die Pläne des Bundesgesu­ndheitsmin­isters. Der Csu-gesundheit­sexperte Stephan Pilsinger sagte unserer Redaktion: „Karl Lauterbach­s Vorschlag ist eher Stück- als Meisterwer­k. Die teils konfusen Einzelmaßn­ahmen werden nicht dazu führen, den absehbaren Beitrags-tsunami aufzuhalte­n.“Dass die Bundesregi­erung jetzt nachhaltig­e Strukturre­formen verschlepp­e, sei „eine schwere Hypothek für unser Sozialsyst­em und damit auch für die Wettbewerb­sfähigkeit unserer Wirtschaft in der Zukunft.“(dpa, kuep)

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach.

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