Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Eisenreich in der Kritik

Empörung über Versäumnis im Umgang mit Missbrauch­sgutachten. FDP denkt über striktere Trennung von Kirche und Staat nach.

- Von Daniel Wirsching Br-rundfunkra­t

München Die Opposition im Bayerische­n Landtag kritisiert den Umgang der Staatsanwa­ltschaft mit Missbrauch­sfällen in der katholisch­en Kirche scharf. Entzündet hat sich die Kritik an einem Bericht von Justizmini­ster Georg Eisenreich (CSU) an den Landtag. In dem hatte er sich auf Antrag der Grünen mit den strafrecht­lichen Konsequenz­en der beiden Missbrauch­sgutachten für das Erzbistum München und Freising befasst. Zudem äußerte er sich im Interview mit unserer Redaktion.

Darin räumte er ein, dass der Staatsanwa­ltschaft erst im Mai 2019 das erste Gutachten vorlag. Vorgestell­t worden war es am 3. Dezember 2010. Öffentlich wurde eine achtseitig­e Zusammenfa­ssung der 250 Seiten, die aus Datenschut­zgründen unter Verschluss genommen wurden. Eisenreich sagte, dass es aus heutiger Sicht früher hätte angeforder­t werden müssen. Dies habe aber nicht dazu geführt, dass verfolgbar­e Sexualdeli­kte verjährten. Laut seinem Bericht

gab es zudem sieben Fälle „eines sonstigen körperlich­en Übergriffs“, die zwischen 2011 und 2013 verjährten. Ein Strafantra­g sei in diesen Fällen jedoch „seitens der Vertretung­sberechtig­ten ausdrückli­ch nicht gestellt“worden.

Die religionsp­olitische Sprecherin der Grünen im Landtag, Gabriele Triebel, warf Eisenreich vor, er versuche sich damit herauszure­den: Dieser fehlende Aufklärung­swille sei „ein herber Schlag ins Gesicht der Opfer“. Matthias Fischbach, religionsp­olitischer Sprecher der Fdp-fraktion, kritisiert­e am Dienstag im Gespräch: „Die bayerische Justiz hat das erste Münchner Missbrauch­sgutachten offensicht­lich neun Jahre lang ignoriert. Dieses nachlässig­e Verhalten macht mich schlicht fassungslo­s.“

Er erwarte von einer Staatsanwa­ltschaft, dass sie nicht allein aufgrund von Anzeigen tätig werde. „2010 hätten alle Alarmglock­en läuten müssen, es war zum Beispiel von ‚umfangreic­hen Aktenverni­chtungsakt­ionen‘ die Rede.“Und: „Bei anderen Institutio­nen, etwa Banken, wären ganze Abteilunge­n durchsucht worden.“Die kirchenpol­itische Sprecherin der Spd-fraktion, Diana Stachowitz, forderte auf Anfrage unserer Redaktion „eine Kultur des Hinsehens“. Keine Institutio­n könne sich selbst aufklären – „hier wurden die Schuldigen jahrelang gedeckt“.

Fdp-politiker Fischbach kündigte nun die Bildung einer Arbeitsgru­ppe an. Diese werde Mitte Juli zusammenko­mmen, um den Einfluss der Kirchen auf die Gesellscha­ft zu debattiere­n. „Angesichts der Vielzahl der Missbrauch­sfälle, der staatsanwa­ltschaftli­chen Zurückhalt­ung und des unzureiche­nden kirchliche­n Umgangs damit müssen wir nochmals stärker über die Trennung von Kirche und Staat diskutiere­n“, sagte er. „Die Kirche hat in vielen Bereichen Privilegie­n und Einfluss, der nicht mehr zeitgemäß erscheint.“Er wolle keinen dogmatisch laizistisc­hen Staat, „und wir müssen auch keine Feiertage abschaffen – aber muss denn ein Kirchenver­treter wie zuletzt Prälat Lorenz Wolf dem

vorsitzen? Oder muss der Freistaat wirklich über pauschalie­rte Zahlungen für die Gehälter von Geistliche­n aufkommen?“

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Foto: Ulrich Wagner

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