Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Verkehrswende auf dem Bodensee
Die „Artemis“ist das erste Personenschiff mit Elektroantrieb, das auf dem Schwäbischen Meer als Fähre eingesetzt wird. Für die Betreiber ist dies erst der Anfang.
Friedrichshafen Angespannt stehen die drei Schiffsführer in ihrer blauen Uniform vor der Werft in Friedrichshafen. Noch sind die Tore geschlossen. Dahinter in der Halle befindet sich der Anfang der Verkehrswende auf dem Bodensee. Die „Artemis“ist das erste Personenschiff der Bodensee-schiffsbetriebe (BSB) mit Elektroantrieb. Es ist der Tag, an dem sie zu Wasser gelassen wird.
Ab kommender Woche dürfen Rainer Blumenstein, Jürgen Marin und Tobias Kurz den 33 Meter langen Katamaran für Testfahrten über den See lenken. Das Trio steuert in Summe seit über 50 Jahren Bsb-schiffe über das größte Binnengewässer in Deutschland. Aber die „Artemis“, das neue E-schiff, ist für sie auch etwas Besonderes. „Das Schiff gleitet über das Wasser und es wird viel ruhiger sein.“
Ein ganz neues Fahrerlebnis – auch für die Gäste auf der geplanten Route zwischen Mainau und Unteruhldingen. Mit 13 Stundenkilometern soll das Schiff, das noch den Projektnamen „Artemis“trägt, ab Mitte Juli ohne Emissionen über den See schippern. Schiffe mit anderen Antrieben fahren um die 22 Stundenkilometer, erläutert Blumenstein.
Die Energiewende auf dem Bodensee beginnt also gemächlich. Doch die BSB möchte die komplette Flotte in den kommenden Jahren klimaneutral gestalten. Der Wandel soll schnell vorangehen, der Bodensee zu einer Modellregion für umweltfreundliche Schifffahrt werden. Das ist Christoph Witte, technischer Leiter und Mitglied der Bsb-geschäftsführung, ein Anliegen. Auch er steht nervös am Hafen vor der Werft, während sich ganz langsam unter Nebelschwaden und mit lauter Musik die Tore der Halle öffnen und erste Blicke auf das Schiff freigeben.
Die gesamte Schifffahrtsbranche probiert sich in der Dekarbonisierung aus, also dem Abschied von fossilen Energiequellen. Immerhin verursacht die internationale Schifffahrt weltweit drei Prozent aller klimaschädlichen Emissionen. „Das ist so viel, wie Deutschland als Wirtschaftsnation
produziert“, stellt Peter Moller vom Maritimen Cluster Norddeutschland als Vergleich daneben. Er beschäftigt sich intensiv mit dem technischen Wandel, der die Mobilität verändert.
Elektroschiffe erobern in Deutschland vermehrt die Binnengewässer, doch „hinkt Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern hinterher“, so Moller. Vor allem die Norweger würden in ihren Fjorden und Seen auf Elektroantriebe setzen. Allerdings sei dort der Strom durch die vielen Wasserkraftwerke auch günstiger. So ist die „Artemis“– bis auf eine kleine Solarfähre auf dem Untersee – das einzige Personenschiff auf dem Bodensee, das ohne Emissionen auskommt. Sie wird mit grünem Strom geladen; in der Mittagspause dauert es eine Stunde, bis 80 Prozent der Kapazität von 1000 Kilowattstunden aufgeladen sind. Nach Feierabend dauert es zwei Stunden, bis der Akku wieder voll ist. 20 Prozent seiner Energie produziert das Schiff über Solarzellen selbst, sagt BSB-MANN Witte.
Wenn sich der 3,6 Millionen Euro teure Elektro-katamaran bewährt, soll schon bald der Auftrag für einen weiteren folgen. In drei Jahren könnte der Zwillingsbruder „Apollo“dann auch über den See gleiten. Eine entsprechende Vereinbarung gibt es mit der Werft Ostseestaal in Stralsund schon.
Dort wurde das Schiff fast im Zeitplan gebaut. Neun Monate dauerte es von der ersten Aluminiumplatte bis zum fertiggestellten Katamaran. Entworfen und vorgebaut wurde in Stralsund. Seit Februar erfolgte in der Bsb-werft in Friedrichshafen die Endmontage.
Ingo Schillinger ist bei der Werft verantwortlich für das Projekt und aus Stralsund angereist, um die Einwasserung live mitzuerleben. Bei dem neuen Bodenseeschiff sei vor allem die geplante Passagierzahl eine Herausforderung gewesen. So große Schiffe habe die Werft bislang noch nicht gebaut. Vor allem habe es während des Baus Schwierigkeiten gegeben, das Material, das beständig im Preis stieg, zu beschaffen, sagt Schillinger.
Gleich nach der Schiffstaufe am 17. Juli sollen die ersten Passagiere das Schiff erleben dürfen.