Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Klare Kante gegen Russland
Aufstockung der schnellen Einsatzkräfte auf mehr als 300.000. Aufnahme von Schweden und Finnland als neue Mitglieder. Und ein neues strategisches Konzept. Das Bündnis wappnet sich für die wachsende Bedrohung.
Madrid Als die Staats- und Regierungschefs im Madrider Königspalast zusammenkamen und unter goldverzierten Kronleuchtern für die Fotografen posierten, fehlte ausgerechnet der Nato-generalsekretär. Jens Stoltenberg war am Dienstagabend noch immer im Messezentrum am Rande der spanischen Hauptstadt beschäftigt. Nach wochenlangem Ringen um eine Lösung gelang ihm da der größte Erfolg dieses Nato-gipfels: Die Türkei zog das Veto gegen die Beitrittsgesuche von Schweden und Finnland zurück. Am Mittwoch wurde dann offiziell das Verfahren zur Aufnahme der beiden Länder gestartet.
Die Kehrtwende von Präsident Recep Tayyip Erdogan wurde mit Freude aufgenommen, nicht nur bei den Nordeuropäern, sondern vor allem die Allianz zeigte sich erleichtert. Welch fatales Signal hätte die Blockade aus Ankara sonst an den Kreml ausgesendet? Nun konnten die Partner auf dem laut Stoltenberg „historischen Gipfel mitten in der größten Sicherheitskrise seit dem Zweiten Weltkrieg“jene Geschlossenheit demonstrieren, die sie seit der Invasion der russischen Truppen in die Ukraine beschwören. Mehr noch: Die Zusammenkunft sollte „einen grundlegenden Wandel in unserer Verteidigung und Abschreckung“markieren. Der Us-präsident sprach von einem „historischen“Gipfel.
Er stand ganz unter dem Eindruck des Krieges, die Analysen klangen dementsprechend düster. „Die Russische Föderation ist die größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum“, heißt es im neuen „Strategischen Konzept“, das die Mitgliedstaaten beschlossen und mit dem die Nato die Weichen für die Zukunft neu stellt. Es werde „die Blaupause für die Nato in einer gefährlicheren und unberechenbareren Welt sein“, sagte Stoltenberg. Der Leitgedanke: Abschreckung durch Aufrüstung. Man könne „einen Angriff auf die Souveränität und die territoriale Integrität der Alliierten nicht mehr ausschließen“, schrieben die Partner und versprachen gleichwohl: Man werde „stets jeden Zentimeter des Bündnis-gebiets“verteidigen.
Die Antwort der Verbündeten auf Russlands Kriegspolitik besteht zum einen darin, die Ostflanke massiv zu stärken – zu Wasser, auf dem Boden und in der Luft. Zum anderen will man deutlich mehr Truppen als bisher in erhöhte Bereitschaft versetzen. Um flexibler reagieren zu können, soll etwa die schnelle Eingreiftruppe NRF, die aktuell aus rund 40.000 Soldaten besteht, auf mehr als 300.000 Soldatinnen und Soldaten verachtfacht werden.
Außerdem sagte das Bündnis der Ukraine weitere Hilfen zu. Die Botschaft, so versprach der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz, laute: Man werde die Unterstützung so lange und auch so intensiv fortsetzen, wie es notwendig sei, „damit die Ukraine sich verteidigen kann“. So gaben Deutschland und die Niederlande etwa bekannt, zusammen sechs weitere Panzerhaubitzen zu liefern, sodass die Ukraine insgesamt 18 Stück des Waffensystems erhalten.