Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Anwalt landet wegen Äußerung vor Gericht
Ein Strafverteidiger möchte in Gablingen seinen Mandanten besuchen und gerät dort in ein Wortgefecht mit einem Mitarbeiter des Gefängnisses. Der Jurist wird dadurch selbst zum Angeklagten.
Ein ungewöhnlicher Prozess fand nun am Augsburger Amtsgericht statt. Angeklagt: Ein 50-jähriger Anwalt, der einen Justizbeamten beim Gefängnis in Gablingen beleidigt haben soll. Ein Strafbefehl sah ursprünglich eine Geldstrafe von 7500 Euro vor. Doch nun ist der Fall vom Tisch.
März 2020, die Corona-pandemie sorgte nahezu täglich für neue Bewertungen und Maßnahmen. Eine davon: Laut Ministeriumsbeschluss dürfen Gefängnisse aus Gründen des Infektionsschutzes von Besuchern nur noch betreten werden, wenn diese zuvor einen Fragebogen ausgefüllt haben, aus dem neben dem Namen und der zu besuchenden Person auch hervorgeht, ob man in den vergangenen zwei Wochen im Ausland gewesen sei, etwa Norditalien, Frankreich, der Schweiz, oder Kontakt mit Menschen aus diesen Regionen gehabt habe. Wissen will dies im konkreten Fall ein 45-jähriger Justizbeamter mit Mund-nasenschutz, der an diesem kalten Märztag in einem provisorisch installierten Schalter in einem Transporter neben der Gefängnispforte sitzt. Diesem Beamten gegenüber äußerte der Angeklagte fragend, ob er auch einer dieser paranoiden Menschen sei. Darüber hinaus verweigerte der 50-Jährige die geforderten Angaben; er werde seinen Einlass ins Gefängnis erwirken, weil er angemeldet sei.
Ein Irrtum, denn wenig später wird dem Rechtsanwalt von der Gefängnispforte wegen des fehlenden Auskunftsbogens der Zutritt verwehrt. Außerdem, so der Anwalt, sei ihm – nicht wahrheitsgetreu – ausgerichtet worden, sein
Mandant, den er im Gefängnis besuchen wollte, wolle ihn gar nicht sprechen.
Nachdem also dem Angeklagten der Zugang zum Gablinger Gefängnis verweigert worden war, sei von den Verantwortlichen ein Bericht über den Vorgang angefordert worden, erklärte der Justizbeamte
im Zeugenstand. Seine entsprechende Stellungnahme mit der Paranoid-äußerung habe letztlich zur Anzeige wegen Beleidigung und zum Strafbefehl gegen den Anwalt geführt, wogegen der wiederum Einspruch erhoben hatte. Die Beweisaufnahme vor Amtsrichterin Silke Knigge ließ Zweifel entstehen an der Verhältnismäßigkeit des 7500-Euro-strafbefehls. Zwar, so der Justizbeamte, habe er sich sehr wohl persönlich beleidigt gefühlt, indem er als paranoid bezeichnet worden sei, wo er doch nur seine Pflicht erfüllt habe. Der Wortlaut des beanstandeten Satzes ließ aber offen, ob nicht vor allem die ministerielle Maßnahme der Auskunftserhebung Ziel der „Spontan-äußerung“des Angeklagten gewesen sei. Das hatte dessen Verteidiger Adam Ahmed ins Feld geführt.
Dann stellte sich vor Gericht heraus, dass es auch eine launige Antwort des Justizbeamten auf die Frage des Angeklagten gegeben habe, die aber nicht in die Stellungnahme eingegangen ist. Warum nicht, konnte der Zeuge jetzt nicht mehr erklären. Auf dem Wege der Absprache zogen Richterin Knigge, der Angeklagte und sein Verteidiger sowie Staatsanwalt Dennis Ogul den Paragrafen 153 der Strafprozessordnung „Absehen bei der Verfolgung wegen Geringfügigkeit“in Betracht. Zwar sei die Aussage des Angeklagten dem Justizbeamten gegenüber wohl als „patzig“zu bezeichnen, so Staatsanwalt Ogul, aber auch er sah das Delikt aus der Corona-anfangszeit mit ihren beinahe täglichen Neuerungen als nicht erheblich an.
Noch ein zweites Bußgeld, 750 Euro, wurde in diesem Zusammenhang per Beschluss von Richterin Knigge vom Tisch geräumt: Der Angeklagte hatte gegenüber der Staatsanwaltschaft seine Personalien in der Angelegenheit verweigert, weil er nach eigenen Worten keinen Verdacht auf eine Straftat durch ihn selbst gesehen habe. Auch hier kam der Geringfügigkeitsparagraf zur Anwendung.