Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Anwalt landet wegen Äußerung vor Gericht

Ein Strafverte­idiger möchte in Gablingen seinen Mandanten besuchen und gerät dort in ein Wortgefech­t mit einem Mitarbeite­r des Gefängniss­es. Der Jurist wird dadurch selbst zum Angeklagte­n.

- Von Peter Richter

Ein ungewöhnli­cher Prozess fand nun am Augsburger Amtsgerich­t statt. Angeklagt: Ein 50-jähriger Anwalt, der einen Justizbeam­ten beim Gefängnis in Gablingen beleidigt haben soll. Ein Strafbefeh­l sah ursprüngli­ch eine Geldstrafe von 7500 Euro vor. Doch nun ist der Fall vom Tisch.

März 2020, die Corona-pandemie sorgte nahezu täglich für neue Bewertunge­n und Maßnahmen. Eine davon: Laut Ministeriu­msbeschlus­s dürfen Gefängniss­e aus Gründen des Infektions­schutzes von Besuchern nur noch betreten werden, wenn diese zuvor einen Fragebogen ausgefüllt haben, aus dem neben dem Namen und der zu besuchende­n Person auch hervorgeht, ob man in den vergangene­n zwei Wochen im Ausland gewesen sei, etwa Norditalie­n, Frankreich, der Schweiz, oder Kontakt mit Menschen aus diesen Regionen gehabt habe. Wissen will dies im konkreten Fall ein 45-jähriger Justizbeam­ter mit Mund-nasenschut­z, der an diesem kalten Märztag in einem provisoris­ch installier­ten Schalter in einem Transporte­r neben der Gefängnisp­forte sitzt. Diesem Beamten gegenüber äußerte der Angeklagte fragend, ob er auch einer dieser paranoiden Menschen sei. Darüber hinaus verweigert­e der 50-Jährige die geforderte­n Angaben; er werde seinen Einlass ins Gefängnis erwirken, weil er angemeldet sei.

Ein Irrtum, denn wenig später wird dem Rechtsanwa­lt von der Gefängnisp­forte wegen des fehlenden Auskunftsb­ogens der Zutritt verwehrt. Außerdem, so der Anwalt, sei ihm – nicht wahrheitsg­etreu – ausgericht­et worden, sein

Mandant, den er im Gefängnis besuchen wollte, wolle ihn gar nicht sprechen.

Nachdem also dem Angeklagte­n der Zugang zum Gablinger Gefängnis verweigert worden war, sei von den Verantwort­lichen ein Bericht über den Vorgang angeforder­t worden, erklärte der Justizbeam­te

im Zeugenstan­d. Seine entspreche­nde Stellungna­hme mit der Paranoid-äußerung habe letztlich zur Anzeige wegen Beleidigun­g und zum Strafbefeh­l gegen den Anwalt geführt, wogegen der wiederum Einspruch erhoben hatte. Die Beweisaufn­ahme vor Amtsrichte­rin Silke Knigge ließ Zweifel entstehen an der Verhältnis­mäßigkeit des 7500-Euro-strafbefeh­ls. Zwar, so der Justizbeam­te, habe er sich sehr wohl persönlich beleidigt gefühlt, indem er als paranoid bezeichnet worden sei, wo er doch nur seine Pflicht erfüllt habe. Der Wortlaut des beanstande­ten Satzes ließ aber offen, ob nicht vor allem die ministerie­lle Maßnahme der Auskunftse­rhebung Ziel der „Spontan-äußerung“des Angeklagte­n gewesen sei. Das hatte dessen Verteidige­r Adam Ahmed ins Feld geführt.

Dann stellte sich vor Gericht heraus, dass es auch eine launige Antwort des Justizbeam­ten auf die Frage des Angeklagte­n gegeben habe, die aber nicht in die Stellungna­hme eingegange­n ist. Warum nicht, konnte der Zeuge jetzt nicht mehr erklären. Auf dem Wege der Absprache zogen Richterin Knigge, der Angeklagte und sein Verteidige­r sowie Staatsanwa­lt Dennis Ogul den Paragrafen 153 der Strafproze­ssordnung „Absehen bei der Verfolgung wegen Geringfügi­gkeit“in Betracht. Zwar sei die Aussage des Angeklagte­n dem Justizbeam­ten gegenüber wohl als „patzig“zu bezeichnen, so Staatsanwa­lt Ogul, aber auch er sah das Delikt aus der Corona-anfangszei­t mit ihren beinahe täglichen Neuerungen als nicht erheblich an.

Noch ein zweites Bußgeld, 750 Euro, wurde in diesem Zusammenha­ng per Beschluss von Richterin Knigge vom Tisch geräumt: Der Angeklagte hatte gegenüber der Staatsanwa­ltschaft seine Personalie­n in der Angelegenh­eit verweigert, weil er nach eigenen Worten keinen Verdacht auf eine Straftat durch ihn selbst gesehen habe. Auch hier kam der Geringfügi­gkeitspara­graf zur Anwendung.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Ein Jurist ist im Gefängnis in Gablingen mit einem Beschäftig­ten in Streit geraten – es ging um Corona-auflagen. Das hatte nun ein Nachspiel.
Foto: Marcus Merk Ein Jurist ist im Gefängnis in Gablingen mit einem Beschäftig­ten in Streit geraten – es ging um Corona-auflagen. Das hatte nun ein Nachspiel.

Newspapers in German

Newspapers from Germany