Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bremsen die Gemeinden den Solarausbau?
Die Bundesregierung will bei dem Ausbau erneuerbarer Energien das Tempo verdreifachen. Bayern sieht sich als sonnenstarkes Land. Beste Voraussetzungen? Nicht wirklich, klagen Unternehmer und sehen dafür einen Grund.
Augsburg Nehmen wir das Beispiel Reichling. Der kleine Ort im Landkreis Landsberg ist wunderschön gelegen, der Blick öffnet sich in Richtung Berge. Hier hätte auf einem Feld eine Solaranlage entstehen können, die erneuerbaren Strom erzeugt. Geplant hatte das Projekt das Unternehmen Ökostrom 24 aus Bad Wörishofen, das bereits größere Freiflächenanlagen in der Umgebung errichtet hat. Mit dem Grundstückseigentümer sei man sich bereits einig gewesen, berichtete unlängst der Geschäftsführer und frühere Journalist Günther Vollath. „Das Ortsbild der Gemeinde hätte sich nicht verändert, da das fünf Megawatt große Solarfeld in der Nähe einer außerhalb des Ortes gelegenen Motocross-strecke entstehen sollte“, meinte er. „Doch der Gemeinderat lehnte das Vorhaben ohne nähere Begründung einstimmig ab“, berichtet er. Nachfragen seien zurückgewiesen worden. Kann es sein, dass Photovoltaik in zahlreichen Gemeinden in Bayern gar nicht so willkommen ist, obwohl die Staatsregierung in München den Freistaat zwar nicht als windreiches, dafür aber sonniges Bundesland darstellt?
Dass es in Bayern nicht überall leicht ist, Photovoltaikanlagen zu bauen, diese Erfahrung hat auch Tobias Mader gemacht. Mader, 53, ist ein Vorkämpfer der Energiewende und kann interessante Zahlen vorlegen. Seit 1993 ist er in diesem Bereich aktiv, als die erneuerbaren Energien noch in den Kinderschuhen steckten. Sein Unternehmen, die Volllast Gmbh aus Schwabsoien im Kreis Weilheimschongau realisiert regenerative Energieprojekte. Begonnen hat er mit Windenergie im Norden, heute sind er und seine zwölf Beschäftigten spezialisiert auf Freiflächenphotovoltaikanlagen. Eigentlich, könnte man meinen, müsste man dem Team in Zeiten der Energieknappheit Tür und Tor öffnen. Solaranlagen machen keinen Lärm, erzeugen keine Abgase und die Sonne – wie Ökopioniere sagen – schickt keine Rechnung. Doch weit gefehlt.
Schreibt Tobias Mader bayerische Gemeinden an, kann er mit großer Wahrscheinlichkeit mit einer Ablehnung rechnen. „Von 70 Projekten, für die wir letztes Jahr Gemeinden angefragt haben, sind 62 abgelehnt worden,“berichtet er. Teilweise seien die Begründungen haarsträubend.
Tobias Mader und sein Team planen und koordinieren den Bau großer Photovoltaikanlagen, wie man sie entlang von Autobahnen oder auf Feldern sieht. Das Unternehmen prüft, welche Gemeinden für Photovoltaik infrage kommen, fragt an, ob Interesse besteht, fährt hin und stellt die Möglichkeiten vor. Wird eine Anlage gebaut, geschieht es häufig für Landwirte und regionale Energieunternehmen, die investieren wollen. Die Liste seiner Projekte in der Region ist lang. Die Firma bleibt meist als Gesellschafter zu einem Teil an Bord, schließlich muss eine Anlage im Laufe der Jahre gewartet und betreut werden.
In den meisten Kommunen aber stößt das Unternehmen auf wenig Interesse, berichtet Mader. „Es scheint mir, dass in manchen Gemeinden aus Unwissenheit die Angst groß ist, dass Heuschrecken kommen und Unternehmen sie ausbeuten wollen“, erklärt er. Manche Gemeinden schrauben auch die Anforderungen hoch. Dann werden zum Beispiel Konzessionsabgaben von 1000 Euro pro Jahr verlangt, berichtet Mader. „Das macht man bei keinem Bäcker“, sagt er. „In der Photovoltaik wird es einfach gefordert.“
Dabei wären die Chancen für die Gemeinden sehr gut, von Freiflächenanlagen zu profitieren, erklärt der Unternehmer. Die Anlagen bringen Gewerbesteuer und das neue Erneuerbare-energien-gesetz ermöglicht inzwischen Zahlungen an die Gemeinde. „Pro Hektar können dies circa 2000 Euro pro Jahr sein“, sagt Mader. Denkbar wäre es auch, die Bürgerinnen und Bürger direkt zu beteiligen oder den Strom lokal zu nutzen. „Wenn man dagegen alles wegdiskutiert, schlecht redet und auf den Sankt Nimmerleinstag verschiebt, kommt die Energiewende nie voran“, kritisiert er. Gäbe es einen Ausweg?
Der Unternehmer ist überzeugt, dass Gemeinden stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Für die Windkraft mussten die Gemeinden einst Vorrangflächen ausweisen. „Es wäre gut, wenn auch die Kommunen eine bestimmte Flächenanzahl für die Photovoltaik ausweisen müssten“, sagt Mader. „Hier muss mehr Druck von der Bundes- oder Landesregierung kommen.“Ähnlich sieht es Vollath: „Der Ausbau der Erneuerbaren wird nur Fahrt aufnehmen, wenn die Kommunen klare Vorgaben bekommen und definierte Ausbauziele ermöglichen müssen.“
Ein Problem sei nämlich, dass die Projekte Zeit brauchen: „Man darf nicht vergessen, dass selbst bei einem positiven Bescheid für den Bau einer Freiflächensolaranlage gut eineinhalb Jahre vergehen, bis die Anlage am Netz ist und Strom liefert“, sagt Vollath. „Ich denke, uns läuft die Zeit davon, wie die aktuelle Energiekrise zeigt“, erklärt er. „Diese Zeiträume müssen deutlich verkürzt werden. An den Investoren liegt es definitiv nicht. Es ist eine ausufernde und zum Teil völlig sinnfreie Bürokratie, die alles bremst.“
Wie steht die Gemeinde Reichling zu der Kritik? Tatsächlich hat der Gemeinderat dem Projekt bisher nicht zugestimmt. „Der Gemeinderat trifft zu dem vorgelegten Vorhaben vorerst keine endgültige Entscheidung“, heißt es im Protokoll der Sitzung. Die Gemeinde will sich zunächst gründlicher mit dem Thema beschäftigen: „Als nächster Schritt möchte sich der Gemeinderat ein Konzept in Bezug auf geeignete Flächen erarbeiten“, heißt es weiter.
Der Bayerische Bauernverband sieht den Ausbau der Photovoltaik auf landwirtschaftlichen Flächen kritisch. Priorität müssten Dachanlagen haben. Auch in Reichling gab es diesen Kurs: „Bis dato wurden alle Photovoltaikfreiflächen aus Rücksichtnahme auf Landwirte nicht genehmigt – und in der vorherigen Legislaturperiode gab es einen Grundsatzbeschluss, diese überhaupt nicht zu bewilligen“, berichtete Bürgermeister Johannes Leis. Dass man jetzt das Thema prüft, sei ein Zeichen, dass sich etwas bewege.
Von 70 Projekten wurden 62 abgelehnt