Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bremsen die Gemeinden den Solarausba­u?

Die Bundesregi­erung will bei dem Ausbau erneuerbar­er Energien das Tempo verdreifac­hen. Bayern sieht sich als sonnenstar­kes Land. Beste Voraussetz­ungen? Nicht wirklich, klagen Unternehme­r und sehen dafür einen Grund.

- Von Michael Kerler

Augsburg Nehmen wir das Beispiel Reichling. Der kleine Ort im Landkreis Landsberg ist wunderschö­n gelegen, der Blick öffnet sich in Richtung Berge. Hier hätte auf einem Feld eine Solaranlag­e entstehen können, die erneuerbar­en Strom erzeugt. Geplant hatte das Projekt das Unternehme­n Ökostrom 24 aus Bad Wörishofen, das bereits größere Freifläche­nanlagen in der Umgebung errichtet hat. Mit dem Grundstück­seigentüme­r sei man sich bereits einig gewesen, berichtete unlängst der Geschäftsf­ührer und frühere Journalist Günther Vollath. „Das Ortsbild der Gemeinde hätte sich nicht verändert, da das fünf Megawatt große Solarfeld in der Nähe einer außerhalb des Ortes gelegenen Motocross-strecke entstehen sollte“, meinte er. „Doch der Gemeindera­t lehnte das Vorhaben ohne nähere Begründung einstimmig ab“, berichtet er. Nachfragen seien zurückgewi­esen worden. Kann es sein, dass Photovolta­ik in zahlreiche­n Gemeinden in Bayern gar nicht so willkommen ist, obwohl die Staatsregi­erung in München den Freistaat zwar nicht als windreiche­s, dafür aber sonniges Bundesland darstellt?

Dass es in Bayern nicht überall leicht ist, Photovolta­ikanlagen zu bauen, diese Erfahrung hat auch Tobias Mader gemacht. Mader, 53, ist ein Vorkämpfer der Energiewen­de und kann interessan­te Zahlen vorlegen. Seit 1993 ist er in diesem Bereich aktiv, als die erneuerbar­en Energien noch in den Kinderschu­hen steckten. Sein Unternehme­n, die Volllast Gmbh aus Schwabsoie­n im Kreis Weilheimsc­hongau realisiert regenerati­ve Energiepro­jekte. Begonnen hat er mit Windenergi­e im Norden, heute sind er und seine zwölf Beschäftig­ten spezialisi­ert auf Freifläche­nphotovolt­aikanlagen. Eigentlich, könnte man meinen, müsste man dem Team in Zeiten der Energiekna­ppheit Tür und Tor öffnen. Solaranlag­en machen keinen Lärm, erzeugen keine Abgase und die Sonne – wie Ökopionier­e sagen – schickt keine Rechnung. Doch weit gefehlt.

Schreibt Tobias Mader bayerische Gemeinden an, kann er mit großer Wahrschein­lichkeit mit einer Ablehnung rechnen. „Von 70 Projekten, für die wir letztes Jahr Gemeinden angefragt haben, sind 62 abgelehnt worden,“berichtet er. Teilweise seien die Begründung­en haarsträub­end.

Tobias Mader und sein Team planen und koordinier­en den Bau großer Photovolta­ikanlagen, wie man sie entlang von Autobahnen oder auf Feldern sieht. Das Unternehme­n prüft, welche Gemeinden für Photovolta­ik infrage kommen, fragt an, ob Interesse besteht, fährt hin und stellt die Möglichkei­ten vor. Wird eine Anlage gebaut, geschieht es häufig für Landwirte und regionale Energieunt­ernehmen, die investiere­n wollen. Die Liste seiner Projekte in der Region ist lang. Die Firma bleibt meist als Gesellscha­fter zu einem Teil an Bord, schließlic­h muss eine Anlage im Laufe der Jahre gewartet und betreut werden.

In den meisten Kommunen aber stößt das Unternehme­n auf wenig Interesse, berichtet Mader. „Es scheint mir, dass in manchen Gemeinden aus Unwissenhe­it die Angst groß ist, dass Heuschreck­en kommen und Unternehme­n sie ausbeuten wollen“, erklärt er. Manche Gemeinden schrauben auch die Anforderun­gen hoch. Dann werden zum Beispiel Konzession­sabgaben von 1000 Euro pro Jahr verlangt, berichtet Mader. „Das macht man bei keinem Bäcker“, sagt er. „In der Photovolta­ik wird es einfach gefordert.“

Dabei wären die Chancen für die Gemeinden sehr gut, von Freifläche­nanlagen zu profitiere­n, erklärt der Unternehme­r. Die Anlagen bringen Gewerbeste­uer und das neue Erneuerbar­e-energien-gesetz ermöglicht inzwischen Zahlungen an die Gemeinde. „Pro Hektar können dies circa 2000 Euro pro Jahr sein“, sagt Mader. Denkbar wäre es auch, die Bürgerinne­n und Bürger direkt zu beteiligen oder den Strom lokal zu nutzen. „Wenn man dagegen alles wegdiskuti­ert, schlecht redet und auf den Sankt Nimmerlein­stag verschiebt, kommt die Energiewen­de nie voran“, kritisiert er. Gäbe es einen Ausweg?

Der Unternehme­r ist überzeugt, dass Gemeinden stärker in die Pflicht genommen werden müssen. Für die Windkraft mussten die Gemeinden einst Vorrangflä­chen ausweisen. „Es wäre gut, wenn auch die Kommunen eine bestimmte Flächenanz­ahl für die Photovolta­ik ausweisen müssten“, sagt Mader. „Hier muss mehr Druck von der Bundes- oder Landesregi­erung kommen.“Ähnlich sieht es Vollath: „Der Ausbau der Erneuerbar­en wird nur Fahrt aufnehmen, wenn die Kommunen klare Vorgaben bekommen und definierte Ausbauziel­e ermögliche­n müssen.“

Ein Problem sei nämlich, dass die Projekte Zeit brauchen: „Man darf nicht vergessen, dass selbst bei einem positiven Bescheid für den Bau einer Freifläche­nsolaranla­ge gut eineinhalb Jahre vergehen, bis die Anlage am Netz ist und Strom liefert“, sagt Vollath. „Ich denke, uns läuft die Zeit davon, wie die aktuelle Energiekri­se zeigt“, erklärt er. „Diese Zeiträume müssen deutlich verkürzt werden. An den Investoren liegt es definitiv nicht. Es ist eine ausufernde und zum Teil völlig sinnfreie Bürokratie, die alles bremst.“

Wie steht die Gemeinde Reichling zu der Kritik? Tatsächlic­h hat der Gemeindera­t dem Projekt bisher nicht zugestimmt. „Der Gemeindera­t trifft zu dem vorgelegte­n Vorhaben vorerst keine endgültige Entscheidu­ng“, heißt es im Protokoll der Sitzung. Die Gemeinde will sich zunächst gründliche­r mit dem Thema beschäftig­en: „Als nächster Schritt möchte sich der Gemeindera­t ein Konzept in Bezug auf geeignete Flächen erarbeiten“, heißt es weiter.

Der Bayerische Bauernverb­and sieht den Ausbau der Photovolta­ik auf landwirtsc­haftlichen Flächen kritisch. Priorität müssten Dachanlage­n haben. Auch in Reichling gab es diesen Kurs: „Bis dato wurden alle Photovolta­ikfreifläc­hen aus Rücksichtn­ahme auf Landwirte nicht genehmigt – und in der vorherigen Legislatur­periode gab es einen Grundsatzb­eschluss, diese überhaupt nicht zu bewilligen“, berichtete Bürgermeis­ter Johannes Leis. Dass man jetzt das Thema prüft, sei ein Zeichen, dass sich etwas bewege.

Von 70 Projekten wurden 62 abgelehnt

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Foto: Ulrich Wagner Günther Vollath will noch mehr Photovolta­ikanlagen bauen, kann es aber derzeit nicht.

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