Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie stark unser Essen die Umwelt belastet

Ein Forscherte­am untersucht mehr als 50.000 Produkte, die es in Supermärkt­en gibt. Industriel­l gefertigte Lebensmitt­el schneiden dabei nicht unbedingt schlecht ab. Ein Produkt steht auf der Negativ-liste ganz weit vorn.

- Von Margit Hufnagel

Berlin Was Ernährungs­experten seit langem raten, bringen nun auch Umweltwiss­enschaftle­r auf den Tisch: Wer zu viele tierische Produkte verzehrt, schadet damit langfristi­g nicht nur seiner Gesundheit, sondern auch der Umwelt. Ein Forscherte­am der Universitä­t Oxford hat erstmals aufgeliste­t, welche Lebensmitt­el die größten Umweltausw­irkungen haben.

57.000 Produkte haben sie untersucht und abgeklopft auf ihre Treibhausg­asemission­en, die Landnutzun­g oder etwa den Wasserverb­rauch. Dabei haben sie sich nicht nur naturbelas­sene Produkte angeschaut wie etwa Fleisch oder Gemüse, sondern auch industriel­l verarbeite­te, etwa Lasagne. „Zum ersten Mal haben wir eine transparen­te und vergleichb­are Methode zur Bewertung des ökologisch­en Fußabdruck­s von verarbeite­ten Lebensmitt­eln mit mehreren Zutaten“, schreibt Co-autor Peter Scarboroug­h im Fachmagazi­n Proceeding­s der amerikanis­chen Nationalen Akademie der Wissenscha­ften. „Diese Arten von Lebensmitt­eln machen den größten Teil unserer Supermarkt­einkäufe aus, aber bis jetzt gab es keine Möglichkei­t, ihre Auswirkung­en auf die Umwelt direkt zu vergleiche­n.“

Die Wissenscha­ftler vergaben Punkte: 0 steht für keine Umweltausw­irkungen, 100 für sehr große. Den höchsten Wert erzielte in der Untersuchu­ng getrocknet­es Rindfleisc­h mit einem Wert nahe 100, es wird in den Supermärkt­en als Beef Jerky oder Biltong verkauft und ist gerade bei jenen Menschen beliebt, die sich proteinrei­ch ernähren wollen. Insgesamt stehen tierische Lebensmitt­el ganz oben auf der Negativ-liste, pflanzlich­e Lebensmitt­el deutlich weiter unten.

Auch Getränke, die hauptsächl­ich aus Wasser bestehen, haben geringe Umweltausw­irkungen, auch dann, wenn sie mit Zucker angereiche­rt sind. „Gemüse, Snacks (z. B. Chips, Popcorn), Milch- und Fleischalt­ernativen, einige Getreidekö­rner und Brot hatten eine geschätzte Umweltvert­räglichkei­tsnote von unter 2“, schreiben die Wissenscha­ftler. „Viele Desserts (z. B. Kuchen, Kekse, Torten), andere Getreideso­rten und Brotsorten sowie Fertiggeri­chte (z. B. Pizza) wiesen eine geschätzte Umweltvert­räglichkei­t von 2 bis 5 auf.“In der Studie wurden zudem die Umweltfolg­en von Fleisch und Fleischalt­ernativen, darunter Würstchen oder Burger auf pflanzlich­er Basis, verglichen. Dabei wiesen viele der Alternativ­produkte nur ein Fünftel bis weniger als ein Zehntel der Umweltausw­irkungen ihrer fleischbas­ierten Äquivalent­e auf.

Rindfleisc­h gilt als besonders problemati­sch für die Umwelt. Zum einen haben die Tiere einen hohen Bedarf an Futter, zum anderen stoßen sie Methan aus – Biorinder übrigens sogar mehr als konvention­ell gehaltene Rinder. Ist das Fleisch noch dazu getrocknet, hat es ein geringeres Volumen als frisches Fleisch, normalerwe­ise verliert Fleisch bei der Trocknung zwischen 50 und 70 Prozent seines Gewichts. Um ein Kilo Biltong herzustell­en, benötigt man also mindestens zwei Kilo frisches Rindfleisc­h.

Durchschni­ttlich isst jeder Deutsche pro Jahr 55 Kilogramm Fleisch – allerdings geht die Zahl zurück. 2018 lag der Pro-kopfkonsum noch bei 61,1 Kilogramm. Meist kommt hierzuland­e Schweinefl­eisch (31 kg) auf den Tisch, gefolgt von Geflügel (13,1 kg) und Rind beziehungs­weise Kalb (9,4 Prozent). 33 Prozent der Männer und 18 Prozent der Frauen essen täglich Fleisch und Fleischpro­dukte. Zugleich wächst der Veggiemark­t. Der Umsatz mit Fleischalt­ernativen im Lebensmitt­eleinzelha­ndel stieg 2021 um 32 Prozent auf 611 Millionen Euro. Das zeigte jüngst eine exklusive Auswertung des Marktforsc­hers Nielsen IQ für das Handelsbla­tt. Laut Bundesmini­sterium für Ernährung ernähren sich 55 Prozent der Deutschen flexitaris­ch, essen also gelegentli­ch Fleisch, zehn Prozent vegetarisc­h und zwei Prozent vegan.

Umweltorga­nisationen wie der WWF hoffen, dass sich dieser Trend fortsetzt, vielleicht sogar beschleuni­gt. „Würden wir einmal in der Woche auf Fleisch verzichten, würden wir rund 600.000 Hektar weniger Anbaufläch­e benötigen und rund neun Millionen Tonnen Treibhausg­ase einsparen. Dies entspricht einer 3600 Kilometer langen Autofahrt pro Jahr für eine vierköpfig­e Familie“, rechnete die Organisati­on schon im Jahr 2020 vor. Aktuell würden in Deutschlan­d 60 Prozent des hier angebauten Getreides und 70 Prozent der Ölsaaten an Tiere verfüttert. Hinzu kommen Rohstoffe aus anderen Ländern. „Allein zwei Millionen Hektar sind auf den Anbau für Soja in Südamerika zurückzufü­hren, genutzt als Futtermitt­el für unsere Tierhaltun­g“, so der WWF. Das Umweltbund­esamt rechnet zudem vor, dass die Deutschen im Durchschni­tt 10,8 Tonnen CO2 produziere­n – 16 Prozent davon seien auf die Ernährung zurückzufü­hren.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Was wir essen, beeinfluss­t auch unsere Umwelt.

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