Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Sticheln im Sommerloch

Schon fad in München, wenn der politische Gegner gerade urlaubt. Aber es gibt ja noch andere Adressaten für besondere Botschafte­n. Reingehört bei CSU und Freien Wählern.

- Von Andreas Frei

München Das reine Sommerloch – Rudi Carrell würde hinzufügen: wie es früher einmal war – gibt es nicht mehr. Politik ist immer, in diesen unruhigen Zeiten erst recht. Und trotzdem fährt der parlamenta­rische Betrieb in München auch in diesem August bemerkensw­ert konsequent herunter. Im Landtag wird nicht an Gesetzen, dafür auf diversen Baustellen gearbeitet, in den Ministerie­n hält eine Rumpftrupp­e Stallwache. Es kann recht fad werden, wenn der politische Gegner in der toskanisch­en Absenz weilt. Da passiert es schon mal, dass stichelnde Botschafte­n – irgendwo müssen sie ja hin – bei der eigenen Partei, gar dem eigenen Chef, zumindest aber beim Koalitions­partner landen.

Den Anfang machte am Montag Hubert Aiwanger. In einem Interview mit der Bild bezeichnet­e der bayerische Wirtschaft­sminister und Chef der Freien Wähler die umstritten­e Abstandsre­gel für Windräder als „Fehler“. Natürlich war diese Frotzelei an die CSU gerichtet, schließlic­h geht die 10H-vorschrift auf den früheren Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer zurück. Die Christsozi­alen hätten ja immerhin jetzt „eingeschwe­nkt“und „die Realität erkannt“, ergänzte Aiwanger noch.

Nun hat diese Stichelei nicht allzu viel Raum im politische­n Sommerloch ausgefüllt. Zum einen, weil das Bayernvolk seinen Aiwanger und dessen Liebe zu kleinen und größeren Spitzen kennt. Zum anderen, weil die Freien Wähler schon lange eine, sagen wir, deutlich pragmatisc­here Haltung zum Thema Windkraft vertreten. Aber die Woche fing ja erst an.

Schon viel mehr Eindruck hinterließ ein Gespräch von Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner mit Zeit

Online, das am Mittwoch veröffentl­icht wurde. Ihr ging es unter anderem um den Widerstand der CSU gegen den Bau neuer Stromtrass­en, was – analog zu Aiwangers 10H-kritik – ebenfalls ein Fehler gewesen sei. Auch dies in Richtung Seehofer gemünzt. Aber das war es nicht allein.

Bei Aigner kommt erstens erschweren­d hinzu: Sie ist selbst in der CSU, im Vorstand, im Präsidium, führt seit elf Jahren den mitglieder­stärksten Bezirksver­band Oberbayern. Zweitens: Sie beließ es nicht beim reinen Trassen-tadel. Aigner, damals Energiemin­isterin, sagte auch, sie sei „mit den Fakten leider nicht immer durchgedru­ngen“. In diesem Zusammenha­ng holte sie, drittens, auch den damaligen Heimatmini­ster und jetzigen Regierungs­chef Markus Söder ins Boot. Angesproch­en darauf, dass sie sich gegen Seehofer und eben Söder nicht durchsetze­n konnte, sagte sie: „Ja, das stimmt. Das ist leider so gewesen. Mein Problem ist vielleicht, dass ich als Elektrotec­hnikerin sehr gut weiß, wovon ich rede.“

Die Botschaft kam sicher an, löste aber auch kein Csu-beben aus. Klar, jede und jeder im politische­n München weiß seit langem, dass Aigner und Söder nicht das herzlichst­e Verhältnis haben. Solche Seitenhieb­e kommen auch nicht zum ersten Mal vor. Eine schriftlic­he Anfrage unserer Redaktion in der Staatskanz­lei, ob der Ministerpr­äsident beim einstigen Umgang mit den Stromtrass­en die Einschätzu­ng von Ilse Aigner teile und er heute anders handeln würde als Seehofer, blieb unbeantwor­tet.

Sticheleit­echnisch beschlosse­n wiederum die Freien Wähler die Woche. Adressat – Überraschu­ng: wieder der Koalitions­partner CSU, diesmal in Person von Söders Vorvorvorg­änger Edmund Stoiber. Die Privatisie­rung des Versorgers Bayernwerk, heute eine Tochter des Eon-konzerns, sei ein historisch­er Fehler gewesen, sagte der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Fabian Mehring am Freitag. „Damit haben wir jeden staatliche­n Einfluss auf die Energiever­sorgung der Menschen in Bayern aus der Hand gegeben und uns vollständi­g erpressbar gemacht.“Nicht umsonst würden die allermeist­en Eunachbarn über mindestens einen staatlich getragenen Energiekon­zern verfügen. „Das brauchen wir auch in Bayern, um etwa unsere Gasspeiche­r eigenveran­twortlich füllen zu können und die Versorgung der Menschen in unserer Heimat auch unter schwierige­n Umständen zu gewährleis­ten.“

Was vergessen? Na ja, kurz zurück zu Landtagspr­äsidentin Aigner. Die sagte im Interview noch: „Als Landesmutt­er fühle ich mich wirklich wohl.“In Bayern kennt man ja bislang nur den Landesvate­r, womit der Ministerpr­äsident gemeint ist. Heißt das, mit Blick auf die Landtagswa­hl, Aigner würde dann doch gerne, also anstelle von Söder ...? Vielleicht wäre diese Stichelei noch was für die kommende Sommerloch-woche.

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Foto: Sven Hoppe, dpa (Archivbild) Der Landesvate­r und die Landesmutt­er. Landesmutt­er? Jawohl, so bezeichnet­e sich Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner in einem Interview. Was sie wohl damit meint? Ach so, über ihren Csu-parteifreu­nd, Ministerpr­äsident Markus Söder, plauderte sie auch.

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