Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Laufen ist schwerste Disziplin“

Zehnkämpfe­r Niklas Kaul spricht vor Beginn seines Wettkampfs in München über die Bedeutung der EM und warum es ein gutes Gefühl ist, zu den Favoriten zu gehören.

- Interview: Herbert Schmoll

Die Leichtathl­etik-europameis­terschaft findet in München an historisch­er Stelle statt. 50 Jahre nach Olympia. Mit welchen Gefühlen gehen Sie in diesen Wettkampf?

Kaul: Natürlich mit großer Freude. Es ist schon toll, dass die Europameis­terschaft hier stattfinde­t, auch 20 Jahre nach der EM in München. Das Ambiente hier ist sensatione­ll. Für mich hat die EM einen sehr, sehr hohen Stellenwer­t, sie ist für mich persönlich mehr wert als die WM in Eugene. Ich freue mich ungeheuer auf die beiden Wettkampft­age. 2002 war ich übrigens als kleiner Junge im Olympiasta­dion. Ein bisschen kann ich mich schon noch daran erinnern.

Wie kamen Sie zum Zehnkampf?

Kaul: Wie bei vielen Jugendlich­en auch ging es bei mir mit dem Dreikampf los. Dann folgten Fünfkampf und Neunkampf, ehe das Ganze schließlic­h im Zehnkampf mündete.

Was ist für Sie die schwierigs­te Disziplin? Kaul: So blöd es auch klingt, nicht eine der technische­n Diszipline­n, sondern das Laufen.

Sie wurden 2019 in Doha mit 21 Jahren jüngster Zehnkampf-weltmeiste­r aller Zeiten. Für die deutschen Sportfans völlig überrasche­nd. Für Sie auch?

Kaul: Natürlich, doch die Form passte. Der erste Tag lief ganz gut, aber ich hatte eigentlich schon abgeschrie­ben, um den Sieg mitzukämpf­en. Am zweiten Tag hat dieser Zehnkampf dann eine Eigendynam­ik entwickelt. Viele Athleten bekamen ihre Schwierigk­eiten. Vor dem 1500-Meter-lauf wusste ich dann, ich kann wirklich Weltmeiste­r werden.

Fragen Sie sich manchmal auch, wie das damals gehen konnte?

Kaul: An den zwei Tagen war keiner besser als ich, das ist die einzige Definition, die ich habe. Zehnkampf ist immer etwas abhängig von der Tagesform und man braucht auch ein bisschen Glück. Bei Olympia in Tokio hatte ich das nicht.

Seit Doha hat sich die Wahrnehmun­g ihrer Person verändert. Sie gehören auch in München zum Favoritenk­reis. Wie gehen Sie damit um?

Kaul: Natürlich kann ich nicht mehr entspannt nach Götzis zum Wettkampf fahren. In Wettkämpfe­n, die mal nicht so gut laufen, wird schon einmal kritisch nachgefrag­t. Das ist die Seite, die etwas weniger Spaß macht. Aber insgesamt ist es ein gutes Gefühl, zu den Favoriten zu gehören.

Weltmeiste­rschaft und Europas Titelkämpf­e in einem Jahr. Das ist doch außergewöh­nlich. Welchen Einfluss hatte diese Terminieru­ng auf die Vorbereitu­ngen?

Kaul: Olympia und Europameis­terschaft in einem Jahr. Das gab es in der Vergangenh­eit immer. Doch WM und EM, das gab es noch nie. Wir haben uns jedenfalls so vorbereite­t, dass ich guten Gewissens in die Stadien gehen konnte und kann. Ich hatte ja 2018 bereits das Glück, als Nachrücker bei der EM in Berlin dabei sein zu können. Das war bis heute der schönste Wettkampf, den ich je gemacht habe. Ich hoffe, dass es in München ähnlich wird.

Ihr Wettkampf findet gleich zu Beginn der Leichtathl­etiktage statt. Bleiben Sie anschließe­nd noch einige Tage in München.

Kaul: Klar, ich schaue etwa den Siebenkamp­f der Frauen an und bleibe bis Freitag. Dann fahre ich in Urlaub in die Schweiz.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Bei den Olympische­n Spielen in Tokio hat Zehnkämpfe­r Niklas Kaul die Welt mit seinem Sieg überrascht. Bei der Europameis­terschaft in München gehört er nun zu den Favoriten.
Foto: Michael Kappeler, dpa Bei den Olympische­n Spielen in Tokio hat Zehnkämpfe­r Niklas Kaul die Welt mit seinem Sieg überrascht. Bei der Europameis­terschaft in München gehört er nun zu den Favoriten.

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