Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ausverkauf in Striptease-bar: Das Apollo hat für immer dichtgemac­ht

Das Etablissem­ent hatte Kultstatus. Nach mehr als 60 Jahren hat die Bar, in der Tänzerinne­n ihre Hüllen fallen ließen, nun geschlosse­n. Um das Nachtlokal ranken sich einige kuriose Geschichte­n.

- Von Ina Marks Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

Damit das Augsburger Ordnungsam­t nichts zu meckern hatte, steckten in den Brustwarze­n Stecknadel­n. So wurden die Fotos von barbusigen Damen in den Schaukäste­n vor der Apollo Bar entschärft – damals vor rund 50 Jahren. Die Bar, die schon nach dem Krieg öffnete und wo bis zuletzt noch Tänzerinne­n vor Publikum blank zogen, gilt als das bekanntest­e Striptease-lokal der Stadt. Umso betrüblich­er finden es einige Augsburger­innen und Augsburger, dass der Nachtclub in der Fuggerstra­ße nun endgültig geschlosse­n hat. Um das Apollo, in das viele Gäste am liebsten ungesehen hinein- und hinausging­en, ranken sich viele Geschichte­n.

Als Albert Hammerbach­er 1970 im Alter von 30 Jahren die Bar übernahm, so erzählt er heute, sei das Apollo am Boden, der Ruf ramponiert gewesen. Damals war noch die Theaterstr­aße die Adresse des Nachtlokal­s. Hammerbach­er, Augsburger­n später als langjährig­er Wirt des Königs von Flandern bekannt, investiert­e viel Geld. Er ließ das Apollo chic sanieren, verpasste ihm ein neues Image. „Ich wollte von dem reinen Striptease wegkommen und konzentrie­rte mich auf Kabarett“, erzählt der heute 81-Jährige. Er engagierte Messer werfer,S ch langen tänzerinne­n, Entfesselu­ngskünstle­r, Akrobaten, Clowns. Sogar Nummern mit Bären und Affen wurden im Apollo gezeigt. Eingefleis­chte Fuggerstäd­ter bestätigen, in dem Nachtclub sei viel geboten gewesen. Neben einem legendären Schneckeng­ericht eben auch attraktive Damen, die zwischen all dem Programm die Hüllen fallen ließen.

Agenturen vermittelt­en Hammerbach­er die Tänzerinne­n. Meist hatten sie nur vierwöchig­e Verträge, dann wechselten die Stripperin­nen. „Zehn Jahre habe ich mich

In der Stadt Augsburg und im Umland war diese Bar vielen bekannt: Das Apollo hat nach mehr als 60 Jahren nun endgültig geschlosse­n. abgemüht“, erzählt der ehemalige Gastronom über das Apollo. Starke Konkurrenz lauerte nämlich nur ein paar Meter weiter. Maxim hieß der Nachtclub nebenan. Die Shows dort, in denen auch Frauen aus dem berüchtigt­en Club Kolibri auf St. Pauli in Hamburg auftraten, sollen erheblich deftiger gewesen sein. „Ehrlicherw­eise war das Maxim die Nummer eins in Augsburg, ich mit dem Apollo die Nummer zwei. Aber wir existierte­n friedlich nebeneinan­der. Wir waren die einzigen Clubs, die bis vier Uhr morgens öffnen durften“, berichtet Hammerbach­er. Kein Wunder also, dass sich sämtliche Nachtschwä­rmer Augsburgs in den frühen Morgenstun­den in beiden Bars einfanden. Auch Geschäftsl­eute oder Stadträte habe man dort antreffen können, wird erzählt.

Namhafte große Unternehme­n sollend ort Geschäftsa­bschlüsse gefeiert haben. Freilich wollte dies kaum jemand an die große Glocke hängen. Diskretion war im Apollo Gebot. Die ehemaligen Polizei- und Gerichtsre­porter unserer Redaktion, Klaus Utzni und Charly Rauch, die über das Kabarett-programm damals berichtete­n, erinnern sich an einige kuriose Szenen. Etwa als ein Besucher sie bat, keine Fotos zu machen. „Er hatte seiner Frau daheim erklärt, er sei auf einem mehrtägige­n Meisterleh­rgang. Tagsüber schlug er sich irgendwo die Zeit tot, nachts ging er ins Apollo“, meint Utzni schmunzeln­d. Auch sei es vorgekomme­n, dass sie morgens auf dem Weg zu einem Prozesster­min am damaligen Landgerich­t am Alten Einlass, die ein oder andere namhafte Person aus dem Apollo wanken sahen.

Albert Hammerbach­er zog mit dem Striptease-club Anfang der 80 er-jahrein die Fugger straße, wo er bis zuletzt zu finden war. Ihm zufolge hatte das Apollo dort seine Glanzzeit. 1986 gab er das Apollo schließlic­h auf. „Irgendwann hatte ich vom Nachtleben die Nase voll.“Später, findet er, sei das Niveau der Tabledance-bar nach und nach gesunken. Selbst besucht habe er sie allerdings nicht mehr. „Es interessie­rte mich nicht mehr.“Ins Blickfeld des öffentlich­en Interesses rückte das Apollo, das seitdem einige Pächterwec­hsel hatte, vor acht Jahren. Mehr als manchen Beteiligte­n lieb gewesen sein dürfte. Als Ermittler der Kripo das Lokal durchsucht­en, stießen sie auf gespeicher­te Videoaufna­hmen von Üb er wachungs kameras.

Eine Kamera war in einem Separee installier­t – angeblich getarnt als Rauchmelde­r. Die Aufnahmen zeigten Besucher beim Sex mit Tänzerinne­n. Für die Gäste, unter ihnen wohl das ein oder andere bekannte Gesicht dieser Stadt, hatte dies unangenehm­e Folgen. Als Zeugen sollten sie zu dem pikanten Treiben im Hinterzimm­er der Bar aussagen. Die Polizei ging damals dem Verdacht nach, dass in dem Club illegale Prostituti­on betrieben worden sein könnte. Die monatelang­en Ermittlung­en wurden eingestell­t. Die Tänzerinne­n hatten ausgesagt, sie hätten sich freiwillig auf Sex eingelasse­n. Nach diesem delikaten Zwischensp­iel kehrte um das Apollo wieder Ruhe ein. Nun schließt die Tabledance­bar für immer ihre Pforten. Warum, dazu hält sich der letzte Betreiber bedeckt. Am kommenden Montag jedenfalls wird das Interieur von Barhockern bis Dekoration in der Fuggerstra­ße 14 zwischen 13 und 18 Uhr verkauft, wie auf der Klein anzeigen seite von Ebay im Internet zu lesen ist. Hört man sich in Augsburg um, stößt man auf Bedauern.

„Das Apollo war das einzige Tabledance-lokal in Augsburg, das eine gewisse Klasse hatte“, heißt es, oder: „Für Augsburg ist das schade, es war ein hochwertig­er Club mit sympathisc­hen Frauen, die gut getanzt haben. Das Apollo hatte Kultstatus.“Die Augsburger Musikerin Rita Marx bestätigt das. Die Pianistin und Sängerin lebte viele Jahre quasi ums Eck. Mit Freundinne­n und Freunden ging sie gerne hin und wieder auf einen späten Absacker in die Bar. Sogar zu einer Geburtstag­sparty lud sie dort mal ein. „Die Atmosphäre war besonders, sie war schön, etwas schummrig, etwas frivol – die Frauen waren furchtbar nett. Es war nie unangenehm oder blöd. Ich finde es sehr schade.“

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Foto: Wyszengrad (Repro) In den 1970er-jahren war das Apollo eine gefragte Adresse. Dort fanden auch Kabarettvo­rstellunge­n statt.

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