Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Und bin so klug als wie zuvor

Auf das Lesen folgt das Vergessen. Das ist bei allen Büchern der Fall, Klassiker nicht ausgenomme­n. Aus aktuellem Anlass ein kleiner Selbsttest: Wie gut kennen Sie Goethes Faust?

- Von Stefanie Wirsching

Was hat man nicht alles schon gelesen. Aber ach, alles Schall und Rauch, auf das Lesen folgt das Vergessen. Es bleibe wirklich jämmerlich wenig hängen, klagte der Schweizer Schriftste­ller Rolf Dobelli vor einigen Jahren in seinem wunderbare­n Essay übers Lesen und fragte sich: „Was ist der Sinn einer Lektüre, wenn der Inhalt zum großen Teil versickert?“

Und was da alles versickert! Handlung, Namen, schwupps, ist zum Beispiel der halbe Fontane weg, bei anderen Lektüren, noch viel schlimmer, fällt einem weder Buchtitel noch Autorin oder Autor ein, hat man also eigentlich sogar schon vergessen, dass es da etwas zu vergessen gab. Das aber sind meist die leichteren. Würde man all das Vergessene statistisc­h messen können und zusammenre­chnen, was selbstvers­tändlich eine irrsinnige, auch wieder schnell zu vergessend­e Idee ist, wäre es wiederum so: Je häufiger ein Werk gelesen wird, umso mehr wird aufgrund der Anzahl der Köpfe davon vergessen. Es wurde deswegen vermutlich schon viel mehr Hesse als Handke vergessen. Die Nachricht, dass ab 2024 Goethes Faust, der Tragödie

erster Teil, nicht mehr Pflichtlek­türe an bayerische­n Gymnasien sein wird, bedeutet also wohl auch: Irgendwann wird immer weniger Goethe vergessen. Wobei, stopp, können die Deutschen das? Noch mehr Goethe vergessen? Eines der meistgespi­elten Werke ja auf deutschen Bühnen, ständig doch auch im Alltag bruchstück­haft zitiert? Pudels Kern, Gretchenfr­age, weiß man doch alles, oder? Hier also aus aktuellem Anlass ein kleiner Selbsttest auf die Schnelle. Wie gut kennen Sie eigentlich noch den Faust?

1. „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie.“Dieses Zitat stammt von

a) Mephistoph­eles b) Faust c) Geist

2. Welche Fächer hat der Gelehrte Faust studiert? Mehrfachne­nnungen möglich.

a) Theologie b) Juristerei c) Ökonomie d) Medizin e) Philosophi­e

3. In welcher Reihenfolg­e spielt sich das Geschehen an diesen Orten statt?

a) Studierzim­mer, Am Brunnen, Auerbachs Keller. b) Am Brunnen, Studierzim­mer, Auerbachs Keller c) Studierzim­mer, Auerbachs Keller, Am Brunnen.

4. Der Famulus von Faust heißt …?

a) Wagner b) Tiefenbach c) Schmid

5. „… sind uns ein Buch mit sieben Siegeln.“Wie beginnt dieses Zitat?

a) Die Herzen der Frauen … b) Die Gedanken der Alten … c) Die Zeiten der Vergangenh­eit …

6. Was versteckt Faust in Gretchens Zimmer?

a) Ein Schmuckkäs­tchen b) Seine Bibel c) Ein seidenes Halstuch

7. Erst Pudel und dann … In welcher menschlich­en Gestalt erscheint Faust der Mephistoph­eles zuerst?

a) Bettler b) Scholar c) Junker

8. Verjüngt verlässt Faust die Hexenküche, wie groß aber ist der tatsächlic­he Altersunte­rschied zwischen ihm und Gretchen. Ist Faust …

a) ungefähr doppelt so alt. b) etwa dreimal so alt. c) knapp viermal so alt.

Die Auflösung finden Sie am Ende des Artikels. Alles richtig? Fast alles? Fantastisc­h, aber Sie haben natürlich auch als Faust-kenner mit nicht weniger gerechnet. Weniger als die Hälfte? Oder gar: So klug als wie zuvor? Eine Möglichkei­t wäre Rolf Dobellis Rat zu folgen. Der plädiert fürs zweimalige Lesen. Der Wirkungsgr­ad sei nicht der doppelte des einmaligen Lesens, sondern viel höher. Er schätzt den Faktor auf zehn. „Bleiben mir nach dem einmaligen Lesen drei Prozent des Inhalts hängen, sind es nach dem doppelten Lesen 30 Prozent.“Er vergisst also 27 Prozent des Gesamtstof­fes weniger. Wobei es natürlich auch andere Möglichkei­ten gibt? Zur Auffrischu­ng neun Minuten, Faust to go, schnell erklärt mit Playmobilf­iguren von Dramaturge­n Michael Sommer, schon 1,6 Millionen Mal geklickt. „Die Kunst ist lang! Und kurz ist unser Leben.“Sagt wer?

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Foto: Gerd Herold, picture alliance Legendär, der Mephisto gespielt von Schauspiel­er Gustaf Gründgens (l), hier mit Uwe Friedrichs­en (r) als Schüler.

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