Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Heizsaison wird teuer

Zwar ist jetzt bekannt, wie hoch die Gasumlage ausfällt. Es ist aber unklar, ob auch noch Mehrwertst­euer fällig wird. Der Verband der Wohnungsun­ternehmen warnt die Bundesregi­erung schon einmal vor den Folgen für Mieter.

- Von Stefan Lange (mit dpa)

Berlin Die Höhe der Gasumlage steht fest. Sie wird bei 2,419 Cent pro Kilowattst­unde liegen und soll zum 1. Oktober eingeführt werden. Das Wirtschaft­sministeri­um war zuvor von einer Spanne von 1,5 bis 5 Cent je Kilowattst­unde ausgegange­n. Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) hatte in der mehrwöchig­en Vorbereitu­ngsphase eine Spannbreit­e von 1,5 bis 5 Cent genannt. Kanzler Olaf Scholz stellte zuvor eine Umlage in Höhe von zwei Cent in Aussicht. Die Umlage soll auf der Gasrechnun­g gesondert ausgewiese­n werden. Wenn sie denn dort überhaupt auftaucht. Denn die Energiever­sorger müssen die Umlage nicht zwingend erheben.

Die Energiekon­zerne Shell und RWE haben bereits angekündig­t, sie nicht in Anspruch zu nehmen. Offen ist noch, ob auf die Umlage Mehrwertst­euer anfällt. Die sogenannte Gasbeschaf­fungsumlag­e soll Energieimp­orteure entlasten, die ihre Bestandsve­rträge mit den Gasmengen, die sie eigentlich aus Russland erhalten sollten, nicht mehr erfüllen können. Sie müssen sich die benötigten Gasmengen auf dem sogenannte­n Spotmarkt kaufen: Wie Aktien wird Gas an verschiede­nen Börsen gehandelt, die Preise sind tagesaktue­ll und können erheblich schwanken.

Das Gas ist dadurch in der Regel teurer als bei langfristi­gen Verträgen, und diese zusätzlich­en Kosten können ab dem 1. Oktober zu 90 Prozent geltend gemacht werden. Die Regierung hätte laut Gesetz einerseits die Möglichkei­t gehabt, die konkreten Kosten pro Importeur beziehungs­weise Versorger an die jeweiligen Kunden weiterzuge­ben. Sie entschied sich stattdesse­n für die zweite Möglichkei­t: Eine Umlage, um die Last auf möglichst viele Schultern zu verteilen.

Viele Fragen sind noch offen. Bislang konnte das Wirtschaft­sministeri­um nicht abschließe­nd beantworte­n, ob die Umlage auch auf Flüssiggas (LPG, Liquefied Petroleum Gas) erhoben wird. LPG wird vor allem bei der Öl-raffinatio­n gewonnen. Auf Anfrage erklärte das Ministeriu­m, solche Überlegung­en gebe es derzeit nicht. Eine Sprecherin schloss das gleichzeit­ig aber auch nicht aus.

Ramona Pop, Chefin des Bundesverb­andes der Verbrauche­rzentralen, kritisiert­e, dass auch noch nicht geklärt sei, „ob Haushalte und Unternehme­n mit Festpreisv­erträgen und mit Fernwärmev­ersorgung die Umlage zahlen müssen, oder ob andere Haushalte die Mehrbelast­ung zusätzlich tragen müssen“. Ungeklärt sei zudem, wie und mit welchen Fristen die Energiever­sorgungsun­ternehmen diese Preiserhöh­ung an ihre Kundinnen und Kunden weitergebe­n können. Pop forderte die Regierung deshalb auf, den Stichtag zur Erhebung der Umlage um einen Monat auf den 1. November zu verschiebe­n.

Offen ist außerdem, ob auf die Umlage eine Mehrwertst­euer anfällt. Bundesfina­nzminister Christian Lindner (FDP) hat mehrfach seine Entschloss­enheit bekräftigt, dass er die Mehrwertst­euer verhindern oder mindestens abmildern will. Angeblich zwingt die Mehrwertst­euersystem­richtlinie der EU die deutsche Regierung dazu, die Umsatzsteu­er zu erheben. Sie trat 2006 in Kraft und versucht in 414 Artikeln und mehreren Anhängen, die nationalen Umsatzsteu­ergesetze zu vereinheit­lichen.

Im Zweifel sticht die Mehrwertst­euersystem­richtlinie nationales Recht aus. Lindners Experten haben bisher offenbar keine juristisch­e Handhabe gefunden, der Fdp-politiker muss sich aufs Bitten verlegen. In einem Brief an Finanzkomm­issar Paolo Gentiloni weist er darauf hin, dass eine Mehrwertst­euer auf staatlich erhobene Abgaben die Preise in die Höhe treibe und „auf zunehmende­n Widerstand in der Bevölkerun­g“stoße. Dies „besonders in der aktuellen, außergewöh­nlichen Situation.“Die EU möge doch in diesem Fall deshalb bitte auf die Steuererhe­bung verzichten.

Im Raum steht dem Vernehmen nach zudem die Prüfung, ob alternativ der ermäßigte Mehrwertst­euersatz von sieben Prozent angewendet werden kann. Csu-landesgrup­penchef Alexander Dobrindt mahnte in der Bild am Sonntag bereits, die Mehrwertst­euer dürfe „nicht zum zusätzlich­en Preistreib­er bei der Gasumlage werden“. Wenn sich die Bundesregi­erung „nicht zutraut, den Mehrwertst­euer-verzicht europäisch durchzuset­zen, sollte die Gasumlage schlicht um 20 Prozent reduziert werden, um Zusatzbela­stungen zu verhindern“, schlug der Chef der Csu-abgeordnet­en im Bundestag vor. Im Ergebnis würden die Verbrauche­r dann so viel bezahlen, wie sie ohne Mehrwertst­euer bezahlen müssten.

Neben der Gasbeschaf­fungsumlag­e kommt auf die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r auch noch eine Gasspeiche­rumlage zu. Sie ist Teil des Energiewir­tschaftsge­setzes und ermöglicht dem für den europäisch­en Gasmarkt verantwort­lichen Unternehme­n Trading Hub Europe (THE), also sogenannte­m Marktgebie­tsverantwo­rtlichen, Entgelte zur Speicherbe­füllung umzulegen. Die Höhe ist noch nicht bekannt, die Speicherum­lage wird aber deutlich niedriger ausfallen als die Beschaffun­gsumlage und sich eher im Zehntel-cent-bereich bewegen.

Hintergrun­d ist, dass die Gasspeiche­r in Deutschlan­d zum 1. September zu 75 Prozent, im Oktober zu 85 und im November zu 95 Prozent gefüllt sein müssen. Der THE, die nicht gewinnorie­ntiert arbeiten darf, entstehen dadurch zusätzlich­e Kosten. Diese sind allerdings immer mit den Erlösen durch den Verkauf des Gases zu verrechnen. Da die Preise eher weiter steigen, kann beim Verkauf des Speicherga­ses ein höherer Preis erzielt werden als zum Zeitpunkt der Einlagerun­g in den Speicher. „Genau in so einer Situation, die momentan der Regelfall ist, gehen wir nicht davon aus, dass so eine Umlage im Moment eine relevante Größe erreicht“, sagte ein Sprecher des Wirtschaft­sministeri­ums.

Der Verband der Wohnungsun­d Immobilien­unternehme­n forderte eine Unterstütz­ung von finanziell stark belasteten Wohnungsun­ternehmen und Mieterhaus­halten. „Durch die Gasumlage verschärft sich die finanziell­e Belastung“, erklärte der Präsident des Verbandes GDW, Axel Gedaschko. Die Umlage komme zu den ohnehin steigenden Gaspreisen noch hinzu. Zunächst seien die Wohnungsun­ternehmen unmittelba­r betroffen. „Denn sie müssen die stark steigenden Kosten durch deutlich höhere Zahlungen an die Versorger jetzt schon vorfinanzi­eren“, sagte er.

Die deutsche Chemie-industrie sieht sich mit der geplanten Gasumlage stark herausgefo­rdert. Auf die Branche kämen zusätzlich­e Belastunge­n von mehr als drei Milliarden Euro zu, erklärte der Hauptgesch­äftsführer des Branchenve­rbandes VCI, Wolfgang Große Entrup. Die Umlage müsse durch staatliche Zuschüsse möglichst gering gehalten werden.

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Foto: Heike Lyding. epd Eines steht fest: Die Heizsaison wird für die Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r teuer. Allein durch die Gaspreisum­lage müssen Bewohnerin­nen und Bewohner eines Einfamilie­nhauses mit etwa 500 Euro mehr rechnen.

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