Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Eine unerwartete Premiere
Erstmals bezwingt der FC Augsburg Angstgegner Leverkusen. Der Erfolg fußt auf Effektivität, einem herausragenden Torhüter und Glück. Ein Neuzugang ist im Anmarsch.
Leverkusen Enrico Maaßens Kampf gegen die Schwerkraft war erfolgreich. Eine kleine Ewigkeit streckte er die Arme in die Höhe, als er nach dem Schlusspfiff an der Seitenlinie stand. Dieses Gefühl, das ihn während der Jubelpose ergriffen hatte, wird den 38-Jährigen nicht so schnell loslassen. Ihm war gelungen, woran etliche Vorgänger in elf Jahren Bundesliga mit dem FC Augsburg gescheitert waren: ein Erfolg gegen Bayer Leverkusen. Im Nachgang der Partie zeigte sich Maaßen wieder gewohnt gefasst. Innerlich gegrinst hatte er aber wohl noch, als er sagte: „Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft. Das ist für uns alle ein schöner Tag, weil die wenigsten damit gerechnet hätten, dass wir hier etwas holen.“
Nach dem 0:4-Auftakt gegen den SC Freiburg und mit Blick in die Historie verboten sich Erwartungen auf einen Augsburger Erfolg. Eigentlich. Doch genau diese Vorgeschichte nutzte Maaßen, um seinen Spielern die passende Haltung für die Begegnung an diesem heißen Nachmittag in der Bayarena mit auf den Platz zu geben. Maaßen erläuterte: „Es gibt zwei Wege: Entweder du fährst hierher und ergibst dich in dein Schicksal. Oder du nimmst diesen Moment, der dich vielleicht sogar durch die Saison tragen kann. Das war heute ein toller Impuls.“
Auf die Überlegenheit der Leverkusener bezüglich Technik und Tempo reagierte Augsburgs Coach mit personellen Veränderungen. Die Routiniers André Hahn und Daniel Caligiuri saßen zunächst auf der Ersatzbank, stattdessen beorderte er Mads Pedersen, Fredrik Jensen und Robert Gumny in die Startformation. Der Fokus lag auf dem Verteidigen des eigenen Tores und schnellen Gegenangriffen. Er wollte „das Maximum an Tempo“auf den Platz bringen, erklärte Maaßen. Wenn der FCA in Leverkusen gewinnt, hat er mehr richtig als falsch gemacht, Erfolg rechtfertigt jedwede Maßnahme im Profisport. Der Ballbesitz (33 Prozent) unterschied sich nicht von Auftritten der vergangenen Saison, auch nicht die Art und Weise, wie der Erfolg zustande kam. Mit den ureigenen Tugenden, mit Kampf, Leidenschaft und Effektivität, rangen die Augsburger den Kontrahenten nieder.
Vor allem in den ersten 30 Minuten war die Taktik vollends aufgegangen. Aggressives Anlaufen und intensive Zweikampfführung mündeten in Balleroberungen. Eine solche war Ausgangspunkt des Führungstreffers durch Jensen. Der formvollendete Spielzug über Uduokhai, Gruezo, Iago, Demirovic und Jensen dürfte fortan in jedem Lehrbuch für Umschaltspiel auftauchen. Die anderen zwei Drittel des Spiels dominierten die Leverkusener, die reihenweise entweder an eigenem Unvermögen oder Augsburgs herausragendem Torhüter Rafal Gikiewicz scheiterten. Maaßen wusste den Sieg einzuordnen, sprach von einem „Quäntchen Glück“, das man gebraucht hätte. Dazu zählte unter anderem eine Szene in der zweiten Hälfte, als Charles Aranguiz, zuvor schon Torschütze des Leverkusener Ausgleichs, ein Treffer verwehrt wurde. Nicht jeder Schiedsrichter sieht im Einsatz des Bayer-profis einen regelwidrigen Körpereinsatz.
Dass Hahn an seinem 32. Geburtstag zehn Minuten vor Schluss der Siegtreffer glückte, rundete den Augsburger Auftritt ab. Vor dem Heimspiel gegen Mainz 05 (Samstag, 15.30 Uhr/sky) blicken die Augsburger nun bedeutend optimistischer in die Zukunft. Der Druck des ersten Sieges ist abgefallen, doch der personelle Handlungsbedarf bleibt wegen der langzeitverletzten Stammkräfte Reece Oxford und Niklas Dorsch. Sportgeschäftsführer Stefan Reuter spricht von einem Kader, der sich sehen lassen könne. Zugleich beobachtet er den Markt, in dem bis zum 1. September Transfers möglich sind. Reuter bestätigte das Angebot für Torwart Finn Dahmen (Mainz 05), wollte sich zu den Gerüchten um die Angreifer Christian Kouamé (AC Florenz) und Junior Adamu (RB Salzburg) nicht äußern. „Wenn sich für uns eine Möglichkeit ergibt, einen Spieler zu holen, der eine extra Qualität bringt, versuchen wir, das zu realisieren.“Auf der Zielgeraden scheint der Vertragsabschluss mit Julian Baumgartlinger zu sein. Der 34-jährige Österreicher, zuletzt in Diensten von Leverkusen, war zuletzt vereinslos und soll im defensiven Mittelfeld den Ausfall von Niklas Dorsch mitauffangen.