Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So finden junge Leute die passende Lehrstelle

Auch nach offizielle­m Ausbildung­sbeginn sind viele Plätze in der Region nicht besetzt. Im Handwerk kann man sich bis Ende des Jahres bewerben.

- Von Rasmus Blasel

Erst im Juni hat Johannes Seibold seine Ausbildung beim Autohaus Reisacher in Augsburg abgeschlos­sen. Doch schon jetzt ist der 24-Jährige als Leiter des Kundenempf­angsbereic­hs ein fester Bestandtei­l des Unternehme­ns. Nachwuchs wie Johannes Seibold zu finden, ist für die Betriebe in Augsburg eine Herkulesau­fgabe. Mehr als einen Monat nach Ausbildung­sstichtag sind nach Informatio­nen der Bundesagen­tur für Arbeit (BA) insgesamt 619 Ausbildung­sstellen in der Region noch unbesetzt. Die Dunkelziff­er dürfe allerdings höher liegen, da nicht alle Betriebe ihre Ausbildung­sstellen bei der BA melden.

Elsa Koller-knedlik von der Bundesagen­tur für Arbeit sagt: „Wir haben einen absoluten Bewerberma­rkt.“Laut Wolfgang Haschner von der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) sei es noch nie so schwierig gewesen, Ausbildung­splätze erfolgreic­h zu besetzen. Nach den Zahlen der BA stehen aktuell 100 Bewerbern 140 Ausbildung­splätzen im Wirtschaft­sraum gegenüber. Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Situation somit weiter verschärft. Besonders schwer trifft es den Verkauf, die Gastronomi­e und die Hotellerie. Allein in der Gastronomi­e würden nach aktuellen Zahlen auf 100 Bewerber 888 Ausbildung­sstellen kommen. Eine Ausnahme stellt die Situation bei den Medizinisc­hen Fachangest­ellten und der Büround Sekretaria­tsbereich dar. Hier herrsche ein Bewerberüb­erhang.

Auch Anette Göllner von der Handwerksk­ammer für Schwaben (HWK) schaut besorgt auf die Situation am Ausbildung­smarkt. Da Fachkräfte auf dem Markt kaum zu finden seien, würden viele Betriebe auf den Nachwuchs setzen müssen. Doch allein in der Internetbö­rse der HWK sind derzeit noch 850 Ausbildung­sangebote schwabenwe­it eingetrage­n. Deshalb könne der Einstieg in die duale Ausbildung noch bis zum Ende des Jahres erfolgen, sagt Göllner. Trotz des Personalma­ngels stabilisie­re sich die Gesamtlage allerdings. Laut der HWK wurden bis zum Stichtag am 30. September nur 3,5 Prozent weniger Ausbildung­sverträge registrier­t als im Vorjahr. Hwk-hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner sieht im Fachkräfte­mangel eine „Herausford­erung erster Güte“. Er warnt, dass die Energiewen­de ohne die Handwerksb­etriebe „krachend“scheitern werde.

Die Gründe für die schwierige Lage auf dem Lehrstelle­nmarkt sieht Koller-knedlik darin, dass zu viele junge Menschen studieren wollen, anstatt eine Ausbildung anzufangen. Sie habe die Erfahrung gemacht, dass viele Eltern denken, eine Ausbildung sei nicht das richtige für ihr Kind. Auch der fehlende Kontakt mit den Schülerinn­en und Schülern in den vergangene­n Jahren habe eine entscheide­nde Rolle gespielt. Pandemiebe­dingt hätten kaum Praktika stattgefun­den. Informatio­nsveransta­ltungen seien eine Seltenheit gewesen. Infolgedes­sen haben die BA sowie viele Wirtschaft­sbetriebe ihre Online-präsenz weiter ausgeweite­t. Auch der „Pop-up-store“in der Augsburger Annastraße habe mit 300 Beratungen dazu beigetrage­n, Jugendlich­e zu einem Ausbildung­splatz zu verhelfen, sagt Koller-knedlik. Hoffnung mache allerdings, dass die Zahl der Schulabsol­venten, die sich für eine Ausbildung entschiede­n haben mit 64,4 Prozent den höchsten Wert der vergangene­n 15 Jahre erreicht.

Die meisten Bewerberin­nen und Bewerber haben sich für einen Beruf im Bereich Produktion und Fertigung entschiede­n. Kaufmännis­che Dienstleis­tungen, Handel, Vertrieb und Tourismus seien auch sehr beliebt gewesen. Wolfgang Haschner betont, dass es für junge Menschen wichtig sei, nicht nur auf die beliebtest­en Ausbildung­en zu schauen, da dort der Konkurrenz­kampf besonders hoch sei.

Den passenden Beruf zu finden, ist für viele junge Menschen nicht leicht. Auch der ehemalige Azubi Seibold habe damit Probleme gehabt, berichtet er. Zunächst habe er nach der Schule ein Studium zum Diplom-fachwirt begonnen. Schnell habe er bemerkt, dass es nicht das Richtige für ihn ist und deshalb sein Studium abgebroche­n. Seine Empfehlung an junge Leute, die vor der gleichen Entscheidu­ng stehen, ist, sich viel auszuprobi­eren: „Den passenden Beruf zu finden, braucht Zeit.“Man sollte in verschiede­nen Branchen Praktika machen und sich nicht vor Vorstellun­gsgespräch­en scheuen, so Seibold.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Anna Maria Barisch (BMW Reisacher) lässt sich vom ehemaligen Auszubilde­nden Johannes Seibold die Besonderhe­iten des neuen BMW erklären.
Foto: Peter Fastl Anna Maria Barisch (BMW Reisacher) lässt sich vom ehemaligen Auszubilde­nden Johannes Seibold die Besonderhe­iten des neuen BMW erklären.

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