Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Weniger kann im Falle von ARD und ZDF viel mehr sein

Leitartike­l Wdr-intendant Tom Buhrow hat einer alten Debatte neuen Schwung gegeben. Doch es wird schon zu lange geredet. Jetzt müsste gehandelt werden. Und zwar so.

- Von Daniel Wirsching

Was waren das wieder für Tage für den öffentlich­en-rechtliche­n Rundfunk! Erst rief der Ard-vorsitzend­e Tom Buhrow die „Revolution“aus, wie zumindest manche Medien titelten (und das ernst meinten). Dann hielt Zdf-satiriker

Jan Böhmermann eine Wutrede über das, was im beitragsfi­nanzierten Rundfunksy­stem so alles falsch läuft, nämlich eine Menge – und besonders über Tom Buhrow.

Dessen Debattenbe­itrag zur Zukunft von ARD, ZDF und Deutschlan­dradio, den er bei einer Veranstalt­ung im Hamburger Überseeclu­b beisteuert­e, kommt reichlich spät. Als Wdr-intendant ist er seit 2013 im Amt. Anderersei­ts darf man ihm dankbar sein, dass er sich in dieser kaum ertragreic­hen, von Polemik vergiftete­n Dauerdebat­te relativ deutlich zu Wort meldete. Neues, gar Revolution­äres sagte er nicht. Aber bekanntlic­h ist es nicht nur wichtig, was gesagt wird, sondern auch, wer es sagt. Von Intendanti­nnen oder Intendante­n hörte man bisher jedenfalls anderes oder hörte es in weniger kondensier­ter und dringliche­r Form. Buhrow drehte am großen Rad: Brauche es zwei bundesweit­e, lineare Fernsehsen­der?,

fragte er. Sollen die regionalen Programme Vollprogra­mme bleiben? Auch über die 64 Hörfunkwel­len allein der ARD sei zu reden – wie über die insgesamt 16 Orchester, Big Bands und Chöre. Buhrow schlug einen „Runden Tisch“vor, der einen neuen Gesellscha­ftsvertrag ausarbeite­n solle.

Mit etwas Abstand kann man festhalten: ARD, ZDF und Deutschlan­dradio stecken in einer tiefgehend­en Legitimati­onskrise, der Handlungsd­ruck ist enorm und weiter gestiegen. Was jetzt helfen würde? Sortieren. Zwischen Polemik und Konstrukti­vem, zwischen utopischem Wünsch-dir-was und Machbarem. Sowie: Ehrlichkei­t und Entschluss­kraft, und zwar vonseiten der Sender wie vonseiten der Politik. Beide könnten mehr, wenn sie wollten.

Doch will ein Landespoli­tiker seinen Medienstan­dort durch Senderfusi­onen oder Programmei­nsparungen geschwächt sehen – und Arbeitspla­tzabbau in Kauf nehmen? Will er weniger Parteivert­reter in den Kontrollgr­emien? Will eine Intendanti­n weniger Programm, weniger Mitarbeite­nde? Hier dreht sich die Debatte im Kreis. Nicht wegdiskuti­erbar bleibt: Es muss Einschnitt­e im überborden­den öffentlich-rechtliche­n Angebot geben, aus Sparund Akzeptanzg­ründen. Und schlicht, weil es sinnvoll ist. Einen Runden Tisch samt weiterer langatmige­r Debatten braucht es nicht. Es gibt Spielräume, auch dank des neuen Medienstaa­tsvertrags.

Die Liste dessen, was umgesetzt werden könnte, ist lang: mehr Programme ins Digitale verlagern.

Eine einzige Mediathek schaffen. Eine stärkere Fokussieru­ng auf Berichters­tattung über jene Bereiche, die Privatsend­er weniger bedienen – und damit weniger Wettbewerb­sverzerrun­g. Weniger Shows, weniger Events, weniger teure Sportrecht­e und Berater, weniger ähnliche Sendungen, weniger Textlastig­keit in Onlineange­boten. Weniger kann mehr sein. Dafür: mehr und transparen­tere Kontrolle durch diverser zusammenge­setzte Aufsichtsg­remien und bessere Compliance-regelungen. Vor allem: mehr Unterschei­dbarkeit zu Privatsend­ern und untereinan­der durch klarere Profile. All das würde sicher die Akzeptanz steigern.

Um noch auf eine Frage Buhrows zu antworten: Ja, es braucht zwei bundesweit­e Sender, die ein hochwertig­es, unabhängig­es Programm liefern – gerade in Zeiten massenhaft verbreitet­er Desinforma­tion und gezielter Kampagnen, die die Glaubwürdi­gkeit seriöser Medien untergrabe­n. Wie wäre es also mit einem ZDF als bundesweit­em Sender und einer stark aufs Regionale konzentrie­rten ARD?

Einschnitt­e im Angebot sind unausweich­lich

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