Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Aus dem Schatten des Bruders
Porträt Rani Khedira galt als talentierter Fußballer. Die großen Erfolge aber feierte sein älterer Bruder Sami. Nun ist der 28-Jährige selbst auf dem Weg zur Weltmeisterschaft.
Rani Khedira liebt es ruhig. Er mag die große Aufregung nicht, die sich aber wegen des Berliner Höhenfluges lange kaum vermeiden ließ. Union ist einige Zeit Tabellenführer der Fußball-bundesliga gewesen, was in München für Verärgerung, im Rest Fußball-deutschlands für Bewunderung sorgte. Seit Sonntag sind die Verhältnisse zurechtgerückt. Union steht nicht mehr ganz oben, der Alltag in Köpenick ist wieder beschaulicher. Ganz so, wie es Khedira mag.
Der 28-Jährige war im Sommer 2021 vom FC Augsburg in die Hauptstadt gewechselt. Er hatte sich aber anders als sein Bruder Sami nicht die aufgeregte Hertha, sondern den bodenständigeren
Nachbarn Union ausgesucht. So wie Khedira eben tickt. Er liebt die Diskretion, er spricht nicht groß auf. Auch nicht, als bekannt wurde, dass er im vorläufigen Kader von Bundestrainer Hansi Flick für die WM in Katar stehe. Surreal sei das, mehr war ihm nicht zu entlocken. Ein Interview vor dem Spiel am Mittwoch gegen den FCA lehnte er ab.
Khedira wurde in Stuttgart geboren. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Tunesier. Rani Khedira hat beide Staatsbürgerschaften. Kurzzeitig hatte er überlegt, für die Nationalmannschaft Tunesiens aufzulaufen. Das Werben des Verbandes war hartnäckig. Auch die Qualifikation für die WM 2018 war ein gutes Argument. Khedira aber lehnte ab. Auch, weil er kein Arabisch spricht und daher Hürden in der Kommunikation sah. Gerade in seinem Betätigungsfeld sind Absprachen wichtig. Im zentralen, meist defensiven Mittelfeld braucht es viele Kommandos. Das hat Khedira mittlerweile gelernt. So wie er sich auch fußballerisch deutlich verbessert hat. Er ist ruhiger geworden, trifft kaum mehr hektische Entscheidungen. Auch deswegen ist er eine prägende Figur des Berliner Aufschwungs.
Sein Bruder Sami hat seine Karriere mittlerweile beendet, er hat nun eine beratende Funktion beim VFB Stuttgart übernommen. Zurück in die Heimat also. Denny Khedira, der Dritte im Bunde, hat Sportmanagement studiert und berät seine Brüder in der Öffentlichkeitsarbeit. Rani ist der Jüngste. Früher hieß es, er sei der Talentierteste. Die großen Titel aber hat sein Bruder Sami gewonnen, er wurde unter anderem Weltmeister. Rani spielte lange in seinem Schatten und wartet noch auf den ganz großen Triumph. Wer weiß: Vielleicht gelingt ihm der mit Union – oder in Katar.