Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Des Kanzlers Mann fürs Klima

In Ägypten bemühen sich 200 Staaten und 35.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer um Fortschrit­te beim Klimaschut­z. In der deutschen Delegation spielt Jochen Flasbarth eine herausgeho­bene Rolle.

- Von Stefan Lange

Scharm el Scheich Das Gesicht von Jochen Flasbarth ist gerötet. Das könnte der ägyptische­n Sonne geschuldet sein, die schon am frühen Morgen heiß auf Scharm el Scheich heruntersc­heint. Wahrschein­licher ist, dass Flasbarth innerlich brennt. Der Staatssekr­etär im Bundesentw­icklungsmi­nisterium gehört auf der Klimakonfe­renz COP27 im ägyptische­n Badeort am Roten Meer zu denjenigen, die wirklich etwas bewegen wollen. Rund 35.000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer der Klimakonfe­renz verbrauche­n hier viel Redezeit und Energie, aus der Masse ragen nur wenige hervor.

In der deutschen Delegation wird Flasbarth viel Respekt bezeugt, auch Kanzler Olaf Scholz lobt die Arbeit des Staatssekr­etärs. Flasbarth ist auf seine Art ein Aktivist und hält den Glauben daran aufrecht, dass diese Generation doch nicht die letzte ist.

Der Staatssekr­etär ist mit Scholz am Montag im Regierungs­flieger zur Weltklimak­onferenz gereist, für den Kanzler ist die Teilnahme nach zwei Tagen beendet.

Flasbarth begleitet ihn auf dem Rückflug nach Berlin, um am Wochenende erneut nach Scharm el Scheich zu reisen und den Abschluss der Konferenz am 18. November vor Ort zu erleben.

„Das ist hier eine große Gemeinscha­ft, die zusammenge­kommen ist, um die Probleme dieser Welt anzugehen, nicht aufzugeben, sondern alles zu tun, um die Ambitionen weiter im Blick zu halten“, sagt Flasbarth. Wo andere zum Schwurbeln neigen, redet der 60-Jährige Klartext. „Wir haben hier das große Bedürfnis der besonders verletzlic­hen Entwicklun­gsländer, dass ihre Sorgen endlich ernst genommen werden“, sagt er und betont, dass das „keine irgendwie gearteten Sorgen sind, sondern existenzie­lle Sorgen“. Viele Staaten seien vom Klimawande­l „in einer Weise bedroht, die ihre Volkswirts­chaften, ihre Menschen in akute Gefahr bringt, und dafür fordern sie ein, dass wir ordentlich­e Mechanisme­n bereitstel­len, die sie nicht alleinlass­en“.

Wenig später wird Kanzler Scholz vor Regierungs­vertretern aus aller Welt für seinen Klimaklub werben und es wird deutlich, dass Flasbarth noch viel Arbeit vor sich hat. Bereits am Vortag rissen die Lippenbeke­nntnisse nicht ab, hier setzen sie sich fort. Konkrete Zugeständn­isse gibt es nicht, man will „Standards und Regeln“verabreden, aber das wollen die Regierunge­n der reichen Industries­taaten schon so unendlich lange.

Diese Unbestimmt­heit geht vielen auf die Nerven. „Seit mehr als 20 Jahren werden die auf Konferenze­n

propagiert­en Klimaschut­zziele immer ambitionie­rter, die Erfolge bleiben allerdings regelmäßig weit dahinter zurück“, sagt etwa der Generalsek­retär des Cduwirtsch­aftsrates, Wolfgang Steiger, im Gespräch mit unserer Redaktion und ergänzt: „In der Konsequenz neigen viele Regierunge­n zu hektischer Symbolpoli­tik, die dem Klima nicht hilft, aber wirtschaft­liche Aktivitäte­n behindert.“Steiger fordert einen beschleuni­gten Ausbau der erneuerbar­en Energien, will gleichzeit­ig aber auch „zur Aufrechter­haltung der

Versorgung­ssicherhei­t bei Dunkelheit und Windstille konvention­elle Kraftwerke“betreiben. Zumindest solange es noch nicht genug grünen Wasserstof­f und die entspreche­nde Infrastruk­tur gibt.

Es ist das Einerseits-anderersei­ts, das Fortschrit­te auf den Klimakonfe­renzen so außerorden­tlich schwierig macht. Flasbarth ist schon lange im Umweltgesc­häft, er sorgte 2015 bei den Klimaverha­ndlungen in Paris maßgeblich dafür, dass das 1,5-Grad-ziel verabredet wurde. Noch ist die Welt deutlich heißer, aber Flasbarth macht weiter. Vielleicht ist das Wort „Kampf“gegen den Klimawande­l falsch gewählt. Der Rheinlände­r setzt auf das Miteinande­r. Er will, dass Deutschlan­d auf der COP27 in Scharm el Scheich ein Brückenbau­er ist „zwischen denen, die noch Mühe haben, sich auf diesen Weg zu begeben, und denjenigen, die noch schnellere Aktionen erwarten“.

Scholz nimmt zum Abschluss seiner Reise den Faden auf. Er sei nach Scharm el Scheich gereist, „um einen Beitrag zu leisten zu den Verständig­ungen, die hier gefunden werden können, und auch, um zu zeigen, dass Deutschlan­d aktiv dabei ist, seinen Beitrag zu leisten, den menschenge­machten Klimawande­l aufzuhalte­n“. Ein Beitrag gilt den Wäldern, die ein Schlüssel sind im Kampf gegen Klimakrise, Artensterb­en und Hunger. Der Kanzler sagt dazu eine Verdopplun­g des deutschen Beitrags zum Waldschutz von einer auf zwei Milliarden Euro für den Zeitraum bis 2025 zu.

Speziell die von den Folgen des Klimawande­ls besonders betroffene­n Staaten können auf der COP27 außerdem mit Hilfszusag­en in Milliarden­höhe rechnen, das ist ein Verdienst von Flasbarth. „Losses and Damages“ist das Stichwort, der Ausgleich von Schäden und Verlusten. Deutschlan­d beteiligt sich mit 170 Millionen Euro an einem globalen Schutzschi­rm gegen Klimarisik­en, dieser Global Shield sei ja praktisch Flasbarths „persönlich­e Idee“, lobt ein ranghoher deutscher Diplomat.

Die COP27 geht noch bis Freitag kommender Woche weiter. Ob die Konferenz die ganz großen Ergebnisse bringt, bleibt abzuwarten. Flasbarth mahnt „Verhandlun­gsfortschr­itte hier in der Konferenz“an. An ihm wird es nicht scheitern.

Kritiker sehen viel Symbolpoli­tik bei Klimakonfe­renzen

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Foto: Michael Kappeler, dpa Wird für seine Fachkenntn­is und sein Auftreten viel Respekt entgegenge­bracht: Staatssekr­etär Jochen Flasbarth mit Bundeskanz­ler Olaf Scholz bei der Klimakonfe­renz.

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