Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mehr Geld für die Arbeit im Knast
Gefangene in Bayern müssen während ihrer Haftzeit grundsätzlich arbeiten. Doch sie verdienen im Schnitt weniger als zwei Euro die Stunde. Ein Häftling aus Straubing findet das nicht gerecht und klagt dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht.
Dortmund/straubing Spielzeuge zusammenstecken, Haushaltsgeräte verpacken, Autokomponenten herstellen – das sind nur einige der Arbeiten, die Häftlinge in Justizvollzugsanstalten im Auftrag von Unternehmen ausführen. Unter den Firmen, die Aufträge an JVAS in Bayern vergeben, sind nach einem Bericht des Recherchenetzwerkes Correctiv auch namhafte Unternehmen wie MTU, BMW und Volkswagen. „Wir sind in der Lage, vielfältige Leistungen für Sie kostengünstig auszuführen“, wirbt die bayrische Justizverwaltung für ihre 34 Jva-standorte mit 5200 Gefangenen-arbeitsplätzen und fügt hinzu: „Die Zusammenarbeit mit den Justizvollzugsanstalten stellt für Unternehmen eine Alternative zu einer Produktionsverlagerung ins Ausland dar.“
Die Kehrseite davon: Häftlinge, für die in Bayern und den meisten anderen Bundesländern Arbeitspflicht gilt, verdienen im Schnitt weniger als zwei Euro die Stunde. Gegen diese aus ihrer Sicht unzureichende Bezahlung klagen Peter Roth, der in der JVA Straubing einsitzt, sowie ein weiterer Gefängnisinsasse aus Nordrhein-westfalen vor dem Bundesverfassungsgericht. Vertreten wird Roth vom Dortmunder Rechtsanwalt Sven Burkhardt. „Mehr als die Hälfte des Stundenlohns wird nicht ausbezahlt, sondern für die Begleichung von Schulden genommen. Roth muss 34.000 Euro Prozesskosten zahlen – das ist mit dem jetzigen Stundensatz nicht möglich“, sagt Burkhardt und fügt hinzu: „Die meisten Gefangenen werden mit Schulden entlassen.“Durch eine bessere Bezahlung könnten sie auch Opfer entschädigen und Unterhaltszahlungen leisten, was derzeit häufig nicht möglich sei.
Grundlage für die Entlohnung, die laut Burkhardt in Bayern je nach Schwere der Arbeit zwischen 10,66 Euro und 17,77 Euro am Tag liegt, ist eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1998. Danach haben Gefangene für ihre Arbeit Anspruch auf neun
Prozent des Durchschnittslohns – vorher waren es fünf Prozent. Roth fordert eine „extreme Erhöhung“. Ihren Lohn geben Gefangene häufig für Tabak oder besondere Lebensmittel aus. Auch Zuzahlungen etwa für Zahnersatz müssen sie davon finanzieren. Die Justizministerien verteidigen die jetzige Regelung. Sie sprechen von mangelnder Produktivität der Gefangenenarbeit und befürchten, dass bei deutlich höherer Entlohnung mehr Geld von den Auftraggebern verlangt werden müsse, was zum Verlust von Aufträgen führen könnte. Schon jetzt gebe es nicht genug Stellen für Gefangene. Auch verweisen sie auf die Haftkosten, die etwa in Nordrhein-westfalen für einen Einzelhaftraum und Verpflegung 464 Euro im Monat betragen. Wenn man diese Kosten berücksichtige, von denen arbeitende Straftäter befreit seien, liege ihr Monatslohn bei rund 750 Euro.
Burkhardt betont dagegen, dass bei besserer Bezahlung Gefangene an den Haftkosten beteiligt werden könnten – wie dies auch bei Freigängern der Fall sei, die tagsüber bei Firmen arbeiten und Anspruch auf den Mindestlohn haben. Für ihn geht es auch um grundsätzliche Änderungen: Bislang gebe es für Häftlinge weder Zahlungen an die Renten- und Krankenversicherung noch eine Entlohnung im Krankheitsfall. Burkhardt vertritt Roth zusammen mit Christine Graebsch vor dem Bundesverfassungsgericht. Die Professorin der Fachhochschule Dortmund fordert, dass sich Arbeit in den JVAS sich nicht weiter am Bedarf von Auftraggebern ausrichten dürfe, sondern die Fähigkeiten und Arbeitsmarktperspektiven der Gefangenen im Mittelpunkt stehen müssten – nur dann diene sie der Resozialisierung.
In der Region haben die JVAS in Aichach, Augsburg-gablingen, Kempten, Landsberg, Neuburgherrenwörth und Niederschönenfeld Abteilungen, in denen Häftlinge
Auftragsarbeiten ausführen, in Druckereien, Schreinereien, Schlossereien, Kfz-werkstätten, Wäschereien und Lackierereien. Zudem stellen sie eigene Produkte wie Taschen, Schuhe, Spiele oder Bürostühle her, die unter der Marke „Haftsache“von der Serviceund Koordinierungsstelle für das vollzugliche Arbeitswesen in Rain verkauft werden.
Unternehmen halten sich bei dem Thema eher bedeckt. Vor einem Jahr hatte der Fürther Spielwarenhersteller Bruder gegenüber Correctiv angegeben, dass es bei den Gefängnissen deutliche Preisunterschiede gebe und dass man bei einer wesentlichen Kostensteigerung die Produktion ins Ausland verlagern müsse. Auf Nachfrage, was man aktuell pro Stunde an die beauftragte JVA in Bayern zahle und welche Preiserhöhung akzeptabel wäre, heißt es nur: „Zu Ihrer Anfrage informieren wir Sie, dass wir keine weitere Stellungnahme zum Thema abgeben.“