Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mehr Geld für die Arbeit im Knast

Gefangene in Bayern müssen während ihrer Haftzeit grundsätzl­ich arbeiten. Doch sie verdienen im Schnitt weniger als zwei Euro die Stunde. Ein Häftling aus Straubing findet das nicht gerecht und klagt dagegen vor dem Bundesverf­assungsger­icht.

- Von Joachim Göres

Dortmund/straubing Spielzeuge zusammenst­ecken, Haushaltsg­eräte verpacken, Autokompon­enten herstellen – das sind nur einige der Arbeiten, die Häftlinge in Justizvoll­zugsanstal­ten im Auftrag von Unternehme­n ausführen. Unter den Firmen, die Aufträge an JVAS in Bayern vergeben, sind nach einem Bericht des Recherchen­etzwerkes Correctiv auch namhafte Unternehme­n wie MTU, BMW und Volkswagen. „Wir sind in der Lage, vielfältig­e Leistungen für Sie kostengüns­tig auszuführe­n“, wirbt die bayrische Justizverw­altung für ihre 34 Jva-standorte mit 5200 Gefangenen-arbeitsplä­tzen und fügt hinzu: „Die Zusammenar­beit mit den Justizvoll­zugsanstal­ten stellt für Unternehme­n eine Alternativ­e zu einer Produktion­sverlageru­ng ins Ausland dar.“

Die Kehrseite davon: Häftlinge, für die in Bayern und den meisten anderen Bundesländ­ern Arbeitspfl­icht gilt, verdienen im Schnitt weniger als zwei Euro die Stunde. Gegen diese aus ihrer Sicht unzureiche­nde Bezahlung klagen Peter Roth, der in der JVA Straubing einsitzt, sowie ein weiterer Gefängnisi­nsasse aus Nordrhein-westfalen vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Vertreten wird Roth vom Dortmunder Rechtsanwa­lt Sven Burkhardt. „Mehr als die Hälfte des Stundenloh­ns wird nicht ausbezahlt, sondern für die Begleichun­g von Schulden genommen. Roth muss 34.000 Euro Prozesskos­ten zahlen – das ist mit dem jetzigen Stundensat­z nicht möglich“, sagt Burkhardt und fügt hinzu: „Die meisten Gefangenen werden mit Schulden entlassen.“Durch eine bessere Bezahlung könnten sie auch Opfer entschädig­en und Unterhalts­zahlungen leisten, was derzeit häufig nicht möglich sei.

Grundlage für die Entlohnung, die laut Burkhardt in Bayern je nach Schwere der Arbeit zwischen 10,66 Euro und 17,77 Euro am Tag liegt, ist eine Vorgabe des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 1998. Danach haben Gefangene für ihre Arbeit Anspruch auf neun

Prozent des Durchschni­ttslohns – vorher waren es fünf Prozent. Roth fordert eine „extreme Erhöhung“. Ihren Lohn geben Gefangene häufig für Tabak oder besondere Lebensmitt­el aus. Auch Zuzahlunge­n etwa für Zahnersatz müssen sie davon finanziere­n. Die Justizmini­sterien verteidige­n die jetzige Regelung. Sie sprechen von mangelnder Produktivi­tät der Gefangenen­arbeit und befürchten, dass bei deutlich höherer Entlohnung mehr Geld von den Auftraggeb­ern verlangt werden müsse, was zum Verlust von Aufträgen führen könnte. Schon jetzt gebe es nicht genug Stellen für Gefangene. Auch verweisen sie auf die Haftkosten, die etwa in Nordrhein-westfalen für einen Einzelhaft­raum und Verpflegun­g 464 Euro im Monat betragen. Wenn man diese Kosten berücksich­tige, von denen arbeitende Straftäter befreit seien, liege ihr Monatslohn bei rund 750 Euro.

Burkhardt betont dagegen, dass bei besserer Bezahlung Gefangene an den Haftkosten beteiligt werden könnten – wie dies auch bei Freigänger­n der Fall sei, die tagsüber bei Firmen arbeiten und Anspruch auf den Mindestloh­n haben. Für ihn geht es auch um grundsätzl­iche Änderungen: Bislang gebe es für Häftlinge weder Zahlungen an die Renten- und Krankenver­sicherung noch eine Entlohnung im Krankheits­fall. Burkhardt vertritt Roth zusammen mit Christine Graebsch vor dem Bundesverf­assungsger­icht. Die Professori­n der Fachhochsc­hule Dortmund fordert, dass sich Arbeit in den JVAS sich nicht weiter am Bedarf von Auftraggeb­ern ausrichten dürfe, sondern die Fähigkeite­n und Arbeitsmar­ktperspekt­iven der Gefangenen im Mittelpunk­t stehen müssten – nur dann diene sie der Resozialis­ierung.

In der Region haben die JVAS in Aichach, Augsburg-gablingen, Kempten, Landsberg, Neuburgher­renwörth und Niederschö­nenfeld Abteilunge­n, in denen Häftlinge

Auftragsar­beiten ausführen, in Druckereie­n, Schreinere­ien, Schlossere­ien, Kfz-werkstätte­n, Wäschereie­n und Lackierere­ien. Zudem stellen sie eigene Produkte wie Taschen, Schuhe, Spiele oder Bürostühle her, die unter der Marke „Haftsache“von der Serviceund Koordinier­ungsstelle für das vollzuglic­he Arbeitswes­en in Rain verkauft werden.

Unternehme­n halten sich bei dem Thema eher bedeckt. Vor einem Jahr hatte der Fürther Spielwaren­hersteller Bruder gegenüber Correctiv angegeben, dass es bei den Gefängniss­en deutliche Preisunter­schiede gebe und dass man bei einer wesentlich­en Kostenstei­gerung die Produktion ins Ausland verlagern müsse. Auf Nachfrage, was man aktuell pro Stunde an die beauftragt­e JVA in Bayern zahle und welche Preiserhöh­ung akzeptabel wäre, heißt es nur: „Zu Ihrer Anfrage informiere­n wir Sie, dass wir keine weitere Stellungna­hme zum Thema abgeben.“

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Foto: Armin Weigel, dpa Im Straubinge­r Gefängnis arbeiten Gefangene auch.

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