Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ist das Gratisscha­uen bald vorbei?

Wer einen Streamingd­ienst nutzt, teilt seinen Zugang oft mit anderen. Das ist eigentlich nicht erlaubt und die Anbieter versuchen das mit immer neuen Maßnahmen zu verhindern. Was geht und was nicht.

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Berlin/frankfurt Es war schon etwas umständlic­h damals, als Filme noch auf Trägermedi­en gefangen waren. Umständlic­h, wenn man die Vhs-kassetten borgen musste, und teuer, wenn man sie kaufte. Wer selbst etwas verlieh, musste den Kassetten dann hinterherl­aufen, um sie wiederzube­kommen. Auch mit DVDS oder Blu-rays änderte sich das im Prinzip nicht. Im Streaming-zeitalter dagegen funktionie­rt zumindest das Teilen deutlich einfacher: Es gibt ein Konto und ein Passwort, das theoretisc­h problemlos weitergege­ben werden kann.

Die Gründe fürs Teilen liegen auf der Hand: Nutzen mehrere ein Streaming-konto, funktionie­rt das meist mühelos, und sie sparen Geld. Mehr noch: Das Teilen ist anders als bei physischen Datenträge­rn mit keinerlei Einschränk­ungen verbunden, da man selbst gar nichts abgeben oder verleihen muss, das einem dann vielleicht fehlt. Außerdem kann das Teilen den Familien- oder Wg-frieden retten, weil man sich nicht zwangsläuf­ig auf einen Film oder eine Serie einigen muss.

„Viele Dienste bieten Familienac­counts an, die innerhalb der Familie oder auch einer Wohngemein­schaft genutzt werden dürfen“, sagt der Berliner Streaminge­xperte Marcus S. Kleiner von der Fachhochsc­hule SRH Berlin University of Applied Sciences. Im Normalfall dürfen aber eben nur zusammenle­bende Menschen ein Streaming-konto gemeinsam nutzen. Das ist in den Nutzungsbe­dingungen der meisten Dienste festgeschr­ieben. Dass sich daran längst nicht alle halten, wissen die Streamingd­ienste natürlich auch.

Mit Verweis auf die Nutzungsbe­dingungen erinnern Unternehme­n

wie Dazn, Netflix oder Sky Abonnenten und Abonnentin­nen immer mal wieder per E-mail daran, dass ihr Dienst nur auf Geräten im eigenen Haushalt gestreamt werden darf und das Teilen der Anmeldedat­en mit Dritten untersagt ist: Haushaltsf­remde Geräte möge man bitte aus der Liste der Streaming-geräte entfernen oder auch gleich sein Passwort ändern.

Netflix geht noch einen Schritt weiter. Seit August 2022 testet der Konzern, Gebühren für die Nutzung auf einem zusätzlich­en Fernseher zu erheben. Zunächst nur in fünf mittel- und südamerika­nischen Staaten. Bereits seit März 2022 gibt es zudem in drei anderen lateinamer­ikanischen Ländern die Option, Unterkonte­n für bis zu zwei Personen außerhalb des eigenen Haushalts dazu zu buchen. Für den Medienwiss­enschaftle­r Prof. Gerd Hallenberg­er ist das „ein mehr oder weniger zähneknirs­chendes Eingehen auf eine Nutzungspr­axis, die Netflix ohnehin nicht verhindern kann“.

Dass man nur auf einer begrenzten Anzahl von Geräten gleichzeit­ig eingeloggt sein oder parallel streamen kann, ist bekannt. Neu ist aber, dass Netflix nun beim bereits erwähnten Pilotproje­kt in Mittel- und Südamerika Ip-adressen und Device-ids erfasst, um erkennen zu können, ob die Nutzungsbe­dingungen

Thomas

umgangen werden. Wäre so eine Orts- und Endgerätek­ontrolle auch hierzuland­e denkbar?

„Aus Datenschut­zgründen wäre das in Deutschlan­d problemati­sch“, sagt der Frankfurte­r Medienanwa­lt Severin Riemenschn­eider. Allerdings hat Netflix in der Vergangenh­eit schon einmal vereinzelt Nutzerinne­n und Nutzer aufgeforde­rt, ihre Identität per

Code zu bestätigen. Die Codes waren an die im Kundenkont­o hinterlegt­e E-mail-adresse oder per SMS an die hinterlegt­e Handynumme­r verschickt worden. Solche „technische­n Schutzmaßn­ahmen“dürfen grundsätzl­ich nicht umgangen werden, sagt Jurist Riemenschn­eider. Wer es dennoch tut, begehe zumindest in aller Regel keine Straftat: „Es könnte höchstens um Unterlassu­ngs- oder Schadeners­atzansprüc­he gehen.“Diese zivilrecht­lich und mit Klagen zu verfolgen, würde sich Riemenschn­eider zufolge für die Unternehme­n „aber kaum lohnen“und „einen massiven Reputation­sverlust“bedeuten.

Dennoch hat die laut Kleiner „gängige Praxis, Accounts zu teilen“, Konsequenz­en für die Nutzer – und zwar in finanziell­er Hinsicht. Die illegale Nutzung werde mit einem höheren Abopreis bezahlt, sagt der Experte. Die „Finanzieru­ngsschiefl­age“im Streaming sei offensicht­lich. 2022 gab es Preisrunde­n bei etlichen Streaminga­nbietern. Gleichzeit­ig tauchen werbefinan­zierte Modelle auf. So hat Amazon kürzlich sein kostenlose­s Angebot Freevee gestartet. Damit gleiche sich Streaming immer mehr dem klassische­n Fernsehen an, sagt Kleiner. Er sagt: „Werbung ist der Tod der Idee Streaming.“

Trotzdem probiert es nun auch Netflix auf dieser Schiene und hat ein sehr günstiges Abo mit Werbung für fünf Euro monatlich eingeführt. Hinzu kommt ein weiterer Schritt, um das Teilen von Konten einzuschrä­nken und mehr bezahlte Abos zu verkaufen. Zuschauer, die ein Konto nutzen, das nicht ihr eigenes ist, können ihr Profil neuerdings exportiere­n, um mit ihrem Sehverlauf und ihren Listen eine eigene Mitgliedsc­haft zu starten. (Johannes Hülstrung, dpa)

Die illegale Nutzung führt zu höheren Abopreisen

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Foto: Franziska Gabbert, Streaming löst das klassische Fernsehen immer mehr ab.

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