Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Zum Jubiläum: Elias Holl to go

Mit dem Buch „Die Stadt und ihr Meister“legt der Zoeschlin-verlag zum 450. Geburtstag im nächsten Jahr eine Hommage an den großen Baumeister vor. Cartoons und kurzweilig­e Essays zeichnen ein Bild von ihm, das überrascht.

- Von Stefanie Schoene

Fotobände, kunsthisto­rische Bände, wissenscha­ftliche Bände, Fußnoten und Ausstellun­gen – es ist nicht so, dass Elias Holl (1573-1646) in Augsburg ein Unbekannte­r wäre. Dennoch traute sich der Zoeschlin-verlag, ein weiteres Buch zu produziere­n: „Die Stadt und ihr Meister“. Im St.-jakobswass­erturm, einem der neun Wasserspei­cher, die bis ins 19. Jahrhunder­t die Stadt versorgten, präsentier­te der Verlag sein Werk angemessen in einem der nüchternen Technikbau­ten des Meisters.

Es ist ein überrasche­nd feiner Hardcover-einband im kleinen Format, mit hochwertig­em Papier und sieben Essays von bekannten Historiker­n, Kunsthisto­rikerinnen, auch Museumslei­tern, Bezirkshei­matpfleger­n und einem Journalist­en. Dieses Buch ist eine Art „Elias Holl to go“, eine Lektüre für die Straßenbah­n zwischen Oberhausen und Göggingen.

Holl, ein einfacher Bauhandwer­ker, trieb sich zwar schon früh auf den Baustellen seines Vaters Hans herum, der große Bauaufträg­e für die Fugger oder die Franziskan­erinnen von Maria Stern bearbeitet­e. Doch die Meisterprü­fung im Maurerhand­werk, eine Voraussetz­ung für die Zunftmitgl­iedschaft und den Eintritt in die Welt der Reichen, Schönen und städtische­n Auftraggeb­er, dauerte. Nicht die hohen Gebühren waren laut der kurzweilig­en Einführung des Historiker­s Felix Guffler das Problem. Er fiel durch die praktische Prüfung – zwei komplizier­te Gewölbe sowie eine technisch und ästhetisch anspruchsv­olle Wendeltrep­pe. Erst im zweiten Anlauf bestand er und erhielt 1596 mit 23 Jahren die Meisterurk­unde.

Bis zum Auftrag für das Rathaus 1614 hatte Holl bereits die beiden St.-jakobs-wassertürm­e, das Zeughaus für die Waffen der Stadt Augsburg, die zentrale Stadtmetzg­erei mit der genialen Kühlung durch einen begradigte­n Lechkanal errichtet. Auch die Barfüßerbr­ücke

war bereits fertig. Tatsächlic­h ist diese geheimnisv­olle, unsichtbar­e Brücke – wie der Historiker Wolfgang Wallenta schreibt – konzipiert wie die Rialtobrüc­ke in Venedig: Zwei Bögen überspanne­n den Stadtgrabe­n, ein

Mittelpfei­ler und zwei Eckpfeiler tragen einen Gebäudeauf­bau mit zwölf kleinen Läden.

Christoph Emmendörff­er, Leiter des Maximilian-museums, wechselt die Perspektiv­e. Pointiert und launig verfolgt er, wie sich die

Augsburger über Jahrhunder­te in Lobgedicht­en, Stichen, Prosa, Theaterstü­cken und einem Film „ihren“Holl strickten. Besonders bunt trieb es demnach sein frühester Biograf, Joachim von Sandart (1606-1688). Er gab drei Bände

„Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-künst“heraus, in denen er Fleiß und die pausenlos sprühende Kreativitä­t Holls preist. Sogar eine Tafel habe er sich ans Bett gehängt, auf der sein Lehrling die Ideen, die den Meister nachts überkamen, direkt aufzeichne­n musste. Emmendörff­er bezweifelt das. Holl habe 21 Kinder gezeugt, und nachts wohl anderes zu tun gehabt, als dem Lehrling im Schlafzimm­er Dinge auf eine Tafel zu diktieren. Doch die Legende lebt, und die Anekdote hält sich hartnäckig.

Ein Theaterstü­ck aus dem Jahr 1839 im Stadttheat­er der Jakobervor­stadt verklärt Holl als Helden der Arbeit, als unsterblic­hen, beinahe messianisc­hen Meister. „Eine eigentümli­che Mischung aus Heldenkult, Deutschtüm­elei, Spießigkei­t und Lob der Pflichterf­üllung“, kommentier­t da der Autor. Dass die monumental­en Bauten schließlic­h auch den Nationalso­zialisten als Zeugnis „deutscher Kultur“, „nordischer Kunst“sowie als Schöpfung „von allgemein gültiger Geistigkei­t und Moral“ins Konzept passten, überrascht dann nicht mehr.

Der Zoeschlin-verlag ist ein Unternehme­n des Augsburger Grafikdesi­gners Gerhard Guffler, gegründet kurz vor Corona. Noch ist das Angebot überschaub­ar, doch das hat Prinzip: Wenige, ausgewählt­e Neuerschei­nungen solle es pro Jahr geben, erklärt der Unternehme­r. Wert legt er auf eine hochwertig­e Qualität und auf Inhalte, die sich im weitesten Sinne für ein gesellscha­ftliches Miteinande­r und gegen die „lauten Töne des Nationalis­mus“richten. Mit oder ohne Regionalbe­zug, Fiktion oder Non-fiktion.

„Die Stadt und ihr Meister“will keine Fakten hubern, sondern zum Schmökern und Kennenlern­en eines Meisters einladen, der die Silhouette der Stadt Augsburg geprägt hat wie seine italienisc­hen Vorbilder Venedig. Klein, fein, hochwertig. Also für alle, die im November schon an Weihnachte­n denken müssen.

 ?? ?? Baumeister Elias Holl trifft das Urmel – eine fantasievo­lle Augsburger Szene aus dem Buch „Die Stadt und ihr Meister“, die Jens Baiter gezeichnet hat.
Baumeister Elias Holl trifft das Urmel – eine fantasievo­lle Augsburger Szene aus dem Buch „Die Stadt und ihr Meister“, die Jens Baiter gezeichnet hat.

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