Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Zum Jubiläum: Elias Holl to go
Mit dem Buch „Die Stadt und ihr Meister“legt der Zoeschlin-verlag zum 450. Geburtstag im nächsten Jahr eine Hommage an den großen Baumeister vor. Cartoons und kurzweilige Essays zeichnen ein Bild von ihm, das überrascht.
Fotobände, kunsthistorische Bände, wissenschaftliche Bände, Fußnoten und Ausstellungen – es ist nicht so, dass Elias Holl (1573-1646) in Augsburg ein Unbekannter wäre. Dennoch traute sich der Zoeschlin-verlag, ein weiteres Buch zu produzieren: „Die Stadt und ihr Meister“. Im St.-jakobswasserturm, einem der neun Wasserspeicher, die bis ins 19. Jahrhundert die Stadt versorgten, präsentierte der Verlag sein Werk angemessen in einem der nüchternen Technikbauten des Meisters.
Es ist ein überraschend feiner Hardcover-einband im kleinen Format, mit hochwertigem Papier und sieben Essays von bekannten Historikern, Kunsthistorikerinnen, auch Museumsleitern, Bezirksheimatpflegern und einem Journalisten. Dieses Buch ist eine Art „Elias Holl to go“, eine Lektüre für die Straßenbahn zwischen Oberhausen und Göggingen.
Holl, ein einfacher Bauhandwerker, trieb sich zwar schon früh auf den Baustellen seines Vaters Hans herum, der große Bauaufträge für die Fugger oder die Franziskanerinnen von Maria Stern bearbeitete. Doch die Meisterprüfung im Maurerhandwerk, eine Voraussetzung für die Zunftmitgliedschaft und den Eintritt in die Welt der Reichen, Schönen und städtischen Auftraggeber, dauerte. Nicht die hohen Gebühren waren laut der kurzweiligen Einführung des Historikers Felix Guffler das Problem. Er fiel durch die praktische Prüfung – zwei komplizierte Gewölbe sowie eine technisch und ästhetisch anspruchsvolle Wendeltreppe. Erst im zweiten Anlauf bestand er und erhielt 1596 mit 23 Jahren die Meisterurkunde.
Bis zum Auftrag für das Rathaus 1614 hatte Holl bereits die beiden St.-jakobs-wassertürme, das Zeughaus für die Waffen der Stadt Augsburg, die zentrale Stadtmetzgerei mit der genialen Kühlung durch einen begradigten Lechkanal errichtet. Auch die Barfüßerbrücke
war bereits fertig. Tatsächlich ist diese geheimnisvolle, unsichtbare Brücke – wie der Historiker Wolfgang Wallenta schreibt – konzipiert wie die Rialtobrücke in Venedig: Zwei Bögen überspannen den Stadtgraben, ein
Mittelpfeiler und zwei Eckpfeiler tragen einen Gebäudeaufbau mit zwölf kleinen Läden.
Christoph Emmendörffer, Leiter des Maximilian-museums, wechselt die Perspektive. Pointiert und launig verfolgt er, wie sich die
Augsburger über Jahrhunderte in Lobgedichten, Stichen, Prosa, Theaterstücken und einem Film „ihren“Holl strickten. Besonders bunt trieb es demnach sein frühester Biograf, Joachim von Sandart (1606-1688). Er gab drei Bände
„Teutsche Academie der Edlen Bau-, Bild- und Mahlerey-künst“heraus, in denen er Fleiß und die pausenlos sprühende Kreativität Holls preist. Sogar eine Tafel habe er sich ans Bett gehängt, auf der sein Lehrling die Ideen, die den Meister nachts überkamen, direkt aufzeichnen musste. Emmendörffer bezweifelt das. Holl habe 21 Kinder gezeugt, und nachts wohl anderes zu tun gehabt, als dem Lehrling im Schlafzimmer Dinge auf eine Tafel zu diktieren. Doch die Legende lebt, und die Anekdote hält sich hartnäckig.
Ein Theaterstück aus dem Jahr 1839 im Stadttheater der Jakobervorstadt verklärt Holl als Helden der Arbeit, als unsterblichen, beinahe messianischen Meister. „Eine eigentümliche Mischung aus Heldenkult, Deutschtümelei, Spießigkeit und Lob der Pflichterfüllung“, kommentiert da der Autor. Dass die monumentalen Bauten schließlich auch den Nationalsozialisten als Zeugnis „deutscher Kultur“, „nordischer Kunst“sowie als Schöpfung „von allgemein gültiger Geistigkeit und Moral“ins Konzept passten, überrascht dann nicht mehr.
Der Zoeschlin-verlag ist ein Unternehmen des Augsburger Grafikdesigners Gerhard Guffler, gegründet kurz vor Corona. Noch ist das Angebot überschaubar, doch das hat Prinzip: Wenige, ausgewählte Neuerscheinungen solle es pro Jahr geben, erklärt der Unternehmer. Wert legt er auf eine hochwertige Qualität und auf Inhalte, die sich im weitesten Sinne für ein gesellschaftliches Miteinander und gegen die „lauten Töne des Nationalismus“richten. Mit oder ohne Regionalbezug, Fiktion oder Non-fiktion.
„Die Stadt und ihr Meister“will keine Fakten hubern, sondern zum Schmökern und Kennenlernen eines Meisters einladen, der die Silhouette der Stadt Augsburg geprägt hat wie seine italienischen Vorbilder Venedig. Klein, fein, hochwertig. Also für alle, die im November schon an Weihnachten denken müssen.