Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Golden Rice, Rice Fusion, Rice Bar, Royal Dragon: Das Reich der Lais
Viet Lai ist einer der rührigsten Gastronomen Augsburgs. Inzwischen betreibt er vier Restaurants und einen Imbiss. Eine Geschichte über Gelegenheiten und Mut.
Man glaubt es kaum, aber es gab eine Zeit, da fanden sich in Augsburg nur ein, zwei vietnamesische Restaurants. Allein in den vergangenen vier Jahren kamen zehn hinzu. Einer der rührigsten Gastronomen der Stadt ist Viet Lai. Mit seiner modernen Version der vietnamesischen Küche, die auch Einflüsse anderer asiatischer Länder aufgreift, hat er bereits Erfolge gefeiert. Seine Lokale Golden Rice, Rice Fusion und die Rice Bar sind gut besucht, Ende vergangenen Jahres kam noch das Royal Dragon in der Provinostraße dazu.
Eigentlich, sagt Lai, begann alles vor über 20 Jahren. 2000 kam er nach Deutschland, als Jugendlicher mit seiner Familie, die in ihrer Heimat Vietnam keine Zukunft sah. Die Mutter eröffnete einen Imbiss in Leipzig, den sie bis ins Rentenalter betrieb. Er habe oft mitgeholfen, so Lai. Viel erzählt er über diese Zeit, die Anfänge in Deutschland nicht. Überhaupt ist der 38-Jährige ein zurückhaltender Gesprächspartner. Höflich antwortet er auf Fragen, ins Reden kommt er dabei nie.
Lai, der an diesem Vormittag in seinem neuesten Restaurant sitzt und gerade noch die frische Ware inspiziert hat, wirkt durch und durch wie ein Geschäftsmann: schwarzes Hemd, Anzughose, das Handydisplay immer in Sichtweite auf dem Tisch. Kurz zuvor hatte er noch auf Vietnamesisch telefoniert und gleichzeitig seinen Mitarbeiter um einen Espresso gebeten. Es lässt sich nur erahnen, wie viel Arbeit an diesem Tag noch auf ihn wartet. Denn bei aller Geschäftigkeit, die Lai ausstrahlt, tut er dies gleichzeitig mit einer auffallenden Ruhe. Für seine Antworten nimmt er sich Zeit, für eine besonders. Ob seine Mutter stolz auf ihn sei? „Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Vielleicht schon. Über so etwas spricht man bei uns nicht“, sagt Lai schließlich. Dabei hat der Gastronom einen fast märchenhaften Aufstieg hinter sich.
Vor vier Jahren eröffnete Lai sein erstes Lokal in Augsburg: das Golden Rice in der Jakobervorstadt. Zuvor hatte er in München und anderen Städten als Teamleiter in verschiedenen Restaurants gearbeitet und als Franchise-nehmer Erfahrungen mit dem Imbiss Haiky in der Augsburger City-galerie gesammelt. Das kleine Lokal, in dem es gebratene Nudeln, knusprige Ente und weitere Klassiker der asiatischen Küche gibt, betreibt Lai bis heute, seit nunmehr zehn Jahren.
„Ich kannte die Branche gut und wusste, worauf ich mich einlasse“, sagt er. „Und ich wusste, was mir in Augsburg fehlt.“Das Golden Rice – so das Ziel – sollte Augsburgs asiatische Gastronomieszene „auf das nächste Level heben“.
Acht Monate musste das Restaurant, in dem sich früher viele Jahre der Wienerwald befand, saniert und umgebaut werden. Rund 150 Sitzplätze gibt es, verteilt in Nischen und offenen Flächen, 50 weitere auf der Außenterrasse. „Möbel, Deko und sogar die Teller haben wir in Containern aus Vietnam herschiffen lassen“, erzählt Lai. Authentisch sein, das sei ihm wichtig. Vor allem bei den Gerichten. Im Golden Rice gibt es ein breites Angebot – von Sommerrollen über Dumplings bis hin zu Pho-nudelsuppen: „Heutzutage kennen viele die vietnamesische Küche gut, waren oft selbst schon mal in Vietnam. Da können wir keine Kompromisse machen.“
Lais Plan ging auf – das Golden Rice wurde in Augsburg zu einer beliebten Adresse. Nur ein Jahr später, im September 2019, eröffnete der Gastronom mit dem Rice Fusion in der Frölichstraße sein zweites Restaurant. Die Küche ist ähnlich wie die des Golden Rice, etwas gehobener, das Lokal ein wenig kleiner. „Wenn etwas Passendes kommt, muss man zuschlagen“, sagt Lais Frau Lien, mit der er alle Geschäftsentscheidungen abstimmt. Sie sei etwas spät, entschuldigt sich die 37-Jährige, während sie sich setzt. „Die Kinder“, sagt sie nur knapp, dann erzählt sie vom Rice Fusion. Sie habe vor allem in dem kleinen Garten großes Potenzial gesehen, nach mehreren Monaten Umbau konnten die ersten Gäste empfangen werden. „Wir haben nicht geplant, ein Lokal nach dem anderen zu eröffnen. Wir haben einfach immer wieder eine Gelegenheit ergriffen“, sagt Lien Lai. Und ihr Mann fügt hinzu: „Wir hätten doch selbst nicht gedacht, dass wir nach vier Jahren vier Restaurants haben.“Ob das alles nicht auch manchmal etwas viel sei? Viet
Lai lächelt und sieht zu seiner Frau: „Wir sind ein gutes Team, nur so funktioniert es.“Dann sagt er aber auch: „Natürlich ist das viel, das alles am Laufen zu halten. Ich arbeite täglich über zwölf Stunden, auch am Wochenende.“Es brauche eben Absprachen, betont seine Frau Lien. Es sei immer klar gewesen, dass sie sich größtenteils um die beiden Söhne und er sich ums Geschäft kümmere. Und dann sei da noch eine wichtige Sache: „Vertrauen haben in das, was kommt. Diese Einstellung eint uns“, sagt Lien Lai.
Vertrauen braucht man auch, wenn man in Zeiten einer Pandemie zwei weitere Lokale eröffnet. Die Rice Bar in der Bürgermeister-fischer-straße folgte im Mai 2020. „Zum Glück setzen wir hier vor allem auf Take Away“, sagt Viet Lai. „Richtig rund“aber laufe das Geschäft erst seit diesem Frühjahr. „Manchmal muss man geduldig sein“, so der Geschäftsmann, bei dem vieles so leicht klingt. Überhaupt, je länger man Viet Lai und seine Frau beobachtet und sich mit ihnen unterhält, desto mehr bekommt man das Gefühl: Eigentlich sind sie die perfekte Verkörperung des Sinnspruchs „In der Ruhe liegt die Kraft“.
Das Royal Dragon in der Provinostraße, in das die Lais zum Gespräch eingeladen haben, eröffnete vor bald einem Jahr. Normalerweise sieht man das Paar hier nicht an einem der Tische sitzen. Man halte sich lieber im Hintergrund, heißt es. „Wenn ich etwas in einem meiner Lokale esse, dann immer gemeinsam mit dem Personal in der Küche“, erzählt Viet Lai. Das Restaurant sei für die Gäste. Nach einem Komplettumbau erinnert auch hier nahezu nichts mehr an frühere Zeiten. Zwei Drachen, der Feuer- und der Wasserdrache, „wachen“als Glas- und Wandbild über das Wohl der maximal 90 Gäste. Weitere 100 finden auf der großen Außenterrasse Platz. Das Konzept unterscheidet sich von den drei anderen Restaurants: Der Fokus im Royal Dragon liegt auf japanischen Spezialitäten, allem voran auf den Sushi-variationen. Die sind kreativ und edel, sie haben aber auch ihren Preis. Das Royal Dragon ist das gehobenste Restaurant der Lais.
Gehe denn immer noch mehr? Sei gar schon ein fünftes Restaurant in Planung? Viet Lai lächelt und winkt ab. „Erst mal nicht. Aber wer weiß schon, welche Gelegenheiten die Zukunft bringt.“
„Wir hätten nicht gedacht, nach vier Jahren vier Restaurants zu haben“