Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Dauerstreit über Waffenlieferungen
Seitdem Putin die Ukraine mit einem Angriffskrieg überzieht, wird in der evangelischen Kirche kontrovers über das Thema diskutiert, zuletzt bei der Ekd-synode. Die fand nun immer noch keine Position dazu – und beschloss ein Tempolimit für Bischöfe. Eine A
Magdeburg Es sind vor allem zwei Erkenntnisse, die die am Mittwoch in Magdeburg zu Ende gegangene „3. Tagung der 13. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)“erbrachte: Noch immer ringt die Kirche und ihr Parlament um eine konkrete Haltung zu deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine. Und noch immer vermag es die vor einem Jahr zur Ratsvorsitzenden gewählte Annette Kurschus nicht, in einer breiteren Öffentlichkeit durchzudringen.
Letzteres zeichnete sich ab. Kurschus ist von ihrer Persönlichkeit und von ihren Schwerpunktsetzungen her anders als ihr Vorgänger Heinrich Bedford-strohm, und das ist per se nichts Negatives. Nur: Eine wahrnehmbarere „evangelische“Stimme in diesen unsicheren und polarisierten Zeiten wäre eben wünschenswert in den großen gesellschaftlichen Debatten. Dabei ist es beileibe nicht so, dass die brillante Predigerin nichts sagen würde oder nichts zu sagen hätte. Allerdings sind andere Stimmen debattenprägend. Zum Beispiel die des Ekd-friedensbeauftragten Friedrich Kramer, der sich wiederholt gegen Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine aussprach. Und das jetzt wieder tat – selbst noch nach langen Monaten russischer Kriegsverbrechen in Butscha und vielen, vielen anderen Orten – und angesichts klarer russischer Absichtserklärungen, die Ukraine auslöschen zu wollen.
Kramer fragte auch: „Fürchten wir die Anschlussfähigkeit an die Gesellschaft zu verlieren, wenn wir zu pazifistisch in der Kriegsfrage argumentieren?“Eine verquere Frage, gestellt aus einer verdrehten Perspektive heraus. Sollte es nicht um die bedrohte ukrainische Bevölkerung gehen statt um eigene Befindlichkeiten?
Im Gegensatz zu den katholischen Bischöfen, die Waffenlieferungen für legitim halten und mit dieser Position früh und entschieden Stellung bezogen, ist der Eindruck entstanden, dass die EKD nach wie vor wenig mehr als eine pazifistische und moralische Maximalposition anzubieten hat. Dazu haben auch Äußerungen von Kurschus beigetragen. Die musste sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen, nachdem sie am Reformationstag in einer Predigt Gespräche über eine Waffenruhe gefordert hatte. Laut Manuskript sagte sie, dass ein „annähernd gerechter Friede“nur werden könne, „wo Menschen miteinander reden und verhandeln. Und das geht nur, wenn der ,böse Feind’ nicht zum Teufel ernannt wird“. Man soll den russischen Präsidenten Putin, den sie selbst als Kriegstreiber bezeichnete, nicht verteufeln? Kurschus macht es der Öffentlichkeit nicht leicht, ihr zu folgen.
Dabei gibt es unter den insgesamt 128 Synodalen – die Synode ist eines der drei Leitungsorgane der EKD, zu deren 20 evangelischen Landeskirchen knapp 20 Millionen Mitglieder zählen – deutliche und deutlich andere Vorstellungen zum Themenkomplex Krieg, Frieden und Waffenlieferungen, die die radikalpazifistische Position des Friedensbeauftragten eher als eine Minderheitenposition erscheinen lassen. Die EKD jedenfalls will nun ihre friedensethischen Positionen überdenken, wie es hieß. Eine „Friedenswerkstatt“solle 2023 ihre Arbeit aufnehmen. Dabei handelt es sich um einen mehrjährigen Gesprächsprozess.
Auf der Abschluss-pressekonferenz sagte Synodenpräses Annanicole Heinrich, es werde kontrovers über die geeigneten Mittel zur Unterstützung der Ukraine gestritten. Sie sprach von der Notwendigkeit, jetzt einen „offenen und ehrlichen Diskurs zu wagen“, gerade auch in den Kirchengemeinden. Eine Festlegung zu Waffenlieferungen vermied das Kirchenparlament. Wie schwer sich die evangelische Kirche mit dem Thema tut, wird mit Blick auf andere Positionierungen offenbar. So wurde per Synoden-beschluss als konkrete Maßnahme gegen den Klimawandel ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Straßen von höchstens 120 Stundenkilometern befürwortet. Sowie eine Selbstverpflichtung, bei Fahrten im kirchlichen Kontext ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen und 80 Stundenkilometern auf Landstraßen einzuhalten. Ein „Tempolimit für Bischöfe“! Kurschus hatte übrigens im Laufe dieser Debatte davor gewarnt, dass die evangelische Kirche „zu sehr mit einem moralischen Ton“auftrete.