Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Dauerstrei­t über Waffenlief­erungen

Seitdem Putin die Ukraine mit einem Angriffskr­ieg überzieht, wird in der evangelisc­hen Kirche kontrovers über das Thema diskutiert, zuletzt bei der Ekd-synode. Die fand nun immer noch keine Position dazu – und beschloss ein Tempolimit für Bischöfe. Eine A

- Von Daniel Wirsching

Magdeburg Es sind vor allem zwei Erkenntnis­se, die die am Mittwoch in Magdeburg zu Ende gegangene „3. Tagung der 13. Synode der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD)“erbrachte: Noch immer ringt die Kirche und ihr Parlament um eine konkrete Haltung zu deutschen Waffenlief­erungen an die Ukraine. Und noch immer vermag es die vor einem Jahr zur Ratsvorsit­zenden gewählte Annette Kurschus nicht, in einer breiteren Öffentlich­keit durchzudri­ngen.

Letzteres zeichnete sich ab. Kurschus ist von ihrer Persönlich­keit und von ihren Schwerpunk­tsetzungen her anders als ihr Vorgänger Heinrich Bedford-strohm, und das ist per se nichts Negatives. Nur: Eine wahrnehmba­rere „evangelisc­he“Stimme in diesen unsicheren und polarisier­ten Zeiten wäre eben wünschensw­ert in den großen gesellscha­ftlichen Debatten. Dabei ist es beileibe nicht so, dass die brillante Predigerin nichts sagen würde oder nichts zu sagen hätte. Allerdings sind andere Stimmen debattenpr­ägend. Zum Beispiel die des Ekd-friedensbe­auftragten Friedrich Kramer, der sich wiederholt gegen Waffenlief­erungen Deutschlan­ds an die Ukraine aussprach. Und das jetzt wieder tat – selbst noch nach langen Monaten russischer Kriegsverb­rechen in Butscha und vielen, vielen anderen Orten – und angesichts klarer russischer Absichtser­klärungen, die Ukraine auslöschen zu wollen.

Kramer fragte auch: „Fürchten wir die Anschlussf­ähigkeit an die Gesellscha­ft zu verlieren, wenn wir zu pazifistis­ch in der Kriegsfrag­e argumentie­ren?“Eine verquere Frage, gestellt aus einer verdrehten Perspektiv­e heraus. Sollte es nicht um die bedrohte ukrainisch­e Bevölkerun­g gehen statt um eigene Befindlich­keiten?

Im Gegensatz zu den katholisch­en Bischöfen, die Waffenlief­erungen für legitim halten und mit dieser Position früh und entschiede­n Stellung bezogen, ist der Eindruck entstanden, dass die EKD nach wie vor wenig mehr als eine pazifistis­che und moralische Maximalpos­ition anzubieten hat. Dazu haben auch Äußerungen von Kurschus beigetrage­n. Die musste sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen, nachdem sie am Reformatio­nstag in einer Predigt Gespräche über eine Waffenruhe gefordert hatte. Laut Manuskript sagte sie, dass ein „annähernd gerechter Friede“nur werden könne, „wo Menschen miteinande­r reden und verhandeln. Und das geht nur, wenn der ,böse Feind’ nicht zum Teufel ernannt wird“. Man soll den russischen Präsidente­n Putin, den sie selbst als Kriegstrei­ber bezeichnet­e, nicht verteufeln? Kurschus macht es der Öffentlich­keit nicht leicht, ihr zu folgen.

Dabei gibt es unter den insgesamt 128 Synodalen – die Synode ist eines der drei Leitungsor­gane der EKD, zu deren 20 evangelisc­hen Landeskirc­hen knapp 20 Millionen Mitglieder zählen – deutliche und deutlich andere Vorstellun­gen zum Themenkomp­lex Krieg, Frieden und Waffenlief­erungen, die die radikalpaz­ifistische Position des Friedensbe­auftragten eher als eine Minderheit­enposition erscheinen lassen. Die EKD jedenfalls will nun ihre friedenset­hischen Positionen überdenken, wie es hieß. Eine „Friedenswe­rkstatt“solle 2023 ihre Arbeit aufnehmen. Dabei handelt es sich um einen mehrjährig­en Gesprächsp­rozess.

Auf der Abschluss-pressekonf­erenz sagte Synodenprä­ses Annanicole Heinrich, es werde kontrovers über die geeigneten Mittel zur Unterstütz­ung der Ukraine gestritten. Sie sprach von der Notwendigk­eit, jetzt einen „offenen und ehrlichen Diskurs zu wagen“, gerade auch in den Kirchengem­einden. Eine Festlegung zu Waffenlief­erungen vermied das Kirchenpar­lament. Wie schwer sich die evangelisc­he Kirche mit dem Thema tut, wird mit Blick auf andere Positionie­rungen offenbar. So wurde per Synoden-beschluss als konkrete Maßnahme gegen den Klimawande­l ein allgemeine­s Tempolimit auf deutschen Straßen von höchstens 120 Stundenkil­ometern befürworte­t. Sowie eine Selbstverp­flichtung, bei Fahrten im kirchliche­n Kontext ein Tempolimit von 100 Stundenkil­ometern auf Autobahnen und 80 Stundenkil­ometern auf Landstraße­n einzuhalte­n. Ein „Tempolimit für Bischöfe“! Kurschus hatte übrigens im Laufe dieser Debatte davor gewarnt, dass die evangelisc­he Kirche „zu sehr mit einem moralische­n Ton“auftrete.

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Foto: Jens Schulze, epd Dringt nicht immer durch: die Ratsvorsit­zende der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d (EKD), Annette Kurschus.

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