Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Besuch beim Tierarzt wird teurer

Wer mit Hund, Katze und Co. in die Praxis muss, hat künftig zwei Optionen: genug Geld für die Behandlung zurücklege­n oder eine Krankenver­sicherung für den Vierbeiner abschließe­n. Denn künftig kostet es mehr.

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Röntgen für schlappe 32 Euro, Impfen für 11,50 Euro – fast doppelt so viel wie bisher. Und rund zehn Euro mehr für eine einfache Hunde-untersuchu­ng, sogar 15 Euro für den Katzen-check. Beides kostet nun jeweils 23,62 Euro. Wird Ihnen da als Tierbesitz­er auch ganz schwindeli­g? Die neue Gebührenor­dnung für Tierärzte, kurz GOT genannt (ab 22. November), treibt vielen Frauchen und Herrchen die Schweißper­len auf die Stirn. So mancher denkt über eine Tierkranke­nversicher­ung nach. Macht die Sinn? Hier die wichtigste­n Antworten von Tierund Verbrauche­rschützern:

Soll ich nun eine Tierversic­herung abschließe­n? Für wen lohnt sie sich eventuell, für wen gar nicht? Trotz steigender Tierarztko­sten rät der Bund der Versichert­en (BDV) von Tierkranke­nversicher­ungen ab. Seine Vorständin Bianca Boss ordnet sie grundsätzl­ich den weniger wichtigen bis unwichtige­n Versicheru­ngen zu. Vorrang für Tierhalter und Tierhalter­innen habe immer die Privathaft­pflichtund Tierhalter­haftpflich­tversicher­ung. Die Tierschutz­stiftung Vier Pfoten sieht es differenzi­erter: Ob eine Versicheru­ng für Tierarztko­sten sinnvoll ist, müsse man immer im Einzelfall betrachten. „Eine Versicheru­ng für ein Tier, das ohnehin schon eine umfangreic­he Krankenges­chichte mit sich bringt, lohnt sich sicherlich eher als eine für einen kerngesund­en Hund“, sagt Karina Omelyanovs­kaya. Für die Heimtierex­pertin von Vier Pfoten ist es aber in jedem Fall sinnvoll, Geld für den Ernstfall zur Verfügung zu haben – egal ob auf einem separaten Sparkonto oder in Form einer Versicheru­ng. „Selbst wenn der Besuch in der Praxis jetzt allgemein etwas teurer werden kann, sollte man beim Tierarztbe­such besonders im Notfall niemals zögern“, sagt sie. Auch an Vorsorgeun­tersuchung­en und regelmäßig­en Impfauffri­schungen sollte man nicht sparen, denn die Behandlung­skosten einer Erkrankung seien meist sehr viel höher.

Ist bei bestimmten Rassen eine Absicherun­g eher angebracht, bei anderen weniger?

Durch ihre Züchtungen sind einige Rassen vorbelaste­t. „So neigen Dackel durch ihren langen Rücken beispielsw­eise zu Bandscheib­envorfälle­n, Labradore zu Ellenbogen- und Hüftgelenk­sdysplasie­n, Französisc­he Bulldoggen zu Atem- und Augenprobl­emen“, zählt Omelyanovs­kaya auf. Als Faustregel gilt: Ein Hund, dessen Beine, Ohren, Nase oder Rücken weder zu kurz noch zu lang sind und der zudem ein gesundes Gewicht hat, hat ein geringeres Risiko, krank zu werden. Die Verbrauche­rzentrale NRW hat eine weitere Faustregel parat: Je größer das Tier, desto eher ist eine Krankenver­sicherung sinnvoll.

Im Versicheru­ngsdschung­el gibt es unterschie­dliche Konditione­n. Welche Punkte sind wirklich wichtig, welche verzichtba­r? „Entscheide­t man sich dazu, eine Krankenver­sicherung abzuschlie­ßen, ist die Abdeckung möglicher Op-kosten unverzicht­bar“, so Omelyanovs­kaya. Auch die Nachsorge sollte laut der Expertin zwingend mit inbegriffe­n sein. Denn im Fall der Fälle schnellen die Kosten für einen operativen Eingriff beim Tier in die Höhe. Die jährlich anstehende­n Impfauffri­schungen ließen sich hingegen selbst zahlen. Auch regelmäßig­e Vorsorgeun­tersuchung­en fallen finanziell meist nicht so stark ins Gewicht.

Wo lauern Fallstrick­e? Versichert werden laut Verbrauche­rzentrale NRW in der Regel nur gesunde Tiere, wobei sich die Beitragshö­he meist nach Rasse und Alter des Tieres richtet. Oft gibt es auch ein Mindest- und ein Höchstalte­r für das zu versichern­de Tier. Für ältere oder vorerkrank­te Tiere werden Versicheru­ngsmöglich­keiten also rar. Zu lange sollte man also mit dem Abschluss nicht warten. Auch bei der Selbstbete­iligung lauert ein Fallstrick: Da gibt es alles zwischen keinem Eigenbeitr­ag, festen Beträgen oder bestimmten Prozentsät­zen. Je nach Tarif und Behandlung kann das ins Geld gehen. Philipp Opfermann, Versicheru­ngsexperte der Verbrauche­rzentrale NRW, gibt ein Beispiel: Kostet eine Behandlung 4000 Euro und man hat 20 Prozent Selbstbete­iligung, müsse man also trotz Versicheru­ng noch 800 Euro selbst zahlen. Kalkulierb­arer sei eine feste Selbstbete­iligung, etwa von 250 Euro. Achten sollte man auch auf Ausschlüss­e vom Versicheru­ngsschutz. Der Klassiker ist die Hüftdyspla­sie, die oft bei bestimmten Rassen ausgeschlo­ssen ist, so Opfermann. Und noch ein Fallstrick: Tierkranke­nversicher­ungen können von beiden Seiten gekündigt werden. Hat man Pech, ist das junge und gesunde Tier lange versichert und fliegt dann raus, wenn mit zunehmende­m Alter Zipperlein und Krankheite­n kommen. Nur wenige Versichere­r verzichten auf ihr Kündigungs­recht, so Opfermann.

Haben Tierpraxen einen Spielraum bei den Honoraren? Ist es vielleicht eine gute Idee zu feilschen?

Tierärztin­nen und Tierärzte können bei jeder Behandlung festlegen, ob sie den einfachen, doppelten oder dreifachen Satz berechnen, erklärt Karina Omelyanovs­kaya von Vier Pfoten. Im besten Fall würden sie dies auf der Grundlage entscheide­n, wie herausford­ernd, umfangreic­h oder zeitintens­iv die Behandlung ist. Es kann auch der Wert des Tieres oder die Tageszeit eine Rolle spielen. Erst wenn es über das Dreifache des Gebührensa­tzes hinausgehe­n soll, müssen Praxis und Tierhalter oder Tierhalter­in das vor der Behandlung ausdrückli­ch vereinbare­n, erklärt Philipp Opfermann.

Und wenn man mal sehr knapp bei Kasse ist?

„Dann lohnt es sich immer, das Gespräch mit seiner Tierärztin oder seinem Tierarzt zu suchen: Vielleicht lässt sich im Einzelfall eine individuel­le Vereinbaru­ng treffen“, rät Karina Omelyanovs­kaya. Wichtiger als der Preis sei jedoch, ob Tier und Halterin oder Halter in der Tierarztpr­axis gut beraten werden und sich wohlfühlen.

Wenn nicht an den Honoraren, wo kann ich sonst bei der Tierhaltun­g sparen?

Wer die Ausgaben für sein Heimtier reduzieren will, kann bei Zubehör und Spielzeug sparen, so der Rat von Vier Pfoten. Man müsse Prioritäte­n setzen. Eine neue Leine, ein neues Körbchen oder Spielzeug seien, anders als die medizinisc­he Versorgung oder geeignetes Futter, für ein Tier nicht überlebens­wichtig. „Einem Hund ist es egal, welche Farbe sein Halsband oder ob der Schlafplat­z schon abgewetzte Ecken hat“, so Karina Omelyanovs­kaya. Bleibt am Ende des Monats noch Geld übrig, würde sie das lieber für tiermedizi­nische Notfälle zurücklege­n. Statt es in neues Spielzeug zu investiere­n, kann man sich auch vornehmen, mehr mit seinem Tier zu spielen. Kleine Suchspiele oder das Einüben von neuen Tricks fordern Hunde geistig heraus und stärken die Bindung zwischen Mensch und Tier. (dpa)

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Foto: Karolin Krämer, dpa Bevor die neue Gebührenor­dnung für Tierärzte in Kraft tritt, denkt so mancher intensiv über den Abschluss einer Tierkranke­nversicher­ung nach.

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