Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Nirajs Vater ging zum Arbeiten fort und kam nie wieder

Riesige Stadien und breite Straßen: Im Land Katar wurde für die Fußball-wm viel gebaut. Nirajs Vater war einer der Bauarbeite­r dort. Doch dann passierte etwas Schlimmes.

- Von Anne-sophie Galli

Nur ein paar Erinnerung­en und Fotos, das ist alles. Mehr ist Niraj nicht von seinem Vater geblieben. Der Zehnjährig­e lebt mit seiner Mutter und anderen Verwandten im Land Nepal in Asien. Sein Vater ist vor einiger Zeit gestorben, weit weg von zu Hause. Nirajs Vater war Gerüstbaue­r auf einer Baustelle im Land Katar. Er hatte geholfen, eines der Stadien für die Fußball-weltmeiste­rschaft zu bauen.

Am 20. November beginnt die WM. Wie das Education City Stadion fertig wurde und wie dort Fußball gespielt wird: Das erlebte Nirajs Vater nicht mehr. Er starb eines Nachts in seinem Bett in der Arbeiterun­terkunft. Grund war ein Herzinfark­t. Denkt Niraj heute an seinen Vater, fallen ihm nur noch wenige Dinge ein. „Ich erinnere mich, wie er mich getragen hat“, sagt er.

Er war sechs, als sein Vater nach Katar flog. Danach hatte er nur noch am Telefon Kontakt mit ihm. „Meist habe ich schon geschlafen, wenn Papa angerufen hat. Meist sprach Mama mit ihm. Ich erinnere mich nicht mehr an viel“, sagt Niraj.

Auch viele andere Männer aus Nepal sind zum Arbeiten ins Ausland gegangen. Denn Nepal ist ein armes Land. Zahlreiche Menschen von dort hoffen, woanders mehr Geld zu verdienen. Kehren die Menschen von ihren langen Arbeitsein­sätzen zurück, bringen sie oft Schokolade für ihre Kinder mit. Niraj sei dann immer traurig, erzählt seine Mutter. Nirajs Freunde gäben ihm deswegen etwas von der Schokolade ab, die ihre Väter mitgebrach­t haben.

Wegen des Todes ihres Mannes bekam Nirajs Mutter etwas Geld, von dem sie ein kleines Stück Land kaufen konnte. Doch die Familie ist noch immer ziemlich arm. Sie lebt in einer Hütte mit Lehmboden. Die Wände bestehen aus Holzbrette­rn. Nirajs Vater ging nach Katar, weil er von einem besseren Leben für sich und seine Familie geträumt hatte.

Den Traum, ein paar Jahre dort zu arbeiten und dabei viel zu verdienen, haben zahlreiche Menschen aus ärmeren Ländern. Schätzunge­n zufolge leben etwa zwei Millionen Gastarbeit­er und Gastarbeit­erinnen in Katar. Sie bauen nicht nur Fußballsta­dien, sondern auch Hochhäuser und Straßen.

Doch die Arbeit in Katar ist hart. Zum einen ist es dort oft heiß, viel heißer als in Deutschlan­d. Zum anderen müssen die Menschen meist viele Stunden am Tag arbeiten, oft auch mit nur wenigen Ruhetagen dazwischen. Ihre Familien dürfen sie nicht mitnehmen. Sie leben dann meist in einfachen Gruppenunt­erkünften.

Immer mal wieder gibt es auch Berichte, dass Leute ausgebeute­t und schlecht behandelt werden. Nirajs Mutter hofft, dass ihr Sohn später nicht nach Katar gehen muss zum Arbeiten. Sie wünscht sich einen weniger gefährlich­en Job.

Und was will er selber? „Ich möchte am liebsten Youtuber werden und am zweitliebs­ten Arzt“, sagt er.

„Meist habe ich schon geschlafen, wenn er angerufen hat.“

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Fotos: Anne-sophie Galli, dpa Niraj wohnt in dieser einfachen Hütte im Land Nepal.
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Niraj hat nicht mehr viel von seinem Vater, nur noch ein paar Fotos.

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