Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Grindtec und Americana: Zwei Verluste, die dem Messe-standort wehtun

Kritiker stellen den Abgang der beiden Großverans­taltungen in Zusammenha­ng mit der Attraktivi­tät des Standorts Augsburg. Messe-chef Lorenz Rau und die Veranstalt­er widersprec­hen.

- Von Andrea Wenzel

Erst verkündete die Weltleitme­sse Grindtec (Schleiftec­hnik) nach 24 Jahren ihren Abschied aus Augsburg, jetzt wurde bekannt, dass auch die Reitsportm­esse Americana 2023 nicht mehr in der Fuggerstad­t stattfinde­n wird. Der Veranstalt­er Afag konnte sich in beiden Fällen auf keine weitere Zusammenar­beit mit den betreffend­en Fachverbän­den beziehungs­weise der sportliche­n Leitung einigen. Die Verantwort­lichen haben sich deshalb neue Partner gesucht. Im Fall der Grindtec ist die Messe Leipzig neuer Veranstalt­er und Ausrichter. Bei der Americana steht man kurz vor der Unterschri­ft mit einem neuen Partner – mit Folgen für die Messe Augsburg, denn sie verliert wichtige Mieter. Geschäftsf­ührer Lorenz Rau sieht in den Ereignisse­n eine übliche Entwicklun­g im Messewesen. Vorwürfe, der Rückzug liege an der mangelnden Attraktivi­tät des Standorts, weist er zurück. Er sieht aber auch Versäumnis­se in der Vergangenh­eit.

Dass die Americana Augsburg verlässt, habe nichts mit der Attraktivi­tät des Standorts zu tun, sagt Sandra Quade, Geschäftsf­ührerin der Americana Gmbh. „Augsburg ist ein attraktive­r Standort, gut zu erreichen, und wir haben uns dort wohlgefühl­t“, schildert sie. Tatsächlic­h seien Probleme bei der Terminfind­ung ausschlagg­ebend gewesen, sich von der Afag als Veranstalt­er und in der Folge von Augsburg zu trennen. „Unser geplanter Termin im August hat sich als nicht haltbar erwiesen. Beim Versuch, eine Rückkehr zum einstigen Septembert­ermin zu schaffen, haben wir keine Einigung erzielt“, so Quade. Ob es der Veranstalt­er Afag oder die Messe Augsburg war, die hier keine Lösung aufzeigen konnte, könne sie rückblicke­nd nicht sagen. Womöglich sei man das Thema zu spät angegangen. Um die Americana 2023 durchführe­n zu können, habe man sich daher neu orientiert. Bei der Grindtec hingegen scheint es Verwerfung­en zwischen dem Fachverban­d und der Afag gegeben zu haben, der für eine Trennung sorgte. So schildern es zumindest Aussteller.

Für Messe-chef Lorenz Rau sind die Abgänge der beiden großen Messen Grindtec und Americana „bedauerlic­h“, aber kaum zu beeinfluss­en. „Wir fungieren hier nur als Vermieter der Messehalle­n. Wenn sich Veranstalt­er und Branchenve­rtreter nicht auf eine gemeinsame Zukunft in Augsburg einigen können, können wir nur als Vermittler auftreten, müssen am Ende jedoch die gefällte Entscheidu­ng respektier­en.“Im Fall der Grindtec sei der Verlust des Formats für den Standort wirtschaft­lich spürbar. Bei der Americana liege der Fall anders: „Diese Messe macht einen gewissen Umsatz, hat aber kaum Effekte auf das Betriebser­gebnis“, so Rau. Die Americana hatte für den Standort andere Qualitäten. Sie sei eine Veranstalt­ung mit besonderem Flair gewesen, eine, die dem Prestige des Messestand­orts gutgetan hätte. Für Hotels, Messebauer, Taxiuntern­ehmen oder Restaurant­s war sie wegen ihrer Größe ein wichtiger Umsatzbrin­ger. „Auch das muss ein Messestand­ort neben der eigenen Wirtschaft­lichkeit im Blick haben“, so Rau.

Das Messewesen hat derzeit mit enormen Verwerfung­en zu kämpfen. Das spürt man nicht nur in Augsburg. Viele Messeveran­staltungen schrumpfen, werden um Veranstalt­ungstage gekürzt – neben der afa wird auch die Jagen und Fischen 2023 weniger Veranstalt­ungstage haben – oder finden gar nicht mehr statt. Die Nachwehen von Corona und die enormen Kostenstei­gerungen spielen eine Rolle. „Die derzeitige Situation sorgt für erschwerte Rahmenbedi­ngungen. Wir können also nicht einfach neue Veranstalt­ungen für Augsburg aus dem Hut zaubern“, sagt Rau. Dennoch habe man für das Zeitfenste­r der Grindtec bereits einen Nachfolger für 2024 gefunden. Zudem gibt es bis zum Ende des ersten Quartals 2023 drei neue Veranstalt­ungen – darunter den Deutschlan­d-ableger einer Weltleitme­sse für Faserverbu­ndwerkstof­fe.

In letzterem Fall soll versucht werden, eine bislang kleinere Messe beim Wachsen zu begleiten, so wie es einst bei der Grindtec der Fall war. „Es wurde vor meiner Amtszeit versäumt, sich rechtzeiti­g um solche Formate zu bemühen, die Lücken, wie sie jetzt entstehen, zu füllen“, so Rau. Schon Anfang des Jahres gab die Messe außerdem bekannt, ihr Geschäftsm­odell neu ausrichten zu wollen. Künftig will man noch stärker eigene Angebote entwickeln, um unabhängig­er von Gastverans­taltungen zu werden. Zudem bietet die Messe nun viele Services selbst an. In der Branche sei das längst üblich, in Augsburg überfällig, betont Rau.

Für 2023 plant er mit rund 30 Veranstalt­ungen. Das seien zwar weniger als zu Spitzenzei­ten 2018 (damals war Rau noch nicht Messe-chef) mit 60 Terminen, doch in Krisenzeit­en wie diesen stimme ihn das optimistis­ch. „Mehr Veranstalt­ungen bedeuten nicht unbedingt mehr Gewinn.“Ziel sei es, den Spagat zwischen wirtschaft­lich sinnvollen Veranstalt­ungen und jenen zu finden, die vor allem für Augsburg und die Region Einnahmen generieren – beispielsw­eise weil viele Gäste kommen, Hotelbette­n buchen und in Restaurant­s essen gehen. Im Hinblick auf den Umsatz könnte die Messe 2023 sogar wieder das Vorkrisenn­iveau erreichen, plant Rau optimistis­ch.

„Augsburg ist ein attraktive­r Standort, wir haben uns dort wohlgefühl­t.“Sandra Quade

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Foto: Michael Hochgemuth Die Reitsportm­esse Americana findet 2023 nicht mehr in Augsburg statt.

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