Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Zahl illegaler Einreisen steigt massiv an
Unter den Menschen, die an den Grenzen aufgegriffen werden, sind auffällig viele türkische Staatsbürger.
Augsburg Immer mehr Geflüchtete kommen nach Deutschland. Allein im Oktober hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 23.918 Asylerstanträge entgegengenommen – das ist ein Anstieg im Vergleich zum Vormonat um 27,8 Prozent. Im Vergleich zum Oktober des Vorjahres waren es 80 Prozent mehr. Nicht eingerechnet sind Migranten aus der Ukraine. Sie müssen keinen Antrag auf Asyl stellen, sie bekommen ohne Asylverfahren einen Schutzstatus.
Die meisten Migranten kamen aus Syrien nach Deutschland, gefolgt von Afghanistan und, besonders auffällig, der Türkei. Am Bosporus hat sich die politische und vor allem wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Das bekommt auch die Bundespolizei an den Grenzen zu spüren. Allein die für Bayern zuständige Bundespolizeidirektion München hat im Zeitraum von Januar bis einschließlich September dieses Jahres mehr als 2200 versuchte unerlaubte Einreisen türkischer Staatsbürger registriert. Im gesamten vergangenen Jahr waren es mehr als 1100 Fälle. Gerade einmal ein Drittel der türkischen Asylsuchenden erhält einen Schutzstatus, das heißt, sie werden als asylberechtigt anerkannt oder zumindest nicht abgeschoben.
„Gründe für die gegenwärtige Entwicklung sind unter anderem Nachholeffekte nach den Reisebeschränkungen aufgrund der Corona-pandemie“, teilt eine Sprecherin des BAMF mit Blick auf die Gesamtentwicklung mit. Aber auch die Verschärfung der wirtschaftlichen und innenpolitischen Lage in vielen Ländern führe zu verstärkten Migrationsbewegungen. Das lässt den Druck nicht nur in Deutschland, sondern insgesamt an den Eu-außengrenzen steigen.
Im Fokus der Verantwortlichen in Brüssel steht erneut die Westbalkanroute, jener Landweg, den viele Flüchtlinge vor allem aus dem Nahen Osten für ihre Reise nach Mitteleuropa wählen. Den Korridor hat die Eu-grenzschutzagentur Frontex als „aktivste Migrationsroute in die EU“ausgemacht. Allein im September wurden 19.160 Personen gezählt – doppelt so viele wie im Vorjahresmonat. Zusammengerechnet registrierte Frontex in den ersten neun Monaten 106.396 Menschen.
Die Verantwortung für die gestiegenen Zahlen sehen Eu-politiker unter anderem in der Visa-politik einiger Balkanstaaten, insbesondere Serbiens. So können Menschen etwa aus Indien, Kuba, Tunesien oder Burundi visafrei mit dem Flugzeug in Serbien landen und anschließend mit Schleppern in einen der 27 Mitgliedstaaten weiterreisen. Die EU fordert, dass Serbien seine Visapraxis anpasst, aber in Belgrad scheint man unbeeindruckt von der Kritik. Präsident Aleksandar Vucic hatte zwar kürzlich eine Änderung bis Jahresende in Aussicht gestellt, sich aber mit konkreten Details zurückgehalten.
Das lässt auch in Deutschland die Sorgenfalten tiefer werden. Viele Kommunen geraten an ihre Grenzen. Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl spricht von einer „Unterbringungskrise“. „Es gibt bei den Kommunen massive Engpässe bei der Unterbringung der Geflüchteten“, betont Karl Kopp, Europareferent von Pro Asyl. Nach seiner Ansicht könnten Notunterkünfte nicht die Lösung sein, erst recht nicht Zelte oder Turnhallen, die man Schülern und Vereinen vorenthalte, die bereits während der Pandemie Opfer bringen mussten. „Und wir können nicht Frauen und Kinder wochenlang in Großunterkünften de facto menschenunwürdig unterbringen.“Stattdessen müssten die Kommunen in die Lage versetzt werden, schnell menschenwürdige Wohneinheiten zu schaffen – etwa durch Module oder Container.